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Potenziale der Energie­wende für Investoren in Deutschland – Noerr-Insight No4: Speicher

17.10.2024

In unserem Briefing „Deutsche Energiewende: Potenziale für Investorenhaben wir einen umfassenden Überblick über die Chancen und Risiken der Energiewende in Deutschland für in- und ausländische Investoren gegeben. Nachdem wir uns in unserer Themenreihe bereits ausführlich mit den Möglichkeiten und Herausforderungen im Bereich Offshore Wind, Onshore Wind und Photovoltaik beschäftigt haben, beleuchten wir in Teil 4. die Speicher genauer.

Speicher

1. Status Quo und Herausforderungen

Für Speicher existieren eine Fülle unterschiedlicher Assetklassen, hier seien die beiden momentan relevantesten – Strom- und Batteriespeicher sowie CCS-Technologie – herausgegriffen.

Bereits ohne unmittelbare Investitionsförderungen gewann der Speicherausbau für Batterien in den letzten Jahren deutlich an Volumen, was die bereits günstigen Umstände und Rentabilität von Stromspeichern unterstreicht. Den größten Teil der Steigerungen machten hierbei Heimspeicher aus. In den letzten Jahren verdreifachte sich deren Kapazität. Auch Großbatteriespeicher verzeichnen einen Zuwachs. Die Standorte abgeschalteter Kern- und Kohlekraftwerke eignen sich für den Aufbau entsprechender Standorte und weisen bereits eine entsprechende Netzkapazität vor. Es wird überdies prognostiziert, dass die Preise für Batteriepacks weiter sinken werden.

a) Strom- und Batteriespeicher

Insbesondere für den Ausgleich von Energieverbrauch und -einspeisung und die Stabilisierung der Stromfrequenz spielen Stromspeicher zunehmend eine gewichtigere, wenn nicht sogar entscheidende Rolle. Denn in nachfrageschwachen Stunden, aber auch in Zeiten hoher Erzeugung erneuerbarer Energiemengen, gehen ohne Speichermöglichkeit Strommengen verloren. In vielen Ländern sind (natürliche) Wasserspeicher ein wichtiger Faktor, mit deren Hilfe kurzfristig auf Erzeugungs- und Nachfrageschwankungen reagiert werden kann. Diese stehen in Deutschland schon aufgrund geografischer Gegebenheiten nur begrenzt zur Verfügung. Hierzulande wird dagegen für den langfristigen Ausgleich eher auf Wärme- oder Gasspeicher gesetzt. Marktanalysen zeigen, dass bereits ohne erhebliche Investitionsförderung der Ausbau von Stromspeichern stetig steigt. Die Überführung von überschüssiger Energie in Wasser-, Gas- oder Wärmespeicher bleibt aber aufwendig und ohne Schaffung von Investitionsanreizen wird eine Speicherinfrastruktur nur begrenzt entstehen, so dass die Spitzen, die bei der angestrebten 80% Deckung von Energiebedarf aus erneuerbaren Energien entstehen, nicht adäquat genutzt werden.

Daneben hat sich in den vergangenen Jahren die Batterietechnologie revolutioniert. Nachdem Investoren (und finanzierende Banken) über viele Jahre hinweg skeptisch auf diese Technologien geblickt haben, können Lithium-Ionen- Batterien inzwischen relativ preiswert produziert werden und haben zunehmend hohe Wirkungsgrade. Die Bundesregierung konnte erst kürzlich Investitionen in eine Produktionsstätte in Schleswig-Holstein durch einen großen Batteriehersteller sicherstellen. Weitere Produktionsstätten befinden sich derzeit in Planung sowie der Errichtung. Neu ist, dass die Lithium-Ionen-Technologien nun nicht mehr nur für E-Mobilität in Betracht kommen, sondern auch für größere Speichervorhaben genutzt werden sollen. Zudem macht die Forschung sichtlich Fortschritte bei alternativer Batterietechnologie, sei es mit Lithium-Eisenphosphat-Zellen (LFP) oder Natrium-Ionen-Batterien.

Der Markt für derartige Stromspeicher ist zweigeteilt: während Investitionen in Batterietechnologien nach einem kurzen Cool-Down nunmehr einen neuen Peak zu erreichen scheinen, scheinen sonstige Stromspeicher zwar zunehmend interessanter zu werden, aber (noch) nicht allzu sehr im Interesse der Investoren zu stehen. Daher gilt es nun, die Bereitschaft für Investoren in diesem Bereich durch gesetzliche Novellierungen weiter zu fördern.

b) Sonstige Speicher, insb. Carbon Capture and Utilization (“CCU”) & Carbon Capture and Storage („CCS”)

Auch CCU und CCS bieten in absehbarer Zukunft hoch attraktive Investitionsmöglichkeiten. Allerdings unterscheiden sich die Herausforderungen hierbei systematisch bedingt von denen bei Stromspeichern.

Bislang war CO2-Speicherung in Deutschland verboten. Erst am 29. Mai 2024 hat das Bundeskabinett die Eckpunkte für eine Carbon Management-Strategie (CMS) und einen darauf basierenden Gesetzesentwurf zur Änderung der Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes beschlossen. Hierin werden die Eckpunkte für die CCS/CCU-Anwendung in Deutschland gelegt, die den Transport und dann die Offshore-Speicherung in Deutschland und internationalen Gewässern vorsehen. Auch wenn zur Erreichung der Klimaneutralität primär auf erneuerbare Energien gesetzt wird, sind insbesondere in der Zement- und Kalkindustrie CO2-Emissionen bis heute aber schwer oder gar nicht vermeidbar. Gleiches gilt für die Abfallwirtschaft. Insofern sind sich die Experten einig, dass eine klimaneutrale Wirtschaft ohne das Neutralisieren unvermeidbarer Emissionen mittels Carbon Capture nicht möglich sein wird. Derzeit bereits verfügbare Technologien sind (i) Direct Air Capture (DAC), mit dem CO2 durch chemische Bindung an spezielle Oberflächen direkt aus der Atmosphäre entfernt werden; (ii) Bioenergy with Carbon Capture and Storage (BECCS), wobei Biomasse verbrannt wird, um Energie zu erzeugen und das freigesetzte CO2 abgeschieden und in geologischen Formationen gespeichert wird, sowie (iii) Biochar, ein Verfahren bei dem durch pyrolytische Zersetzung von Biomasse unter Sauerstoffausschluss Pflanzenkohle erzeugt wird, wobei das dabei entstehende CO2 langfristig im Boden gespeichert wird. Für DACS und BECCS Anlagen ist nach dem Carbon Capture der Transport zu einem zulässigen Speicherstandort höchst relevant, hierfür soll durch eine Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetz ein klarer Rechtsrahmen für den Aufbau einer CO2-Pipelineinfrastruktur geschaffen werden. Bei Standorteignung soll dann in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone bzw. dem Festlandsockel eine Offshore-Speicherung ermöglicht werden (ausgeschlossen in Meeresschutzgebieten). Hierfür sollen die Änderungen des Hohe-See-Einbringungsgesetz erfolgen. Eine CO2- Speicherung Onshore soll nur in eng begrenzten Ausnahmefällen (testweise) ermöglicht werden. So soll die dauerhafte Speicherung in gewissen Grenzen über landesgesetzliche Regelungen zugelassen sein (Opt-in).

Die europaweite Anwendung der Technologien wird auch durch die Europäische Kommission, u.a. über den Net Zero Industry Act und die am 06. Februar 2024 veröffentlichte Industrial Carbon Management Strategy vorangetrieben.

2. Regulatorischer Rahmen

Für Speichermedien allgemein stellte sich in der Vergangenheit das Problem der doppelten Netzentgelte, d.h. für den Bezug von Strom und bei der Wiedereinspeisung. Eine Entlastung wurde zunächst für solche Stromspeicher eingeführt, die bis 2026 in Betrieb genommen werden. Diese Befreiung wurde unlängst verlängert auf Stromspeicher, die bis 2029 in Betrieb genommen werden. Sie gilt für die ersten 20 Betriebsjahre. Diese Verlängerung dürfte vor allem für Batteriespeicher interessant sein. In Ansehung der weiterhin relativ langen Projektierungs- und Errichtungszeiten für andere Speichermedien greift diese Verlängerung allerdings zu kurz.

Die marktwirtschaftlich günstige Lage des Speicherausbaus soll nunmehr auch durch Gesetze weiter gestützt werden. Der Errichtung von Stromspeicheranlagen wurde mit § 11c EnWG (ROGÄndG vom 22. März 2023) ebenfalls ein überragendes öffentliches Interesse zugewiesen. Neben dem Ausbau erneuerbarer Energien wird auch Stromspeicherausbau damit im Rahmen von Genehmigungsverfahren eine privilegierte Position zugewiesen.

Seit 2023 sind Stromspeicher zudem gemäß § 21 Absatz 1 und 2 EnFG von allen im EnFG enthaltenen Umlagen (KWKG-Umlage und Offshore-Netzumlage) befreit, sofern sie bidirektional genutzt werden. Eine Saldierungsregelung reduziert die Umlagepflicht entsprechend, soweit der beim Einspeisen verbrauchte Strom aus dem Netz bezogen und der beim Ausspeisen erzeugte Strom in das Netz zurückgespeist wird, was die bidirektionale Nutzung insbesondere auch typischer Photovoltaikanlagen-Heimspeicher-Konstellationen anregen soll. Die Regelung findet im Übrigen auch Anwendung auf bidirektional genutzte Ladepunkte von Elektromobilen – diese Technik steckt zwar derzeit noch in den Anfängen, soll aber zunehmend Bedeutung gewinnen. Am 11. März 2023 hat der Beirat der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur eine Roadmap für die Einführung des bidirektionalen Ladens in Deutschland vorgelegt. Danach sollen bis 2030 bidirektionale Systeme fest im Markt integriert sein.

Das BMWK hat am 08. Dezember 2023 seine Stromspeicher-Strategie vorgelegt. Die Strategie sieht vor, die günstigen Bedingungen des Stromnetzausbaus weiter zu stärken. Die Übergangsregelung des § 118 Abs. 6 EnWG, der die Netzentgeltbefreiung für Stromspeicher, Pumpspeicherkraftwerke und Elektrolyseure vorsieht, soll verlängert und entfristet werden. Die Bundesnetzagentur überprüft die Möglichkeit, verbindliche Vorgaben für Baukostenzuschüsse und Netzanschlusskostenbeiträge für Stromspeicher zu erlassen. Dabei stehen Transparenz, Verursachungsgerechtigkeit und regionale Vereinheitlichung im Vordergrund. Daneben stehen auch die Förderung von Stromspeicheranlagen vor Ort und der Abbau genehmigungsrechtlicher Hemmnisse im Fokus der Speicherstrategie.

Kritisiert wird die Stromspeicherstrategie insbesondere dahingehend, dass sie konkrete Maßnahmen und Zielgrößen zum Ausbau der Speicher derzeit vermissen lässt. Die EEG-Förderung soll in einer Weise umstrukturiert werden, dass sie der Speichernutzung zugunsten des Stromnetzes etwa für Regelenergie nicht entgegensteht. Bisher bestehen die Voraussetzungen des EEG-Förderanspruch nur im Falle der Speicherung ausschließlich erneuerbarer Energie, was im Falle der Speichernutzung als Netzdienstleistung entgegen nicht gewährleistet werden kann.

Mit Blick auf die künftige Regulierung von CCS und CCU sieht die Carbon Management Strategie der Bundesregierung vor, dass mit Ausnahme der Emissionen aus der Kohleverstromung grundsätzlich sämtliche CO2-Emissionen durch die Speichertechnologie gebunden werden dürfen. Geplant ist zudem die Einführung eines Fördermoduls für CCS und CCU in der Förderrichtlinie Bundesförderung Industrie und Klimaschutz, wobei der Schwerpunkt der staatlichen Förderung auf schwer oder nicht vermeidbaren Emissionen liegen soll. Ausgeschlossen von der Förderung werden konventionelle Gaskraftwerke.

3. Ausblick

Forschung und Entwicklung im Bereich von Speicherlösungen haben seit Jahren eine Hochkonjunktur und der ein oder andere Investor spekuliert auf eine den Stromspeichermarkt revolutionierende Erfindung, mit höheren Wirkungsgraden für mittel- und langfristige Speicherung sowie kurzfristiger Verfügbarkeit.

Parallel setzt die Bundesregierung weitere Anreize für die Bereitschaltung sog. Zuschaltbarer Lasten. Eine solche sollte sich beispielsweise aus dem neuen § 13k EnWG ergeben, der ab 01. Oktober 2024 in eine erste Erprobungsphase gehen wird. Danach sollen Stromabnehmer (also nicht nur Speichermedien) Anreize für die Aktivierung zusätzlichen Stromverbrauchs – sog. Zuschaltbare Lasten – geschaffen werden, wenn sie Stromspitzen in Zeiten überschüssiger Energie abnehmen. Damit möchte der Gesetzgeber verhindern, dass zunehmend größere Energiemengen abgeregelt werden müssen, um eine Netzüberlastung zu vermeiden. Nach der Erprobungsphase werden die Abregelungs-Strommengen in einem wettbewerblichen Ausschreibungsverfahren zugeteilt.

Insgesamt ist der Markt hier im Umbruch und die weitere Entwicklung abzuwarten. Welche der gesetzten Anreize für Investoren entscheidend sein wird, wird sich erst sukzessive zeigen. Der Markt für Batteriespeicher hingegen wird weiter boomen, nachdem die verschiedenen Technologien zunehmend ausgereifter werden und der Bedarf weiter enorm steigen wird. Denn solange es in der EU weiterhin vorgesehen ist, dass ab dem Jahr 2035 keine neuen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren zugelassen werden sollen, werden Batteriespeicher für Elektro-Fahrzeuge – zumindest übergangsweise – die führende Technologie bleiben.

Hinsichtlich der Entwicklung von CCS- und CCU-Technologie wird vieles vom Aufbau der Transportinfrastruktur für CO2 abhängen, der wiederum die entsprechenden regulatorischen Voraussetzungen im Kohlendioxid-Speicherungsgesetz erforderlich macht. Angesichts des noch immer bestehenden massiven Einsparungsdefizits bei den Emissionen ist bei Festhalten an den national und international vereinbarten Einsparungszielen mit einem starken Wettbewerb um CCS- und CCU-Kapazitäten zu rechnen, was die Technologie für Investoren attraktiv machen dürfte.

Exemplarisch für die voranschreitende Regulierung im Bereich CCS ist der Entwurf eines delegierten Rechtaktes der EU-Kommission vom 18.06.2024 zu nennen, der die Verpflichtung zum Erwerb von Emissionszertifikaten für bei der Produktion bestimmter Bauprodukte anfallende Emissionen aufhebt, wenn die hergestellten Bauprodukte das anfallende CO2 dauerhaft speichern. Die Mineralisierung von CO2 in Baustoffen dürfte in der unter Emissionsgesichtspunkten deutlich unter Druck stehenden Baubranche eine vielversprechende Zukunftstechnologie werden.