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Gravierende Änderungen im BGB 2022

08.02.2022

Wie sich die „Schuldrechtsmodernisierung 2.0“ auch auf Ihr Unternehmen auswirkt

Der deutsche Gesetzgeber hat einmal mal mehr die Rechte der Verbraucher gestärkt und die Unternehmen zum Handeln aufgefordert. Die Änderungen im Verbraucherschutz gehen auf drei europäische Richtlinien zurück, die Warenkaufrichtlinie, die Digitale-Inhalte-Richtlinie und die Modernisierungsrichtlinie, und werden flankiert von neuen nationalen Verbraucherschutzvorschriften.

Die neuen Regelungen gelten teilweise bereits bzw. werden im Laufe des Jahres 2022 in Kraft treten. Die Wirkung der Änderungen beschränkt sich nicht auf Unternehmen, die mit Verbrauchern kontrahieren, sondern diese haben Auswirkungen auf die gesamte Lieferkette und insbesondere die Hersteller von Waren und Software.

Die Regelungen wirken sich insbesondere auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen, Planung von Software-Aktualisierung, Widerrufsbelehrung und Informationsplichten aus.

 

 

Die wichtigsten Änderungen im Überblick:

  • Zusätzliche Informationspflichten für Online-Marktplätze
  • Neue Gewährleistungsrechte für digitale Produkte und Waren mit digitalen Elementen
  • Aktualisierungspflicht für digitale Produkte
  • Neuer Sachmangelbegriff (gilt auch im Verhältnis B2B)
  • Verlängerung der Beweislastumkehr bei Mängeln auf ein Jahr beim Verbrauchgüterkauf
  • Kündigungs-Button für Online-Abos
  • Neue Muster-Widerrufsbelehrung

Die Einhaltung vieler der neuen Vorschriften ist besonders kritisch, weil (ähnlich der DS-GVO) das Gesetz unter bestimmten Voraussetzungen bei Verstößen Bußgelder bis 4% des Jahresumsatzes (bzw. 50.000 EUR bei einem EU-Jahresumsatz <= 1,25 Mio. EUR) vorsieht (Art. 246e § 2 EGBGB n.F.).

Gravierende Änderungen im Schuldrecht 2022
Die wichtigsten Änderungen im Detail

Neuerungen im Kaufrecht

Mangelbegriff, Connected Cars und SmartHome-Geräte: 
Neuer Mangelbegriff und mehr Verbraucherschutz erfordern AGB-Update

Der deutsche Gesetzgeber hat mit Wirkung zum 01.01.2022 den Mangelbegriff in § 434 BGB (auch im Verhältnis zwischen Unternehmern) grundlegend neu gefasst. Daneben wurden einige Verbraucherschutzvorschriften verschärft; die Beweislastumkehr bzgl. der Mangelhaftigkeit einer Kaufsache zu Gunsten des Verbrauchers wurde etwa auf ein Jahr verlängert (§ 477 BGB). 

Der Verkäufer schuldet unter einem Kaufvertrag nunmehr auch die Bereitstellung und Erhaltung der digitalen Elemente einer Ware (§ 475b BGB). Das schließt insbesondere die Aktualisierungspflicht ein. Diese kann der Verkäufer in aller Regel nur erfüllen, wenn der Hersteller die erforderlichen Aktualisierungen seinerseits bereitstellt

Allgemeine Geschäftsbedingungen und sonstige Vertragsmuster im Verhältnis B2C und B2B sind daher zu prüfen und ggf. anzupassen. 

Neues Recht digitaler Produkte

Software, Apps, Smartphones: 
Ein gesetzlicher Rahmen für die digitale Welt

Für Digitale Inhalte und Dienstleistungen wurde in den §§ 327 ff. BGB ein umfangreiches und komplexes neues Regelungsregime geschaffen. Was bisher primär in AGB geregelt wurde, unterfällt jetzt strengen gesetzlichen Regeln. Viele Klauseln in AGB sind daher überarbeitungsbedürftig. Zwar gelten die Vorschriften nur zwischen Verbrauchern und Unternehmern, werden in vielen Fällen aber auch zwischen Unternehmern bei Regressfragen und back-to-back-Absicherungen relevant. Neu ist, dass auch an sich kostenlose Angebote als entgeltlich gelten, wenn der Verbraucher mit personenbezogenen Daten „bezahlt“, wie dies bei sozialen Netzen und anderen Internetdiensten, die sich durch Werbung finanzieren, regelmäßig der Fall ist (§ 312 Abs. 1a BGB). Ein Novum ist auch die Aktualisierungspflicht, die Unternehmer verpflichtet, über einen oft ungewissen Zeitraum Aktualisierungen zur Verfügung zu stellen, die für den Erhalt der Vertragsgemäßheit des digitalen Produkts erforderlich sind. Schließlich sehen die Vorschriften sogar digitale Währungen (z.B. den Bitcoin) als Zahlungsmittel vor (§ 327 Abs. 1 S. 2 BGB). Insgesamt sind noch viele Fragen ungeklärt.

Wir sind uns sicher: Diese Neuerungen werden Unternehmen und Gerichte noch jahrelang beschäftigen. 

Der Kündigungs-Button

Abo schnell abgeschlossen – und schnell gekündigt?

Der „Kostenpflichtig bestellen“-Button, der schon 2012 in Onlineshops zur Pflicht wurde, bekommt ein Geschwisterchen: Ab 01.07.2022 müssen online abgeschlossene Verträge mit einem einfachen Klick auf einen Button „jetzt kündigen“ auch wieder beendet werden können (§ 312k BGB n.F.). Der sog. Kündigung-Button sollte ähnlich wie das Impressum ständig auf der Website verfügbar sein. Fehlt der Kündigungsbutton oder setzt der Unternehmer die Anforderungen an die Implementierung des Kündigungsbuttons nicht richtig um, können Verbraucher jederzeit und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist die Verträge kündigen.

Bußgeldtatbestände

Viele Verbraucherschutzverstöße werden für Unternehmen zur Bußgeldfalle

Im Gesetzgebungsprozess war bis zuletzt eine besonders brisante Neuerung für Unternehmer umstritten: Erstmalig können ab 28.05.2022 Verbraucherschutzverstöße als Ordnungswidrigkeiten geahndet werden, die ein Bußgeld bis zu 4% des Jahresumsatzes (bzw. 50.000 EUR bei einem EU-Jahresumsatz <= 1,25 Mio. EUR oder bis zu 2 Mio. EUR bei Nichtermittlung des Umsatzes) zur Folge haben (Art. 246e § 2 EGBGB n.F.). Zu solchen Verstößen zählen etwa

  • die Missachtung bestimmter Informationspflichten;
  • die Geltendmachung eines Anspruchs bei Zusendung unbestellter Waren;
  • die Nichtbestätigung eines Widerrufs;
  • eine verspätete Lieferung; sowie
  • die Verwendung von AGB, die gegen ein Klauselverbot ohne Wertungsmöglichkeit verstoßen, z.B. ein unzulässiger Haftungsausschluss oder eine Bindung des Verbrauchers an zu lange Vertragslaufzeiten.

Wir empfehlen einen Frühjahrsputz bei AGB und Verbraucherinformationen: Werden auch wirklich alle Vorschriften eingehalten?

Informationspflichten für Online-Shops und -Marktplätze

Auswirkungen auf die User Journey beim Onlineshopping: 
Conversion-Treiber werden kennzeichnungspflichtig

Die umfangreichen Informationspflichten für Online-Shop Betreiber wurden noch einmal verschärft (Art. 246e § 1 EGBGB n.F.) Ab 28.05.2022 müssen Betreiber von Online-Marktplätzen die Kriterien für Produktrankings, etwa bei Suchergebnissen, offenlegen. Wird der Preis für Produkte durch einen Algorithmus kundenspezifisch bestimmt („personalized pricing“), muss auch dies gekennzeichnet werden.

Überarbeitung der Widerrufsbelehrung

Telefon und E-Mail statt Faxnummer

Schließlich hat sich der Gesetzgeber auch die Widerrufsbelehrung bei Fernabsatzverträgen vorgenommen (Art. 246a § 1 Abs. 2 EGBGB n.F.): Im Fernabsatz sind ab 28.05.2022 die Angabe einer Telefonnummer und E-Mail-Adresse künftig verpflichtend, eine Faxnummer muss (endlich!) nicht mehr angegeben werden. Die Widerrufsbelehrung muss aber auch solche Kommunikationskanäle nennen, die das Unternehmen auch sonst anbietet, etwa einen WhatsApp-Support. Bei Finanzdienstleistungen gelten seit 01.01.2022 neue Anforderungen an Verbraucherinformationen. Die Muster-Widerrufsbelehrungen in Anlage 1 EGBGB wurden insgesamt überarbeitet und sollten unbedingt berücksichtigt werden. Bei Verstößen droht eine verlängerte bzw. nicht endende Widerrufsfrist