NRW startet Wettbewerb für CCU-Modellregionen
Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat Ende August 2024 einen Förderwettbewerb für „CCU-Modellregionen in NRW“ ausgerufen. Etwa zur gleichen Zeit hatte bereits das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz („BMWK“) die neue Förderrichtlinie Bundesförderung Industrie und Klimaschutz vorgestellt, mit der unter anderem auch Investitionen zur Nutzung oder Abscheidung von CO2-Emissionen in Anlagen aus Sektoren gefördert werden, in denen überwiegend schwer vermeidbare CO2-Emissionen anfallen. Zuvor hatte das BMWK bereits die Eckpunkte einer Carbon Management Strategie auf Bundesebene vorgestellt.
Das neue Förderprogramm der Landesregierung NRW verfolgt naturgemäß einen lokaleren Ansatz und bezieht sich explizit auf Carbon Capture and Utilisation („CCU“), also die Nutzung von CO2 in Industrieprodukten. Damit wird eine weitere Maßnahme aus der schon vor einigen Jahren entwickelten Carbon Management Strategie NRW umgesetzt. Dieser Beitrag zeichnet die großen Linien dieser Strategie nach und gibt einen Überblick über die wesentlichen Aspekte des neuen Förderwettbewerbs.
I. Die Carbon Management Strategie NRW
Bereits im Jahr 2021 beschloss die damalige Landesregierung eine eigene Carbon Management Strategie für Nordrhein-Westfalen. Darin wurde das Ziel ausgegeben, das Land zum modernsten und klimafreundlichsten Industriestandort Europas zu machen, indem perspektivisch ein geschlossener Kohlenstoffkreislauf aufgebaut wird. Hierfür wurden die folgenden Leitlinien identifiziert:
- Hauptansatz soll die Dekarbonisierung der Industrie sein, indem Herstellungsprozesse kohlenstofffrei gestaltet werden. Dabei liegt der Fokus auf der zur Herstellung benötigten Prozessenergie, die möglichst kohlenstofffrei bezogen werden soll.
- Wo eine Dekarbonisierung nicht möglich ist, sollen alternative statt fossile Kohlenstoffquellen zum Einsatz kommen. Im Sinne einer Kreislaufwirtschaft sollen hierbei vor allem Sekundärrohstoffe verwendet werden, was ein effizientes Recycling erforderlich macht.
- Für die Wahl des effizientesten Weges (Dekarbonisierung oder Nutzung alternativer Kohlenstoffquellen) soll die CO2-Bilanz des jeweiligen Wertschöpfungspfades betrachtet werden, wobei während der Produktnutzung entstehende Mengen CO2 als deutlich unvorteilhafter zu bewerten sein sollen als solche, die während der Herstellung entstehen, da die CO2-Abscheidung an sog. Punktquellen im Herstellungsprozess effizienter möglich ist.
- Bei der Nutzung von CCU ist die Frage der Herkunft und des Verbleibs des verwendeten CO2 entscheidend, sodass die Klimabilanz dieser Technologie nicht pauschal als positiv bezeichnet werden kann. Vielmehr kommt es auf die möglichst dauerhafte Bindung von CO2 an, das zudem nicht aus der Verwertung fossiler Kohlenstoffe stammen sollte, sondern vorzugsweise aus grünen Quellen. Auch hier ist also eine ganzheitliche Betrachtung der CO2-Bilanz erforderlich.
- Zur Abscheidung und Speicherung von CO2, das nicht anderweitig eingespart werden kann, ist eine CO2-Infrastruktur erforderlich, um das CO2 einerseits nutzen, andererseits speichern zu können (CCS).
- Es soll vermieden werden, dass die Möglichkeit der Abscheidung von CO2 an einer Punktquelle dazu führt, dass bei den Anstrengungen zur Dekarbonisierung nachgelassen wird (sog. Lock-In-Effekt). Dies gilt insbesondere für die Energieerzeugung, die auf Erneuerbare Energien umgestellt und gerade nicht an ein CO2-Pipelinenetz angeschlossen werden soll.
Die Carbon Management Strategie NRW sieht vier Handlungsfelder vor, mit denen die Transformation in eine klimaneutrale und wettbewerbsfähige Low Carbon Industry erreicht werden soll:
Erstens soll die Kohlenstoffintensität in der nordrhein-westfälischen Industrie reduziert werden, indem die Industrie dort dekarbonisiert wird, wo dies möglich ist, sowie durch den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft, den Ausbau von Wind- und Solarenergie und von Energieinfrastrukturen.
Im zweiten Handlungsfeld soll eine nachhaltige Kohlenstoffnutzung in Nordrhein-Westfalen realisiert werden, indem ein adäquater Umgang mit Biomasse gefunden wird und die sekundäre Rohstoffbasis sowie CCU-Anwendungen ausgebaut werden.
Drittens soll ein CO2-Management eingerichtet werden, das insbesondere die Planung eines CO2-Transportnetzes beinhaltet sowie die Ermöglichung von geeigneten Optionen zur Abscheidung, Nutzung und Speicherung von CO2.
Das vierte Handlungsfeld bezieht sich auf den gesellschaftlichen Diskurs, der die gesamte Gesellschaft in Nordrhein-Westfalen einschließen soll, um eine möglichst hohe Akzeptanz für die angestrebte Transformation zu erreichen.
II. Der Förderwettbewerb für CCU-Modellregionen in NRW
Mit dem Förderwettbewerb setzt die Landesregierung eine Maßnahme aus dem dritten Handlungsfeld der Carbon Management Strategie NRW um und trägt so dem Umstand Rechnung, dass sich auch künftig nicht sämtliche CO2-Emissionen in allen Industriezweigen vermeiden lassen werden. Unterstützt werden sollen daher Vorhaben, die CO2 aus industriellen, biogenen oder atmosphärischen Quellen als Rohstoff in der Produktion einsetzen.
1. Zielsetzung und Ausrichtung
Die Landesregierung erhofft sich von dem Wettbewerb einen Innovationsschub beim Einsatz der CCU-Technologie, wenngleich die zuständige Wirtschafts- und Klimaschutzministerin Neubaur bei der Vorstellung der Förderung betonte, dass oberstes Ziel die Vermeidung von CO2-Emissionen bleibe. Insgesamt stehen sechs Millionen Euro aus Landesmitteln zur Verfügung, gefördert werden bis zu drei Vorhaben.
Die Landesregierung möchte dabei unterschiedliche Pfade zur nachhaltigen Kohlenstoffnutzung fördern:
- Einerseits die kurzfristige Bindung von CO2 in Produkten der chemischen Industrie, sofern das CO2 aus atmosphärischen oder biogenen Quellen stammt,
- Andererseits die Bindung von CO2 in langlebigen Produkten, wobei im Rahmen des Förderwettbewerbs eine Bindung von mindestens 35 Jahren erzielt werden soll.
Die Landesregierung NRW verfolgt damit bewusst einen breiten Ansatz und schließt auch solche Vorhaben nicht aus, die noch keine vollständig klimaneutralen CO2-Nutzungspfade vorweisen können, aber darauf hinarbeiten und die erforderlichen Schritte mit klaren Zeithorizonten darstellen können.
Weiterhin soll der Wettbewerb die Entwicklung einer ganzen Prozesskette fördern, sodass möglichst modular einsetzbare Bausteine von CCU-Prozessen gute Chancen auf eine Förderung haben dürften. Die Vorhaben sollten zugleich auf langfristig bestehenden Kohlenstoffquellen beruhen, d.h. auf unvermeidbarer CO2-Entstehung, CO2 aus nachhaltiger Biomasse oder atmosphärischem CO2.
2. Teilnahmevoraussetzungen
Der Wettbewerb richtet sich an Projektkonsortien aus Nordrhein-Westfalen, die aus mindestens zwei Unternehmen bestehen, wovon mindestens eines das CO2 nutzen muss. Angesprochen sind Unternehmen jeder Größe, Hochschulen und Forschungseinrichtungen, Vereine und Verbände, Gemeinden und Gemeindeverbände sowie natürliche Personen, soweit sie Unternehmer sind.
Die folgenden Voraussetzungen müssen für eine erfolgreiche Bewerbung erfüllt sein:
- Mehr als 50% der zuwendungsfähigen Ausgaben müssen am Standort Nordrhein-Westfalen durchgeführt und verwertet werden.
- Das Vorhaben darf mit Ausnahme von grundlegenden Vorplanungen noch nicht begonnen worden sein.
- Es müssen begründete Aussichten auf Verwertung und wirtschaftlichen Erfolg in der Zukunft gegeben und die Gesamtfinanzierung erkennbar gesichert sein.
- Das Vorhaben darf im Rahmen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Landes vorgestellt werden.
- Die Projektlaufzeit beträgt grundsätzlich maximal 36 Monate, wobei dargelegt werden soll, wie das Projekt nach Ablauf einer Förderung finanziert und weitergeführt werden soll.
3. Bewertungskriterien und Höhe der Förderung
Die Landesregierung hat folgende Kriterien für die Bewertung der Bewerbungen aufgestellt:
- Zielvorstellung und konzeptioneller Ansatz (20 %),
- Konzeptionelle Einbindung von Unternehmen und anderen Partnern (20 %),
- Innovationscharakter des geplanten Vorhabens (20 %),
- Beitrag zu einer Kohlenstoff-Kreislaufwirtschaft (30 %) sowie
- Beitrag zum regionalen Diskurs (10 %).
Während Vorhaben von Hochschulen und Forschungseinrichtungen im nicht-wirtschaftlichen Bereich in voller Höhe förderfähig sind, reicht die Förderquote bei Unternehmen gestaffelt nach ihrer Größe und abhängig von dem konkreten Inhalt des geförderten Vorhabens von 25 bis 80 %.
4. Handlungsempfehlung für interessierte Unternehmen
Projektskizzen können noch bis zum 31. Januar 2025 beim Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes NRW eingereicht werden. Die erfolgreichen Bewerbungen sollen im März oder April 2025 bekannt gegeben und die Vorhaben nach Einreichung der Antragsunterlagen im Herbst 2025 bewilligt werden.
Angesichts des breiten Adressatenkreises des Förderwettbewerbs und des begrenzten Zeitrahmens sollten interessierte Unternehmen ihre Bewerbung sorgfältig vorbereiten, insbesondere unter Hinzuziehung juristischer Expertise.