Europäischer Arbeitsschutz - die EU als Treiber für den Arbeitsschutz in Deutschland
Arbeitsschutz ist kein nationales Thema. Dies belegt z.B. der SLIC-Report von 2017, auf dessen Grundlage Deutschland gesetzliche Regelungen zur Verbesserung der Arbeitsschutzaufsicht auf den Weg brachte. Mit dem Strategischen Rahmen der EU für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2021–2027 – Arbeitsschutz in einer sich wandelnden Arbeitswelt – rückt die EU den Wandel der Arbeitswelt in den Mittelpunkt des Arbeitsschutzes. Dies wird für Unternehmen neue und weitere Anforderungen an ihre Arbeitsschutz-Compliance mit sich bringen.
Ziele der Europäische Kommission zur Stärkung von Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit
Im Lichte der Digitalisierung und der Corona-Pandemie hat die Europäische Kommission drei wesentliche Ziele festgelegt:
- Antizipierung und Bewältigung des Wandels in der neuen Arbeitswelt, der durch den grünen, den digitalen und den demografischen Übergang hervorgerufen wird;
- Verbesserung der Prävention von Arbeitsunfällen und arbeitsbedingten Erkrankungen sowie
- Stärkung der Vorsorge für etwaige künftige Gesundheitskrisen.
Modernisierung und Vereinfachung der EU-Arbeitsschutzvorschriften
Die Digitalisierung bringt auch für den Arbeitsschutz neue Herausforderungen mit sich. Ist die europäische Arbeitsstättenrichtlinie (RL 89/654/EWG) und damit auch die Arbeitsstättenverordnung davon geprägt, dass sich die Arbeitsstätte im Betrieb des Arbeitgebers befindet, ist die Arbeitsstätte heute vermehrt das Home-Office oder ein vom Arbeitnehmer frei wählbarer Ort (Stichwort: Mobile Work).
Ebenso verhält es sich mit der europäischen Richtlinie zur Arbeit an Bildschirmgeräten (RL 90/270/EWG) und damit auch der Bildschirmarbeitsverordnung. Die Arbeit mit Bildschirmgeräten hat auch abseits der klassischen Bürotätigkeit zugenommen und befindet sich insgesamt in einem Wandel. Hatte man bei der Bildschirmarbeit früher den stationären PC mit feststehendem Bildschirm vor Augen, gibt es heute eine Vielzahl von mobilen Endgeräte (z.B. Laptop, Tablet oder Smartphone), die als Arbeitsmittel mit Bildschirm dienen.
Ziel der Europäischen Kommission ist eine Überarbeitung der vorgenannten Richtlinien bis 2023, wobei im Anschluss noch eine Umsetzung ins nationale Recht erfolgen muss.
Immer wieder Asbest
Nicht zuletzt wegen Krebserkrankungen als Hauptursache für arbeitsbedingte Todesfälle widmet sich die Europäische Kommission in der Sache u.a. auch dem Gefahrstoff Asbest. Obgleich Asbest nicht mehr in der EU hergestellt oder verbaut werden darf, ist es noch in vielen älteren Gebäuden verbaut, was gerade bei einer energetischen Sanierung von Gebäuden an Aktualität gewinnt. Daher ist geplant, den Expositionsgrenzwert für Asbest weiter zu senken, was für Unternehmen insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen der Arbeitsmedizinischen Vorsorgeverordnung (Stichwort: Pflichtvorsorge) sowie die Gefahrstoffverordnung relevant ist.
Stärkung der Vorsorge
Die Corona-Pandemie hat verdeutlicht, dass die Vorsorge hinsichtlich zukünftiger Gesundheitsrisiken und die Möglichkeit, schnell darauf zu reagieren, entscheidend sind, um den Betrieb in Unternehmen aufrecht erhalten zu können. Daher wir die Europäische Kommission Notfallverfahren und Leitlinien arbeiteten, um schnell reagieren zu können.
Bessere Anwendung und Durchsetzung des bestehenden EU-Rechts
Bestehende (gesetzliche) Regelungen sind nur dann sinnvoll, wenn sie auch durchgesetzt werden. Daher ist u.a. geplant, dass die Arbeitsaufsichtsbeamten – in Deutschland die zuständige Behörde für Arbeitsschutz – von einschlägigen Akteuren (z. B. dem Advisory Committee on Safety and Health at Work (ACSH), der Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EU-OSHA) und dem Senior Labour Inspectors Committee (SLIC)) unterstützt werden, z.B. durch Schulungen. Neben der allgemeinen Stärkung der Durchsetzung von Arbeitsschutzvorschriften soll insbesondere die Überwachung und effektive Inspektionen der Arbeitsschutzverpflichtungen gegenüber Saisonarbeitskräften in risikoreichen Berufen (z.B. der Landwirtschaft) ausgebaut werden.
Fazit
Die Europäische Kommission setzt nicht nur auf eine „Modernisierung“ des Arbeitsschutzes, sondern auch auf dessen effektive Durchsetzung. Dies bedeutet für Unternehmen nicht nur, dass bestehende Arbeitsschutzkonzepte ggf. angepasst werden müssen, sondern dass die Kontrollen durch die Arbeitsschutzbehörden zunehmen werden. Auf die geringe Kontrollintensität hatte Deutschland bereits 2021 mit dem Arbeitsschutzkontrollgesetz reagiert (siehe Beitrag vom 04.01.2022). Daher gilt weiterhin: Arbeitsschutz-Compliance betrifft nicht nur produzierende Unternehmen, sondern Unternehmen sämtlicher Branchen.