Update bAV: Bilanzielle Auswirkungen bei Wechsel des Durchführungsweges von Pensionsverpflichtungen vor dem Hintergrund des gestiegenen Zinsniveaus
Bereits in der jüngeren Vergangenheit zeichnete sich in der Praxis ein Trend weg von unmittelbaren und hin zu mittelbaren Pensionszusagen ab. Eine Motivation hierfür war u.a. die Verbesserung von Bilanzkennzahlen wie bspw. der Eigenkapitalquote, da der Bilanzierende im Falle einer mittelbaren Pensionszusage grundsätzlich keine Verpflichtung bilanzieren muss. Vor dem Hintergrund des in jüngerer Vergangenheit stark gestiegenen Zinsniveaus fragen sich viele Unternehmen, ob ein Wechsel des Durchführungsweges hin zur mittelbaren Versorgung aktuell besonders attraktiv ist. Dafür sprechen gute Gründe.
Unmittelbare vs. mittelbare Pensionszusage
Bei einer unmittelbaren Pensionszusage verpflichtet sich das Unternehmen, bei Eintritt des Versorgungsfalls die Leistung gegenüber dem Versorgungsberechtigten selbst zu erbringen (unmittelbarer Durchführungsweg). Bei einer mittelbaren Pensionszusage erfolgt hingegen die Zwischenschaltung einer Versorgungseinrichtung (bspw. ein Pensionsfonds oder eine Unterstützungskasse), welche die zusagten Pensionsleistungen (vorrangig) erbringt (mittelbarer Durchführungsweg). Vorteilhaft kann ein Wechsel des Durchführungswegs von einer unmittelbaren zu einer mittelbaren Versorgungszusage vor allem aus bilanziellen Gründen sein. Hintergrund ist eine Diskrepanz zwischen dem aktuellen Zinsniveau (sowie den zu erwartenden Renditen) und dem für die Bewertung der Pensionsverpflichtungen zu verwendenden Diskontierungszinssatz.
Auswirkungen des Zinsniveaus auf die Bewertung von Pensionsverpflichtungen
Technischer Hintergrund ist Folgendes:
- Nach § 253 Abs. 2 S. 1 HGB sind Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen mit dem ihrer Restlaufzeit entsprechenden durchschnittlichen Marktzinssatz aus den vergangenen zehn Geschäftsjahren
- Die IFRS sehen in IAS 19.83 die Bestimmung des Diskontierungszinssatzes auf Basis der Renditen vor, die am Abschlussstichtag für hochwertige, festverzinsliche Unternehmensanleihen am Markt erzielt werden. Dabei haben Währung und Laufzeit der zugrunde gelegten Anleihen mit Währung und voraussichtlicher Fristigkeit der zu erfüllenden Verpflichtungen übereinzustimmen.
- Im Steuerrecht ist nach § 6a Abs. 3 S. 3 EStG eine Abzinsung mit 6% vorzunehmen.
Zumindest im Handelsrecht besteht damit eine Diskrepanz zwischen (i) dem aktuellen Zinsniveau (sowie den zu erwartenden Renditen) und (ii) dem für die Bewertung der Pensionsverpflichtungen zu verwendenden Diskontierungszinssatz. Unternehmen können dies zu ihrem Vorteil nutzen, indem sie Pensionsverpflichtungen zu einem Betrag unterhalb des Buchwerts auf mittelbare Versorgungseinrichtungen auslagern.
Auslagerung von Pensionsverpflichtungen zu einem Betrag unterhalb des Buchwerts
Vor dem Hintergrund des gestiegenen Zinsniveaus ist es mittelbaren Versorgungseinrichtungen nämlich zwischenzeitlich regelmäßig möglich, eine Rendite oberhalb des nach HGB zu verwendenden Diskontierungszinssatzes zu erzielen. Die Anbieter mittelbarer Versorgungseinrichtungen sind deshalb oftmals bereit, die unmittelbaren Pensionsverpflichtungen gegen Zahlung eines Einmalbetrags als eigene – dann aus Arbeitgebersicht: mittelbare – Pensionsverpflichtung zu übernehmen. Der geforderte Einmalbetrag liegt (deutlich) unterhalb des Buchwerts der Pensionsverpflichtung beim Unternehmen. Für die Unternehmen ergibt sich somit grundsätzlich die Chance auf die Realisierung stiller Reserven und eine Verbesserung des Bilanzbilds.
IDW verneint sofortige Realisierung stiller Reserven, aber Realisierung im weiteren Verlauf zulässig
Eine sofortige Realisierung der stillen Reserven durch den Wechsel des Durchführungsweges ist allerdings leider nicht möglich. Es kann aber bei dem Arbeitgeber im Zeitablauf zur Auflösung der Rückstellung für die anfängliche Unterdeckung kommen.
In dem maßgeblichen IDW RS HFA 30 n.F. TZ 46. ff heißt es dazu:
„Bei einem Wechsel des Durchführungswegs von einer unmittelbaren in eine mittelbare Zusage bzw. bei der zusätzlichen Einschaltung einer Versorgungseinrichtung ist eine Pensionsrückstellung nur insoweit auszubuchen, als sich der Bilanzierende (Anm.: das Unternehmen) seiner unmittelbaren Verpflichtung entledigt. Dies ist bspw. dann der Fall, wenn der Bilanzierende die bestehenden unmittelbaren Altersversorgungsverpflichtungen gegen Zahlung eines Einmalbeitrags auf einen Pensionsfonds überträgt. Eine Differenz zwischen dem höheren Einmalbeitrag und dem bislang passivierten Rückstellungsbetrag ist sofort in voller Höhe aufwandswirksam zu erfassen.“
Ausgangspunkt dieser Vorgaben war, dass Unternehmen tendenziell Beträge oberhalb des Buchwerts der Verpflichtung leisten müssen, um sich ihrer Verpflichtung zu entledigen. Aufgrund des gestiegenen Zinsniveaus sind nun jedoch – wie dargestellt – auch Fälle denkbar, in denen der erforderliche Einmalbetrag niedriger als der Buchwert der Rückstellung ist.
Vor diesem Hintergrund wurde die Bilanzierung derartiger Fälle im Rahmen der 272. Sitzung des Fachausschusses Unternehmensberichterstattung (FAB) am 26.05.2023 diskutiert. Im Ergebnis steht die Auffassung des FAB,
- dass im Rahmen eines Wechsels des Durchführungswegs von einer unmittelbaren in eine mittelbare Zusage im Jahresabschluss des Arbeitgebers in Höhe der Differenz zwischen dem an die Versorgungseinrichtung entrichteten Einmalbeitrag und einem höheren handelsrechtlichen Erfüllungsbetrag zunächst weiterhin eine Rückstellung für Altersversorgungsverpflichtungen passiviert bleiben muss.
- An den auf den Wechsel des Durchführungswegs folgenden Abschlussstichtagen ist jedoch eine Verminderung der verbleibenden Pensionsrückstellung vorzunehmen, wenn der Betrag der Unterdeckung den Buchwert der Rückstellung unterschreitet (vgl. IDW RS HFA 30 n.F., Tz. 48 letzter Satz).
Konsequenz daraus ist: Bestätigen sich zum Zeitpunkt des Wechsels des Durchführungswegs bestehende – gegenüber dem handelsrechtlich anzuwendenden Abzinsungszinssatz höhere – Renditeerwartungen der Versorgungseinrichtung, kommt es bei dem Arbeitgeber im Zeitablauf zur Auflösung der Rückstellung für die anfängliche Unterdeckung.
Praxistipp
Das jüngst gestiegene Zinsniveau bietet die Möglichkeit, Pensionsverpflichtungen gegen Einmalzahlungen unterhalb des Buchwerts auf Versorgungseinrichtungen zu übertragen. Zwar ist keine sofortige ertragswirksame Vereinnahmung der Differenz möglich, jedoch können die stillen Reserven im weiteren Verlauf sukzessive realisiert werden. In jedem Falle bietet der Wechsel des Durchführungsweges hin zum mittelbaren Durchführungsweg Möglichkeiten zur Verbesserung wichtiger Bilanzkennzahlen wie der Eigenkapitalquote.