Erneute Verschärfung der US-Iran-Sanktionen
Die politische und wirtschaftliche Auseinandersetzung zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Islamischen Republik Iran hat nach der gezielten Tötung des iranischen Generals Qassem Suleimani durch die USA und den iranischen Reaktionen darauf eine weitere Eskalationsstufe erreicht. In diesem Zusammenhang verschärften die USA am 10 Januar 2019 die bereits bestehenden Sanktionen gegen den Iran.
Ausweitung der US-Sekundärsanktionen auf weitere Bereiche der iranischen Wirtschaft
Kernbestandteil der jüngsten US-amerikanischen Wirtschaftssanktionen gegen den Iran sind zum einen Sanktionen gegen Bereiche der iranischen Wirtschaft, die von den bisherigen Sanktionen ausgenommen waren. Untersagt sind nunmehr signifikante Transaktionen im Bausektor, in der Bergbauindustrie, der verarbeitenden Industrie und der Textilwirtschaft. Es handelt sich dabei um sog. secondary sanctions, d. h. Sanktionen, die außerhalb des US-Staatsgebiets auf Geschäfte ohne jeglichen US-Bezug extraterritorial Anwendung finden. Sie sind überaus weit gefasst und richten sich insbesondere gegen natürliche und juristische Personen, die in den vorgenannten Sektoren wirtschaftlich tätig sind oder die in signifikantem Umfang Güter und Dienstleistungen in die genannten Sektoren liefern bzw. die in signifikantem Umfang Güter aus diesen Sektoren beziehen. Vor dem 10. Januar aufgenommene Geschäfte in diesen Sektoren müssen innerhalb einer Übergangsphase (sog. wind-down period) von 90 Tagen bis zum 09. April 2020 abgewickelt sein. Auch die Einbeziehung weiterer Sektoren bleibt ausdrücklich vorbehalten.
Zum anderen haben die USA die größten iranischen Produzenten von Stahl, Kupfer, Aluminium und Eisen auf die Liste der Specially Designated Nationals and Blocked Persons („SDN-Liste“) gesetzt. Bemerkenswert ist dabei, dass signifikante Transaktionen im Zusammenhang mit den Sektoren Stahl, Aluminium, Kupfer und Eisen bereits seit Mai 2019 mit Sanktionen belegt waren. Deshalb war der Handel mit der überwiegenden Anzahl der nunmehr gelisteten Rohstoff-Produzenten bereits zuvor einem erheblichen sanktions-rechtlichen Risiko ausgesetzt (vgl. unserer News vom 10.05.2019). Die ausdrückliche Listung bedeutender iranischer Produzenten von Stahl, Eisen, Kupfer und Aluminium dürfte ein Hinweis darauf sein, dass die USA ihr Sanktions-Netz noch enger ziehen wollen.
Das erklärte Ziel dieser verschärften Sanktionen ist es, der iranischen Wirtschaft den Zugang zu signifikanten Finanzmitteln zu entziehen und damit der iranischen Regierung direkt oder indirekt Ressourcen zu verwehren, die für das iranische Atom- oder Raketenprogramm oder Irans militärische Operationen in der Region eingesetzt werden können.
Rechtsfolgen
Sowohl bei signifikanten Transaktionen in den nunmehr sanktionierten Sektoren der iranischen Wirtschaft als auch bei Geschäften mit den neu gelisteten iranischen Rohstoff-Herstellern droht deutschen und europäischen Unternehmen, ins Visier der US-Sanktionsbehörden zu geraten und selbst auf die SDN-Liste gesetzt zu werden. Verstöße gegen die neuen Sanktionen im Bereich der iranischen Bau-, Bergbau-, Textil- und Fertigungswirtschaft können zudem ein Einreiseverbot in die USA nach sich ziehen.
Die Folgen einer SDN-Listung sind verheerend und kommen einer weitgehenden wirtschaftlichen Handlungsunfähigkeit gleich. US-Unternehmen ist es unter Strafandrohung untersagt, mit als SDN gelisteten natürlichen und juristischen Personen Geschäfte einzugehen, und die allermeisten westlichen Geschäftspartner unterlassen aus Gründen der Risikoabwägung ebenfalls Geschäfte mit SDN – aus Sorge, selbst als SDN gelistet zu werden.
Deutschen Unternehmen mit iranischen Geschäftsbeziehungen empfehlen wir dringend, ihr Sanktionslisten-Screening zu aktualisieren und mit großer Sorgfalt zu betreiben. Dabei sollten Geschäftspartner sowie – soweit möglich – deren Anteilseigner auf eine SDN-Listung überprüft werden. Beim Umgang mit US-Sekundärsanktionen gegen den Iran sind zugleich die Vorgaben der EU Blocking Regulation einzuhalten (vgl. unsere News vom 07.08.2018).
Einleitung des JCPOA-Streitschlichtungsmechanismus
Europa hat dem US-amerikanischen Sanktionsprogramm und dessen Auswirkungen bislang wenig entgegenzusetzen. Als Reaktion auf den einseitigen Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen (JCPOA) sowie auf die US-Sanktionen und die ausbleibende Abhilfe für die Sanktionsfolgen durch die verbleibenden JCPOA-Vertragsparteien hat Iran im Sommer 2019 damit begonnen, einzelne Verpflichtungen aus dem JCPOA – wie Beschränkungen zur Anzahl zulässiger Zentrifugen und zum Bestand an angereichertem Uran – auszusetzen. Angesichts der jüngsten Entwicklungen besteht zunehmend die Sorge, dass der Iran sich weiter aus seinen Verpflichtungen aus dem JCPOA zurückziehen wird. Die europäischen Parteien des JCPOA – Großbritannien, Frankreich und Deutschland – haben angesichts der anhaltenden iranischen Verstöße gegen das JCPOA heute entschieden, den Streitschlichtungsmechanismus, den das JCPOA für diesen Fall vorsieht, in Gang zu setzen.
Abhilfe aus Europa? INSTEX bietet bislang wenig Alternativen
Abhilfe schafft bislang wohl auch nicht das von Großbritannien, Frankreich und Deutschland ins Leben gerufene Barter Clearing House INSTEX (Instrument in Support of Trade Exchanges). INSTEX soll dazu dienen, ungeachtet bestehender US-Sanktionen und weitestgehend ausgefallener Möglichkeiten des Zahlungsverkehrs den Handel mit Iran so umfangreich wie möglich aufrechtzuerhalten, um ein Scheitern des JCPOA abzuwenden (vgl. unsere News vom 01.02.2019). INSTEX ist zwar einsatzbereit, und europäische Wirtschaftsteilnehmer können die Abwicklung von Forderungen aus nicht-sanktionierten Geschäften mit dem Iran dort anmelden. Offenbar bestehen allerdings noch Schwierigkeiten mit der Abwicklung der Gegenforderungen auf iranischer Seite. Zumindest sind Ende November 2019 mit Belgien, Dänemark, Niederlande, Norwegen, Finnland, Schweden sechs neue Staaten INSTEX beigetreten, weitere sollen folgen. Ob INSTEX sich zu einem wirksamen Kanal zur Abwicklung substantiellen Handels mit dem Iran wird entwickeln können, bleibt abzuwarten.