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Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte ist in Kraft getreten

19.08.2024

Am 18.07.2024 ist die EU-Ökodesign-Verordnung 2024/1781 („ESPR“ – „Ecodesign for Sustainable Products Regulation“; ABl. EU 2024 L 2024/1781), in Kraft getreten. Die neue ESPR ersetzt die alte Ökodesign-Richtlinie 2009/125/EG und erweitert den Anwendungsbereich für Ökodesign-Anforderungen deutlich – ganz auf der Linie des Aktionsplans der Kommission für die Kreislaufwirtschaft vom 11.03.2020. Während von der alten Richtlinie nur energieverbrauchsrelevante Produkte erfasst wurden, können nach der ESPR nun für fast jedes Produkt, welches innerhalb der EU gehandelt wird, Ökodesign-Anforderungen erlassen werden. Unter Ökodesign versteht die Verordnung dabei „die Einbeziehung von Erwägungen der ökologischen Nachhaltigkeit in die Merkmale eines Produkts und die Prozesse, die entlang der gesamten Wertschöpfungskette des Produkts stattfinden“ (Art. 2 Abs. 1 Nr. 6 ESPR). Schon hierdurch wird klar, dass die ESPR und die darunter erlassenen Ökodesign-Anforderungen den kompletten Lebenszyklus eines Produktes, von der Produktion bis zur Entsorgung, im Blick hat und betrifft.

Wie in EU-Produktregulierungen jüngeren Datums üblich, ist die ESPR als eine Art Rahmenverordnung konzipiert, die mit delegierten Rechtsakten der Kommission für bestimmte Produktgruppen mit Leben gefüllt wird; für bestimmte Bereiche bestehen zudem Durchführungsbefugnisse der Kommission (s. etwa Art. 11 Abs. 4 ESPR).

Insgesamt wird die ESPR aufgrund ihres umfassenden Anwendungsbereichs und den starken Auswirkungen der einzelnen delegierten Verordnungen auf die darin adressierten Produktgruppen in Zukunft bedeutende Auswirkungen für Unternehmen in der EU haben.

A. Anwendungsbereich und Funktionsweise der Ökodesign-Verordnung

Durch die neue ESPR wird der Anwendungsbereich von möglichen Ökodesign-Anforderungen auf im Grundsatz alle physischen Waren, einschließlich ihrer Bauteile und Zwischenprodukte, die in der EU in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden, erweitert. Ausgenommen sind Lebens- und Futtermittel, Arznei- und Tierarzneimittel, lebenden Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen, Erzeugnisse menschlichen Ursprungs, Erzeugnisse von Pflanzen und Tieren, die unmittelbar mit ihrer künftigen Reproduktion zusammenhängen und bestimmte Fahrzeuge in Bezug auf diejenigen Produktaspekte, für die in sektorspezifischen Rechtsakten der Union, die für diese Fahrzeuge gelten, Anforderungen festgelegt sind (Art. 1 Abs. 2 ESPR). Die alte Richtlinie hatte bisher nur Ökodesign-Anforderungen für energieverbrauchsrelevante Produkte ermöglicht. Auf ihrer Grundlage wurden Vorschriften bspw. für Kühlschränke, Fernseher oder Leuchtmittel gemacht, die entsprechend zunächst weitergelten.

Die ESPR ist eine Rahmenverordnung. Sie steckt die Grundsätze, Bedingungen und Kriterien für die Festlegung von Ökodesign-Anforderungen an Produkte ab. Die spezifischen Vorgaben für die jeweiligen Produktgruppen werden von delegierten Rechtsakten der Kommission festgelegt, die in den nächsten Jahren erlassen werden. Mit Blick darauf wird die Kommission einen Arbeitsplan zu erstellen, in dem skizziert wird, wann für welche Produktgruppen Ökodesign-Anforderungen verabschiedet werden sollen (Art. 18 Abs. 3 ESPR). Im Rahmen der Erstellung des Arbeitsplans und der delegierten Verordnungen werden auch die interessierten Kreise, im Rahmen eines sog. Ökodesign-Forums, angehört.

Der erste Arbeitsplan soll bis zum 19. April 2025 angenommen werden und vorrangig die in Art. 18 Abs. 5 ESPR genannten Produktgruppen in den Blick nehmen, also:

  • Eisen und Stahl
  • Aluminium
  • Textilien, insbesondere Bekleidung und Schuhwerk
  • Möbel, einschließlich Matratzen
  • Reifen
  • Waschmittel
  • Anstrichmittel
  • Schmierstoffe
  • Chemikalien
  • energieverbrauchsrelevante Produkte, für die entweder erstmals Ökodesign-Anforderungen festgelegt werden sollen oder für die die bestehende Anforderungen auf Grundlage der alten Ökodesign-Richtlinie, überprüft werden sollen
  • Produkte der Informations- und Kommunikationstechnologie und sonstige Elektronikgeräte (Art. 18 Abs. 5). Das entsprechende Ökodesign-Forum dürfte bald, noch im Jahr 2024, eingerichtet werden

Die zu erlassenden delegierten Rechtsakte enthalten dann die entsprechenden konkreten Ökodesign-Anforderungen für die adressierten Produktgruppen (Art. 4, 8 ESPR). Dabei dienen sie bestimmten Produktaspekten, wie der Funktionsbeständigkeit oder der Recyclingfähigkeit und es wird zwischen Leistungs- und Informationsanforderungen unterschieden (Art. 5 ESPR). Die Leistungsanforderungen beruhen auf bestimmten Produktparametern, wie bspw. die garantierte Lebensdauer des Produkts oder die Verwendung leicht recyclebarer Materialien, und schreiben diese vor (Art. 6 ESPR). Die Informationsanforderungen beziehen insbesondere den neuen digitalen Produktpass ein (dazu sogleich unter B.) und sorgen dafür, dass sich die Kunden und andere Akteure leicht über das Produkt informieren können und damit die genannten Produktaspekte leichter eingehalten werden können (Art. 7 ESPR). Wie aus der Ökodesgin-Richtlinie bekannt, wird dies vielfach auch Vorgaben zur Etikettierung der Produkte einschließen (Art. 16 f. ESPR).

B. Neuer digitaler Produktpass

Die ESPR führt einen digitalen Produktpass ein, der vor allem eine einfache Möglichkeit darstellt, die nach der ESPR verpflichtenden Informationen zu bestimmten Produkten digital zugänglich zu machen (Art. 9 ff. ESPR). Hierdurch wird das Ziel der Nachhaltigkeit mit Digitalisierungsaspekten verknüpft. Beim digitalen Produktpass handelt es sich um einen produktspezifischen Datensatz, der auf elektronischen Weg über einem Datenträger zugänglich gemacht wird (Art. 2 Abs. 1 Nr. 28 ESPR). Die Bedeutung des digitalen Produktpasses darf dabei nicht unterschätzt werden: Ohne digitalen Produktpass dürfen Produkte nicht in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden (Art. 9 Abs. 1 ESPR).

Die spezifischen Daten, die im digitalen Produktpass gespeichert werden, sowie das Datum, zu dem ein Produktpass verpflichtend wird, werden ebenfalls produktspezifisch in den Rechtsakten der Kommission festgelegt. Dabei kann es sich zum einen um allgemeine Informationen handeln, wie die Produktkennung oder Informationen über die Installation, Nutzung, Wartung und Reparatur des Produkts, aber auch bspw. (insbesondere bei der Verwendung von besorgniserregenden Stoffen) um Informationen zu den verwendeten Rohstoffen bei der Herstellung oder zur Lieferkette des Produkts. Auch auf welchen Datenträger die Daten abgespeichert werden oder das Layout und die Position, in dem dieser darzustellen ist, ergibt sich im Einzelnen aus den noch zu erlassenden delegierten Rechtsakten der Kommission. Die Verordnung macht aber deutlich, dass digitalisierte Informationen über das Produkt und ggf. der digitale Produktpass durch das Scannen eines Datenträgers wie einen QR-Code leicht zugänglich sein und sich am besten auf dem Produkt selbst befinden sollten.

Die Daten werden auch in einem neuen digitalen Produktpassregister gespeichert, welches die Kommission bis Juli 2026 einrichten wird. Durch ein von der Kommission erstelltes und gepflegtes Webportal sollen Interessensträger die in digitalen Produktpässen enthaltenen Daten suchen und vergleichen können. Auch im Zollverfahren wird in Zukunft der digitale Produktpass eine Rolle spielen.

C. Vernichtungsverbot für unverkaufte Verbraucherprodukte

Die ESPR enthält zum ersten Mal Bestimmungen, die die Vernichtung von unverkauften Verbraucherprodukten verbietet (Art. 23 ff. ESPR). Dabei sieht die Verordnung ein zweistufiges System vor, welches auch nach der Unternehmensgröße differenziert. Unmittelbar auf Grundlage der Ökodesign-Verordnung gilt in der ersten Stufe eine Informationsverpflichtung von Wirtschaftsteilnehmern, die Verbraucherprodukte direkt entsorgen oder in ihrem Auftrag entsorgen lassen. Diese müssen Informationen über diese Praxis offenlegen. Von dieser Informationsverpflichtung sind mittlere Unternehmen erst ab 2030 und Klein- und Kleinstunternehmen gar nicht betroffen.

Ab Juli 2026 gilt auf der zweiten Stufe für große Unternehmen ein Vernichtungsverbot für spezifische unverkaufte Verbraucherprodukte. Die Liste der betroffenen Verbraucherprodukte kann von der Kommission durch delegierte Rechtsakte ergänzt werden und umfasst derzeit Kleidung und Bekleidungszubehör sowie Schuhe und kann von der Kommission ergänzt werden. Dieses Vernichtungsverbot wird ab Juli 2030 auch mittlere Unternehmen treffen. Klein- und Kleinstunternehmen sind davon wiederum nicht betroffen.

D. Erfasste Wirtschaftsakteure

Wie aus dem EU-Produktrecht jüngeren Datums bekannt, sieht die ESPR nicht nur Pflichten für Hersteller, Importeure, Vertreiber und Händler vor, sondern auch für Fulfilment-Dienstleister, Anbieter von Online-Marktplätzen und Online-Suchmaschinen (Art. 27 ff. ESPR).

E. Fazit

Die ESPR erweitert den Anwendungsbereich und die Reichweite ökologischer Anforderungen an Produkte deutlich und wird Unternehmen vor nicht unerhebliche Herausforderungen stellen – auch mit Blick auf die Vielzahl an delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten, die in den kommenden Jahren von der Kommission zu erlassen sind und die die ESPR an vielen Stellen erst hinreichend mit Leben füllen werden.

Vor diesem Hintergrund sind Unternehmen gut beraten, sowohl die Erstellung der Arbeitspläne der Kommission als auch die Konkretisierungen produktbezogener Anforderungen durch Rechtsakte der Kommission genau im Blick zu behalten, um rechtzeitig auf die Rechtsakte einwirken und deren Einhaltung sicherzustellen zu können – das gilt gerade auch mit Blick darauf, dass die ordnungsgemäße Durchführung der ESPR durch mitgliedstaatliche Sanktionsvorschriften abgesichert werden wird (Art. 74 ESPR).