Barrierefreiheit als Produktanforderung – das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz
Barrierefreiheit bestimmter Produkte – das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz
Am 16.07.2021 hat der Bundestag das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) beschlossen, womit die Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt und die Barrierefreiheit umfangreicher Bestandteil der Product Compliance in Deutschland wird. Wir hatten zuletzt am 11.05.2021, damals noch zum Gesetzesentwurf, über das BFSG berichtet.
Das BFSG wird am 28.06.2025 in Kraft treten und definiert neben Anforderungen an Dienstleistungen umfangreiche Pflichten für Hersteller, Importeure und Händler von Computern, Tablets, Notebooks, Geld- und Ticketautomaten, Mobiltelefonen, Routern, Fernsehern und E-Book Readern.
Verpflichtung zur Barrierefreiheit
Hersteller dürfen eines der oben genannten Produkte ab dem 28.06.2025 nur noch dann in Verkehr bringen, wenn das Produkt die Barrierefreiheitsanforderungen (gemäß der Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) vom 15.06.2022 (dazu sogleich)) einhält, das Konformitätsverfahren durchgeführt, eine EU-Konformitätserklärung ausgestellt und die CE-Kennzeichnung angebracht wurde. Importeure und Händler haben dabei im Wesentlichen sicherzustellen, dass der Hersteller seine Verpflichtungen eingehalten hat.
Barrierefreiheitsanforderungen
Die Anforderungen zur Barrierefreiheit wurden durch das BMAS in einer Rechtsordnung definiert, welche sich am Anhang I der Richtlinie (EU) 2019/882 orientiert. Im Kern müssen den Verbrauchern dabei Informationen zu den Produkten über mindestens zwei sensorische Kanäle in verständlicher Weise und Darstellung zur Verfügung gestellt werden. Sofern Inhalte auf der Webseite bereitgestellt werden müssen, hat dies zusätzlich in einem Textformat zu erfolgen, welches sich zum Generieren alternativer assistiver Formate eignet. Hinsichtlich der Benutzung des Produktes ist sicherzustellen, dass verschiedene Darstellungs- und Ansteuerungsweisen angeboten werden.
Eine weitere erhebliche Herausforderung für die Wirtschaftsakteure liegt darin begründet, dass bei Erfüllung der Barrierefreiheitsanforderungen stets der Stand der Technik zu beachten ist. Wird ein Produkt daher über einen längeren Zeitraum vertrieben, kann der Fall eintreten, dass das Produkt an einen neueren Stand der Technik angepasst werden muss. Denn das Produkt muss hinsichtlich der Barrierefreiheitsanforderungen stets zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens dem aktuellen Stand der Technik entsprechen. Die Wirtschaftsakteure sollten daher den Stand der Technik engmaschig monitoren, um auf Veränderungen entsprechend reagieren zu können. Sie können dafür unter anderem auf die Homepage der Bundestelle für Barrierefreiheit zurückgreifen. Dort wird regelmäßig eine Auflistung der wichtigsten zu beachtenden Standards veröffentlicht werden.
Ausnahme für Kleinstunternehmen
Kleinstunternehmen, also Unternehmen, die weniger als zehn Personen beschäftigen und deren Jahresumsatz bzw. Jahresbilanzsumme 2 Mio. Euro nicht übersteigt, sind vom BFSG ausgenommen, sofern sie diese Dienstleitung erbringen. Kleinstunternehmen, die Produkte in Verkehr bringen, fallen jedoch weiterhin unter das BFSG.
Auswirkungen auf die Praxis
Unternehmen sollten bis zum Inkrafttreten des BFSG in weniger als zwei Jahren ihre Produkte hinsichtlich der Anforderungen des BFSG überprüfen, ggf. vorhandene Defizite identifizieren und entsprechend beheben. Denn werden nach dem Inkrafttreten noch Produkte in Verkehr gebracht, die nicht den Anforderungen des BFSG entsprechen, drohen neben Geldbußen von bis zu EUR 100.000 im gravierendsten Fall auch Handels-Rücknahme bzw. staatlich angeordnete Produktrückrufe! Die verbleibende Zeit sollte daher effektiv genutzt und die Product Compliance auf die Anforderungen des BFSG erweitert werden.