Digital Healthcare – Das Digitale-Versorgung-Gesetz
Das am 19.12.2019 in Kraft getretene Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation („Digitale-Versorgung-Gesetz“ oder kurz „DVG“) ist ein weiterer wichtiger Baustein, um die Digitalisierung des Gesundheitswesens in Deutschland voranzubringen.
Worum geht es?
Die Digitalisierung unserer Gesellschaft ist ein unaufhaltsamer Trend. Auch im Gesundheitswesen ist der digitale Fortschritt immer mehr spürbar: So sind nicht nur die Gesundheitsakteure (Kliniken, Ärzte, Kassen, Patienten etc.) untereinander mehr und mehr vernetzt, es werden auch immer mehr Gesundheitsanwendungen entwickelt, die sich digitale Strukturen zunutze machen. Hierdurch werden die Qualität der Gesundheitsversorgung verbessert und Versorgungslücken behoben. Auf der anderen Seite steigt auch der Regulierungsbedarf. Insbesondere müssen die Abrechenbarkeit neuer Gesundheitsleistungen sowie der Schutz der betroffenen Gesundheitsdaten gewährleistet sein.
Nicht zuletzt deshalb hat die Bundesregierung im Koalitionsvertrag die Digitalisierung des Gesundheitswesens als „eine der größten Herausforderung des Gesundheitswesens in den nächsten Jahren“ angesehen. Das DVG ist nach dem am 1. Januar 2016 in Kraft getretenem E-Health-Gesetz nun ein weiterer Baustein, um die Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen voranzutreiben.
Inhalte des Digitale-Versorgung-Gesetzes
Das Digitale-Versorgung-Gesetz bringt unter anderem folgende Neuerungen mit sich:
Kostenübernahme für „Gesundheits-Apps“
Das wohl prominenteste Beispiel des DVG besteht in der Kostenübernahme für „Gesundheits-Apps“ im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung. Für Patienten besteht nunmehr die Möglichkeit, sich die Kosten für sogenannte digitale Gesundheitsanwendungen erstatten zu lassen. Digitale Gesundheitsanwendungen sind Medizinprodukte niedriger Risikoklasse, deren Hauptfunktion wesentlich auf digitalen Technologien beruht und die dazu bestimmt sind, bei den Versicherten oder in der Versorgung durch Leistungserbringer die Erkennung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten oder die Erkennung, Behandlung, Linderung oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen zu unterstützen. Hierunter fallen insbesondere die im Alltag bereits regelmäßig zur Anwendung kommenden „Gesundheits-Apps“. Die Kosten für solche digitalen Gesundheitsanwendungen trägt im Falle der Verschreibung bzw. im Falle der vorherigen Genehmigung die gesetzliche Krankenkasse.
Damit die digitale Gesundheitsanwendung erstattungsfähig ist, müssen die jeweiligen Hersteller jedoch den Nachweis erbringen, dass die Gesundheitsanwendung Gewähr für Sicherheit, Funktionstauglichkeit, Qualität, Datensicherheit und Datenschutz bietet sowie die Versorgung der Patienten verbessert. Erfüllt die Gesundheitsanwendung diese Voraussetzungen wird sie nach Antrag beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in das Verzeichnis erstattungsfähiger digitaler Gesundheitsanwendungen aufgenommen. Ist dem Hersteller der Nachweis positiver Versorgungseffekte bei Antragstellung noch nicht möglich, kann er auch beantragen, dass die digitale Gesundheitsanwendung für bis zu zwölf Monate in das Verzeichnis zur Erprobung aufgenommen wird. In diesem Fall sind die positiven Versorgungseffekte dem BfArM spätestens nach Ablauf des Erprobungszeitraums vorzulegen.
Förderung telemedizinischer Leistungen
Die Anwendung telemedizinischer Leistungen wird durch das DGV weiter gefördert. Um Patienten die Suche nach solchen Ärzten zu erleichtern, die Videosprechstunden anbieten, dürfen Ärzte künftig auf das Fernbehandlungsangebot hinweisen. Dem stand bisher das Werbeverbot des § 9 HWG entgegen – obwohl bereits seit 2018 auch die Musterberufsordnung für Ärzte Fernbehandlungen in bestimmten Fällen als zulässig ansieht.
Erweiterung der Telematikinfrastruktur
Der DGV-Entwurf sieht eine Erweiterung der Telematikinfrastruktur (TI) vor. Patienten sollen digitale Angebote, etwa die elektronische Patientenakte, bald flächendeckend nutzen können. Apotheken sind verpflichtet, bis Ende September 2020, und Krankenhäuser sind verpflichtet, bis Anfang Januar 2021, sich jeweils an die TI anschließen zu lassen. Hebammen und Physiotherapeuten, Pflege- und Rehabilitationseinrichtungen können sich freiwillig anschließen lassen. Die Kosten für die freiwillige Anbindung werden erstattet. Der Honorarabzug für Ärzte, die sich nicht anschließen lassen wollen, beträgt aufgrund des DVG nunmehr 2,5 % (statt nur 1 %).
Fazit und Ausblick
Mit dem DVG setzt die Bundesregierung einige ihrer im Koalitionsvertrag angekündigten Pläne um. Hierunter zählen insbesondere die Nutzungsmöglichkeit von „Mobile Health“, die Anwendung und Abrechenbarkeit telemedizinischer Leistungen sowie der Ausbau der Telematikinfrastruktur. Es besteht allerdings noch weiterhin Regelungsbedarf im Hinblick auf den Datenschutz, um einen optimalen Schutz der Gesundheitsdaten Betroffener zu gewährleisten. Der Gesetzgeber verspricht hierzu zeitnah nachzuziehen, um bis zum 1. Januar 2021 die elektronische Patientenakte einführen zu können. Darüber hinaus dienen weitere Gesetzesvorhaben der Modernisierung des deutschen Gesundheitswesens: Am 13.02.2020 ist das Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz (GKV-FKG) vom Bundestag verabschiedet worden. Diesem wird möglicherweise in absehbarer Zeit das Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken (GSVOA) folgen.
Die voranschreitende Digitalisierung im Gesundheitswesen eröffnet aber bereits jetzt schon Raum für viele neue Geschäftsfelder. Marktpotenzial besteht insbesondere für Anbieter von verschreibungsfähigen Gesundheit-Apps sowie von telemedizinischer Soft- und Hardware. Auch das Online-Plattformmodell wird mit zunehmender Digitalisierung immer wichtiger als Vertriebs- und Marketinglösung. Um diese Marktpotentiale optimal nutzen zu können und auf anstehende Neuerungen vorbereitet zu sein, empfehlen wir Unternehmern die rechtspolitischen Entwicklungen im Gesundheitswesen auch in Zukunft weiterhin genauestens zu verfolgen.
Weiterführende Links:
Informationsseite des Bundesministerium für Gesundheit zum DVG
E-Health-Gesetzgebung in Deutschland- Update