BGH: Präklusionsvermeidung erfordert keine erstinstanzlichen Hilfsanträge des Patentinhabers nach vorteilhaftem qualifizierten Hinweis durch BPatG
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 15.03.2022 (X ZR 18/20) entschieden, dass ein Patentinhaber sich insoweit auf einen die Patentfähigkeit bestätigenden qualifizierten Hinweis des Bundespatentgerichts gemäß § 83 Abs. 1 PatG verlassen kann, dass Hilfsanträge gemäß § 116 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 PatG sachdienlich und damit berücksichtigungsfähig sind, wenn sie erstmals in der Berufungsinstanz gestellt werden. Dem Patentinhaber könne aufgrund eines für ihn vorteilhaften qualifizierten Hinweises die Veranlassung fehlen, bereits in erster Instanz Hilfsanträge zu stellen.
I. Hintergrund
116 Abs. 2 PatG bedroht den nichtigkeitsbeklagten Patentinhaber mit der Präklusion von Hilfsanträgen, die erstmals in der Berufungsinstanz gestellt werden. Für den Patentinhaber stellt sich deshalb die Frage, ob er auch nach einem für ihn positiven qualifizierten Hinweis des BPatG gehalten ist, Hilfsanträge zu stellen, um eine Präklusion in der Berufungsinstanz zu vermeiden.
II. Entscheidung
In dem nun vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hatte der Patentinhaber nach einem für ihn positiven qualifizierten Hinweis keine Hilfsanträge gestellt und war in erster Instanz unterlegen. Der Nichtigkeitskläger rügte die Berücksichtigungsfähigkeit der erstmals in der Berufungsinstanz gestellten Hilfsanträge des Patentinhabers.
Der Bundesgerichtshof entschied zugunsten des Patentinhabers. Erstmals in der Berufungsinstanz gestellte Hilfsanträge seien nicht sachdienlich und daher nicht berücksichtigungsfähig gemäß § 116 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 PatG, soweit ein Patentinhaber bereits in erster Instanz Veranlassung zur Stellung der Hilfsanträge hatte. Diese Veranlassung könne aber fehlen, wenn das BPatG in seinem qualifizierten Hinweis die Auffassung äußert, der Gegenstand des angegriffenen Anspruchs sei patentfähig. In dem entschiedenen Fall konnten Hilfsanträge deshalb zulässigerweise jedenfalls innerhalb der Berufungsbegründungsfrist gestellt werden.
III. Einordnung
Das Urteil mindert den Druck auf Patentinhaber, in Nichtigkeitsverfahren auch nach einem positiven qualifizierten Hinweis Hilfsanträge zu entwerfen. Die Präklusionsregel des § 116 PatG zwingt dazu nicht grundsätzlich. Dennoch wird es ist in der Praxis häufig angezeigt sein, auch bei positiver Äußerung des BPatG bereits in erster Instanz Hilfsanträge zu entwerfen und auch zu stellen.
Der Bundesgerichtshof deutet insbesondere an, dass sich die Veranlassung zur erstinstanzlichen Stellung von Hilfsanträgen auch aus neuem Vortrag des Nichtigkeitsklägers nach einem positiven qualifizierten Hinweis ergeben kann. Den Maßstab, ab wann dabei die Schwelle zur präklusionsrelevanten Nachlässigkeit überschritten sei, lässt der Bundesgerichtshof offen.