Offenlegungspflichten – Laufende Fortentwicklung der technischen Regulierungsstandards
I. Einleitung
Die Offenlegungsverordnung (EU) 2019/2088 („SFDR“) regelt für Unternehmen im Finanzdienstleistungssektor nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten gegenüber Endanlegern. Am 14.08.2022 sind die technischen Regulierungsstandards („RTS“) zur SFDR in Kraft getreten. Die RTS konkretisieren die Anforderungen unter der SFDR.
Die seit dem 01.01.2023 anzuwendenden RTS entwickeln sich stetig fort und stellen unter anderem auch Versicherungsunternehmen und Vermittler vor große Herausforderungen bei der Umsetzung. Die letzten Änderungen durch die Delegierte Verordnung (EU) 2023/363 sind ohne Umsetzungsfrist unmittelbar anwendbar. Dabei dürfen die Anforderungen an eine umfassende Transparenz nicht zu Lasten einer übersichtlichen Darstellung gehen. Anderenfalls droht das Risiko eines Greenwashing-Verdachts.
II. Technische Regulierungsstandards
Die SFDR gilt bereits seit dem 10.03.2021. Durch die Taxonomie-Verordnung (VO (EU) 2020/852) wurde die Offenlegungsverordnung noch einmal geändert. Insbesondere wurden die Europäischen Aufsichtsbehörden („ESAs“) beauftragt, RTS auszuarbeiten. Die Kommission hat die RTS als Delegierte Verordnung (EU) 2022/1288 erlassen.
1. Ausarbeitung und Aktualisierung
Die RTS sind umfangreich und komplex. Dies zeigt sich schon daran, wie viel Zeit die Ausarbeitung der RTS in Anspruch genommen hat. Ursprünglich war vorgesehen, dass die ESAs der Kommission die Entwürfe der RTS bis zum 30.12.2020 übermitteln. In Kraft getreten sind die RTS im August 2022 und sind nunmehr seit dem 01.01.2023 auch anzuwenden.
Die Offenlegungsverordnung sieht vor, dass die ESAs die RTS unter Berücksichtigung der rechtlichen und technischen Entwicklungen aktualisieren. Entsprechend werden die RTS laufend überarbeitet und fortentwickelt. Die letzte Anpassung erfolgte durch die am 20.02.2023 in Kraft getretene Delegierte Verordnung (EU) 2023/363, die Änderungen in Bezug auf die Anhänge der RTS regelt.
2. Ziele
Die SFDR zielt im Kern darauf ab, das Anlageverhalten von Investoren zu steuern. Endanleger sollen durch mehr Transparenz hinsichtlich ökologischer Merkmale fundiertere Investitionsentscheidungen treffen können. Zu diesem Zweck sollen die Offenlegungspflichten gegenüber Endanlegern
- über die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken,
- über die Berücksichtigung nachteiliger Nachhaltigkeitsauswirkungen und nachhaltiger Investitionsziele und
- über die Bewerbung ökologischer oder sozialer Merkmale bei Investitionsentscheidungen und im Beratungsprozess
harmonisiert und die Vergleichbarkeit von Finanzprodukten damit verbessert werden. Durch vorvertragliche und laufende Offenlegungspflichten sollen Informationsasymmetrien im Hinblick auf die vorgenannten Faktoren abgebaut werden.
Aus den Erwägungsgründen zu den RTS ergibt sich, dass es ausdrücklich auch das Ziel ist, Bedenken in Bezug auf „Greenwashing“ auszuräumen. Allgemein versteht man unter „Greenwashing“ den Versuch von Organisationen, sich insbesondere durch Maßnahmen im Bereich Kommunikation und Marketing ein „grünes“ bzw. „nachhaltiges“ Image zu geben, ohne entsprechende, nachhaltigkeitsorientierte Aktivitäten im operativen Geschäft tatsächlich systematisch umzusetzen (https://www.umweltbundesamt.de/greenwashing-sustainable-finance#greenwashing-im-kontext-von-sustainable-finance). Greenwashing kann beispielsweise auch den „grünen“ Zweck der Finanzierung betreffen. Die weitgehende Konkretisierung der Offenlegungspflichten im Rahmen der RTS soll dem entgegenwirken.
3. SFDR-Kategorien
Die SFDR unterscheidet für Finanzprodukte verschiedene Transparenzebenen, die den Grad der Offenlegung durch vorvertragliche Informationen bestimmen. Zunächst behandelt Art. 6 SFDR die Transparenz für Finanzprodukte, die Nachhaltigkeitsrisiken berücksichtigen oder die zumindest begründen, warum die Finanzmarktteilnehmer die Nachhaltigkeitsrisiken für nicht relevant erachten. Bei Finanzprodukten, die ökologische und/oder soziale Merkmale bewerben (Art. 8 SFDR), und Finanzprodukten, die eine nachhaltige Investition anstreben und einen Index als Referenzwert bestimmen (Art. 9 SFDR), gelten weitergehende Offenlegungspflichten.
4. Verpflichtete
Die Offenlegungspflichten treffen alle Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater in der EU sowie Vermögensverwalter und Berater außerhalb der EU, die ihre Produkte an Kunden in der EU gemäß Art. 42 der Richtlinie (EU) 2011/61 vertreiben. Das schließt unter anderem Versicherungsunternehmen ein, die Versicherungsanlageprodukte anbieten und/oder zu solchen beraten. Gleichermaßen betroffen sind Versicherungsvermittler, die zu Versicherungsanlageprodukten beraten, es sei denn, sie beschäftigen weniger als drei Personen.
5. Wesentlicher Inhalt
Die RTS konkretisieren Inhalt, Methodik und Darstellung der vorvertraglichen Informationen, der Informationen auf der Internetseite sowie der Informationen in regelmäßigen Berichten bei der Bewerbung ökologischer oder sozialer Merkmale, bei nachhaltigen Investitionen. Die Informationen sollen kostenlos und in einer Weise zur Verfügung gestellt werden, die leicht zugänglich, nicht diskriminierend, deutlich sichtbar, einfach, knapp, verständlich, redlich, klar und nicht irreführend ist. Die RTS geben Indikatoren für die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen von Investitionsentscheidungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren vor. Die Indikatoren sollen leicht verständlich sein. Um die Vergleichbarkeit der Informationen zu verbessern, sollen sich Informationen über die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen jeweils auf den Bezugszeitraum vom 01.01. bis zum 31.12. des Vorjahres beziehen.
Im Anhang zu den RTS finden sich Standardvorlagen für
- die Erklärung zu den wichtigsten nachteiligen Nachhaltigkeitsauswirkungen,
- die vorvertraglichen Informationen zu Finanzprodukten und
- die regelmäßigen Informationen zu Finanzprodukten.
Die Anforderungen an den Inhalt der Standardvorlagen sind in den RTS erläutert.
Zahlreiche Fragen bleiben trotz des Umfangs der RTS unbeantwortet. Die BaFin erklärt auf ihrer Internetseite, Fragen der Finanzunternehmen zu den RTS in den Gemeinsamen Ausschuss der ESAs einzubringen. Die Auslegungshinweise der ESAs werden in Q&As veröffentlicht. Zu den RTS hatten die ESAs bereits am 17.11.2022 eine umfangreiche Q&A veröffentlicht (https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Fachartikel/2022/fa_bj_2212_Offenlegungsverordnung.html).
6. Herausforderungen für die Praxis
Die Offenlegungsverordnung einschließlich der RTS stellen Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater vor besondere Herausforderungen. Gerade bei kleineren Versicherungsvermittlern führt die Komplexität der Offenlegungspflichten in der Praxis häufig dazu, dass sie erklären, nachteilige Auswirkungen von Investitionsentscheidungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren bei ihrer Anlage- oder Versicherungsberatung nicht zu berücksichtigen, um damit weitergehende Offenlegungspflichten zu vermeiden.
Schwierigkeiten bei der Umsetzung ergeben sich auch mangels einer ausreichenden Verfügbarkeit von Daten (https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Fachartikel/2022/fa_bj_2212_Offenlegungsverordnung.html). Dabei sind die Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater auf die Unternehmen der Realwirtschaft angewiesen. Bislang sind aber nur große kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern gesetzlich zu umfangreicher Transparenz in Fragen der Nachhaltigkeit und zur Ermittlung der relevanten Daten verpflichtet, sodass den Unternehmen die Daten häufig gar nicht vorliegen.
Die BaFin betont, dass es aus Sicht der Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater wesentlich darauf ankommen wird, den Spagat zwischen umfassender Transparenz und einer übersichtlichen Darstellung zu meistern. Ist die Darstellung nicht hinreichend klar oder zu knapp, droht das Risiko eines Greenwashing-Verdachts.
Die Änderung der RTS durch die neue Delegierte Verordnung (EU) 2023/363 regelt abweichend vom üblichen Verfahren keine Umsetzungsfrist. Die BaFin erwartet nach eigener Aussage in ihrem Q&A, dass die Finanzmarktteilnehmer alle zumutbaren Anstrengungen unternehmen, um unverzüglich die neuen Anforderungen zu erfüllen. Sie stellt klar, dass sie die Umsetzung der neuen Verordnung ab dem 01.09.2023 in ihrer Verwaltungspraxis berücksichtigen wird. Das betrifft in erster Linie die Überprüfung der Einhaltung der Anforderungen an die vorvertraglichen Informationen nach Art. 8 und 9 SFDR.