Vorschlag zur erneuten Änderung der MaRisk – Zusätzliche Anforderungen für die Steuerung von Zinsänderungs- und Kreditspreadrisiken
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) hat am 15.02.2024 den Entwurf für weitere Anpassungen ihres Rundschreibens „Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk)“ (im Folgenden MaRisk-E 2024) zur Konsultation gestellt. Anlass für die neuerliche Überarbeitung – die letzte MaRisk-Novelle liegt gerade einmal gut ein halbes Jahr zurück – ist die Implementierung der EBA-Leitlinien zur Steuerung von Zinsänderungsrisiken und Kreditspreadrisiken bei Geschäften des Anlagebuchs – EBA/GL/2022/14 (im Folgenden EBA-Leitlinien) in die deutsche Verwaltungspraxis. Dementsprechend beziehen sich die angedachten Änderungen fast ausschließlich auf die Vorgaben an den Umgang mit den vorgenannten Risiken.
Umsetzungskonzept
Die BaFin verfolgt im Konsultationsentwurf den bereits aus der letzten Überarbeitung der MaRisk bekannten (dort waren u.a. die EBA-Leitlinien für die Kreditvergabe und Überwachung – EBA/GL/2020/06 umzusetzen) Ansatz der zweigliedrigen Regelungstechnik zur Inkorporation der EBA-Leitlinien. Teilweise werden punktuelle Ergänzungen des Regelungstextes bzw. der zugehörigen Erläuterungen vorgenommen, sofern die bisherige Fassung die Vorgaben der EBA-Leitlinien bereits weitestgehend abbildet. Überwiegend jedoch werden Verweise auf Passagen der EBA-Leitlinien aufgenommen, die sich inhaltlich bisher nicht bzw. nicht in diesem Detaillierungsgrad in den MaRisk finden.
Für die Implementierung der EBA-Leitlinien gilt der Proportionalitätsgrundsatz. Hiernach sollen Institute bei der Umsetzung der Vorgaben an den Umgang mit Zinsänderungs- und Kreditspreadrisiken insbesondere Umfang, Komplexität und Risikogehalt ihrer Positionen im Anlagebuch sowie ihr Geschäftsmodell, ihre Strategien und ihr aktuelles bzw. angestrebtes Geschäftsumfeld berücksichtigen. Ferner sollen sie ihre internen Ansätze für das Risikomanagement bei der Umsetzung in Anschlag bringen (vgl. hierzu die Rz. 16 - 18 EBA-Leitlinien).
Anforderungen das Risikomanagement betreffend Zinsänderungsrisiken
Mit Blick auf die Anforderungen der EBA-Leitlinien an den Umgang mit Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch weist die BaFin darauf hin, dass der Großteil der Vorgaben bereits – explizit oder implizit – in der bisherigen Fassung der MaRisk enthalten sei. Verschiedene Ergänzungen seien jedoch notwendig, um die EBA-Leitlinien vollumfänglich in den Regelungsrahmen der MaRisk zu implementieren.
Den Vorgaben an ein ordnungsgemäßes Management von Zinsänderungsrisiken liegt die Prämisse zugrunde, dass Institute sowohl die kurzfristigen Auswirkungen von Zinsänderungen auf ihre Gewinn- und Verlustrechnung (ertragsorientierte Sicht) als auch die langfristigen Folgen für ihre Vermögenssituation auf Basis einer zahlungsstromorientierten Betrachtung der zinstragenden Geschäfte des Instituts (barwertige Perspektive) bewerten und steuern sollen. Diese zweigliedrige Betrachtung soll für verschiedene Teilbereiche des Risikomanagements nunmehr explizit festgelegt werden.
So sollen Zinsänderungsrisiken anhand der Auswirkungen von Zinsänderungen sowohl auf das handelsrechtliche Ergebnis als auch die Markt-/Barwerte der betroffenen Positionen zu bestimmen sein. Institute sollen Zinsänderungsrisiken dabei separat bewerten. Beide Perspektiven sind im Rahmen der Risikosteuerungs- und-controllingprozesse zu adressieren und bei der Beurteilung der Risikotragfähigkeit einzubeziehen (vgl. BTR 2.3 Tz. 6 MaRisk-E 2024). Ferner sollen Institute ihren Risikoappetit in Bezug auf Zinsänderungsrisiken sowohl barwertig als auch ertragsorientiert festlegen (Erläuterungen zu AT 4.2 Tz. 2 MaRisk-E 2024). Sie können hierzu sowohl Limite definieren als auch sonstige risikobegrenzende Vorgaben ergreifen.
Hinsichtlich der Ausgestaltung der Prozesse für das Risikomanagement von Zinsänderungsrisiken verweist der MaRisk-E in weiten Teilen auf Abschnitte der EBA-Leitlinien. So sollen sich beispielsweise die Anforderungen an institutsinterne Risikoregelwerke nach bestimmten Detailvorgaben der EBA-Leitlinien richten (BTR Tz. 1 MaRisk-E). Bemerkenswert ist insofern, dass lediglich auf eine konkrete Passage der EBA-Leitlinien verwiesen wird, wonach die Regelwerke zur Risikosteuerung Folgendes umfassen sollen (Tz. 47 EBA-Leitlinien]:
- Abgrenzung zwischen Anlagebuch und Handelsbuch;
- genaue Definition des wirtschaftlichen Werts und seiner Übereinstimmung mit der Methode zur Bewertung von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten (z.B. basierend auf dem abgezinsten zukünftigen Cashflows bzw. Nettozinserträgen);
- genaue Definition der Messgrößen der Nettozinserträge zuzüglich Marktwertänderungen und ihre Übereinstimmung mit dem Ansatz des Instituts zur Erstellung von Finanzplänen und Finanzprognosen;
- Angaben zu Umfang und Form der unterschiedlichen Zinsschocks;
- Einsatz von Methoden zur bedingten oder unbedingten Cashflow-Modellierung;
- Umgang mit „Pipeline-Transaktionen“ (d.h. solche Transaktionen, die dem Kunden eine Option bieten, die höchstwahrscheinlich dann ausgeübt wird, wenn die Marktbedingungen für das Institut am ungünstigsten sind);
- Aggregation von Zinsrisiken in mehreren Währungen;
- Messung und Steuerung des Basisrisikos aus unterschiedlichen Zinsindizes;
- Angaben dazu, ob unverzinsliche Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des Anlagebuchs (inklusive Kapital und Rücklagen) in die Berechnungen zur Messung des Zinsänderungsrisikos einbezogen werden.;
- verhaltensabhängigen Umgang von Giro- und Sparkonten (d. h. die angenommene Laufzeit für Verbindlichkeiten mit kurzer Vertragslaufzeit jedoch langer verhaltensabhängiger Laufzeit);
- Messung des Zinsänderungsrisikos aus verhaltensabhängigen und automatischen Optionen bei Vermögenswerten oder Verbindlichkeiten, einschließlich Konvexitätseffekten und nicht-linearer Auszahlungsprofile;
- Angaben zum Grad der Granularität der Berechnungen; und
- interne Definition der Margen und angemessene Methoden für den internen Umgang mit Margen.
Auch für die in die Ermittlung und Beurteilung von Zinsänderungsrisiken einzubeziehenden Positionen sowie für die zur Identifizierung dieser Risiken zu verwendenden Messansätze verweist der MaRisk-E auf die EBA-Leitlinien (Erläuterungen zu BTR 2.3 Tz. 5 MaRisk-E 2024). Zudem sind im Falle von Zinsänderungsrisiken, die in verschiedenen Währungen zu bestimmen sind, die entsprechenden Detailvorgaben der EBA-Leitlinien maßgeblich (BTR 2.3 Tz. 8 MaRisk-E 2024). Ferner nimmt der MaRisk-E mit Blick auf die Inhalte von Risikoberichten in Bezug auf Zinsänderungsrisiken sowie die Qualität der diesen zugrundeliegenden Daten die EBA-Leitlinien in Bezug (Erläuterungen zu BT 3.1 Tz. 1 MaRisk-E 2024 und BT 3.2. Tz. 4 MaRisk-E 2024).
Bei der Bewertung von Positionen mit unbestimmter Kapital- oder Zinsbindung wie z.B. Sicht- und Spareinlagen mit Blick auf das Zinsänderungsrisiko sollen Institute künftig annehmen, dass diese eine tägliche Fälligkeit aufweisen (BTR 2.3 Tz. 7 MaRisk-E 2024 nebst Erläuterung). Für die weiteren Details verweist der MaRisk-E wiederum auf die EBA-Leitlinien.
Des Weiteren sollen Institute für Sicherungsgeschäfte in Bezug auf Zinsänderungsrisken strategische Vorgaben (z.B. als Teil ihrer Risikostrategie) festlegen und die Auswirkungen der Absicherungsmaßnahmen auf diese Risiken bewerten (Erläuterungen zu AT 4.2 Tz. 2 MaRisk-E 2024). Auch insofern wird ergänzend auf die entsprechenden Vorgaben für Sicherungsgeschäfte in den EBA-Leitlinien verwiesen.
In Zukunft sollen Institute interne Risikotransfers zwischen Anlage- und Handelsbuch ordnungsgemäß dokumentieren (BTR 2.3 Tz. 9 MaRisk-E 2024). Im Hinblick auf die Durchführung von Stresstest stellt MaRisk-E klar, dass bei den Stressszenarien in Bezug auf Zinsänderungsrisiken neben den von den MaRisk vorgegebenen auch institutsintern definierte Szenarien zu berücksichtigen sind. Soweit konjunkturell relevant, müssen Institute auch Szenarien in einem Negativzinsumfeld in den Blick nehmen (Erläuterungen zu AT 4.3.3 Tz. 3 MaRisk-E 2024). Ergänzend verweist der MaRisk-E wiederum auf die einschlägigen Vorgaben der EBA-Leitlinien für die Ausgestaltung von Stresstest (Erläuterungen zu AT 4.3.3 Tz. 1 MaRisk-E 2024).
Vorgaben für das Risikomanagement von Kreditspreadrisiken
Mit der geplanten Novelle sollen erstmals verbindliche Vorgaben für den Umgang von Instituten mit Kreditspreadrisiken in die MaRisk aufgenommen werden, die beispielsweise entstehen, wenn sich bei einem Finanzinstrument der allgemeine Kreditspread (Risikoaufschlag für das Kreditrisiko) aufgrund veränderter Bonitätserwartungen der Marktteilnehmer bzw. einer allgemeinen Zunahme der Risikoaversion am Kapitalmarkt (unabhängig von der tatsächlichen Bonität des Emittenten) erhöht.
Kreditspreadrisiken werden im Rahmen der MaRisk-Novelle als eine neue Kategorie wesentlicher Risiken definiert (AT 2.2 Tz. 1 MaRisk-E 2024). Mit Blick auf die Anforderungen an Risikosteuerungs- und -controllingprozesse enthält der MaRisk-E ein neues Modul zu Kreditspreadrisiken in BTR 5.
Bei der Bestimmung von Kreditspreadrisiken ist wiederum – wie schon beim Zinsänderungsrisiko (siehe hierzu oben) – eine Betrachtung aus zwei Blickwinkeln erforderlich. Dabei sind die Auswirkungen von Kreditspread-Änderungen sowohl auf das handelsrechtliche Ergebnis des Instituts als auch auf die Markt- bzw. Barwerte der betroffenen Positionen bei der Risikobestimmung zu berücksichtigen und in die Risikosteuerungs- und -controllingprozesse einzubeziehen. Institute sollen Kreditspreadrisiken z.B. als Teil der Kreditrisiken, Marktpreisrisiken oder als eigenen Kategorie – in jeden Fall aber separat –bestimmen (BTR 5 Tz. 1 MaRisk-E 2024 nebst Erläuterungen).
Zur Identifizierung und Beurteilung von Kreditspreadrisiken sollen Institute zunächst alle Positionen des Anlagebuches bestimmen, die einem solchen Risiko unterliegen. Die Nichtberücksichtigung einzelner Positionen sollen dabei angemessen begründet und dokumentiert werden. Darüber hinaus sollen die Vorgaben der EBA-Leitlinien zum Umgang der Kreditspreadrisiken bei der Risikoidentifizierung beachtet werden (BTR 5 Tz. 2 MaRisk-E 2024 nebst Erläuterungen). Institute können etwaige idiosynkratische Risikokomponenten in die Bestimmung der Kreditspreadrisiken einbeziehen, sofern dies zu einer konservativeren Risikobewertung führt (BTR 5 Tz. 3 MaRisk-E 2024).
Risikotransfers zwischen Anlage- und Handelsbuch müssen die Regelungsadressaten der MaRisk – wie schon mit Blick auf Zinsänderungsrisiken – künftig dokumentieren. Ergänzend werden insofern zudem die Detailanforderungen der EBA-Leitlinien gelten (BTR 5 Tz. 4 MaRisk-E 2024 nebst Erläuterungen).
Auch für Stressbetrachtungen von Kreditspreadrisiken sowie die Vorgaben an die Risikoberichterstattung für Kreditspreadrisiken einschließlich der Inhalte der Risikoberichte erfolgt ein inhaltlicher Verweis auf die spezifischen Vorgaben der EBA-Leitlinien (Erläuterungen zu AT 4.3.3 Tz. 1 MaRisk-E 2024 sowie zu BT 3.1 Tz. 1, 3.2 Tz. 4 MaRisk-E 2024)
Fazit
Auf den ersten Blick scheinen die avisierten Anpassungen der MaRisk überschaubar. Gleichwohl ist der Anpassungsaufwand für Institute nicht zu unterschätzen. Denn über die diversen Verweise auf die EBA-Leitlinien finden zumindest teilweise die dortigen sehr umfassenden und detaillierten Regelungen insbesondere zum Umgang mit Zinsänderungsrisiken doch Eingang in die MaRisk, so dass Institute sorgfältig ihre Verfahren und Regelwerke auf Anpassungsbedarf werden prüfen müssen. Das gilt insbesondere für bedeutende Institute, da sich die EZB bei ihrer direkten Aufsichtstätigkeit nicht an den MaRisk, sondern direkt an den EBA-Leitlinien orientieren wird.
Grundsätzlich wird mit dem vorgelegten Vorschlag für eine weitere MaRisk-Novelle einmal mehr deutlich, dass das Konzept der MaRisk an seine Grenzen stößt, wenn immer umfassender auf Leitlinien der europäischen Aufsichtsbehörden verwiesen und damit die praktische Handhabung der MaRisk zunehmend schwieriger wird. Auch wenn offenbar versucht wird, die Institute nicht gänzlich mit den granularen Vorgaben solcher Leitlinien zu belasten, stellt sich zudem die Frage, auf Grundlage welcher Kriterien die BaFin die Auswahl trifft, welche konkreten Verweise in die MaRisk aufgenommen werden und welche nicht. Inkonsistenzen zwischen den MaRisk und den Leitlinien scheinen insoweit unausweichlich.
Im Rahmen des Konsultationsverfahren besteht noch bis zum 14.03.2024 Gelegenheit zur Stellungnahme zum MaRisk-E 2024. Ob die BaFin den selbstgesetzten Zeitplan einer Veröffentlichung der finalen MaRisk-Novelle bereits im April 2024 wird einhalten können, bleibt abzuwarten.