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Competition Outlook 2018

08.03.2018

Die Noerr Antitrust & Competition Group freut sich, Ihnen mit diesem Newsletter einen Ausblick auf relevante Themen zu geben, die in diesem Jahr voraussichtlich in den deutschen, europäischen und internationalen Kartellrechtsdebatten eine wichtige Rolle spielen werden.
Im Folgenden werden wir Themen wie „Wettbewerb im digitalen Binnenmarkt“, „Big Data: In der Zange von Kartell- und Datenschutzbehörden?“ und „Innovation als zunehmend wichtiger Aspekt für die Kartellrechtsanwendung“ genauer betrachten. Dies sind aber nur einige der wichtigsten Themen für das Jahr 2018, die wir Ihnen in den nachstehenden Abschnitten näher bringen möchten.

Das Schlüsseljahr für den Digitalen Binnenmarkt und die Herausforderungen für die Durchsetzung des Kartellrechts

Die Strategie einen Digitalen Binnenmarkt zu errichten, verfolgt ein ambitioniertes Ziel, das eine Reihe von zentralen Fragen in der EU-Politik und im Europarecht betrifft, einschließlich des Datenschutzes, des geistigen Eigentums, der Informationstechnik, des Verbraucherschutzes und schließlich des Wettbewerbs. Die zunehmende Digitalisierung führt zu der Frage, ob das Kartellrecht nach seinem aktuellen Stand für diese Aufgabe geeignet ist oder ob es Änderungsbedarf gibt. Im Jahr 2018 werden die europäischen Institutionen den Großteil ihrer Ressourcen darauf verwenden, die Vorschläge zum Digitalen Binnenmarkt umzusetzen. Dies dürfte die Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Kommission zum Anlass nehmen, bestimmte Verhaltensweisen von Unternehmen zu identifizieren, die aus kartellrechtlicher Sicht bedenklich erscheinen. Insofern ist damit zu rechnen, dass die europäischen Wettbewerbshüter weiterhin Fälle aus den Bereichen e-Commerce, IP und Plattformen aufgreifen werden, um die Bedeutung des Kartellrechts im Digitalen Binnenmarkt zu verdeutlichen.  

Algorithmen verstärkt im Fokus der Kartellbehörden

Die zunehmende Verwendung von Algorithmen zur quasi-selbständigen Preisanpassung (sog. dynamic pricing) wird im Jahr 2018 mehr denn je im Fokus der europäischen Kartellbehörden stehen. Es gibt bereits eine Reihe von Fällen, in denen Algorithmen quasi als „verlängerter Arm“ von Unternehmen eingesetzt wurden, um kartellrechtswidrig zu handeln. Man darf aber gespannt sein, wie die Kartellbehörden in diesem Jahr mit weniger eindeutigen Fällen umgehen werden, wie etwa äußerst komplexen Algorithmen und solchen, bei denen es zu Preisanpassungen zwischen Wettbewerbern kommt, ohne dass eine kartellrechtswidrige Vereinbarung oder sonstige Abstimmung getroffen wurde. Mehr darüber können Sie hier lesen.

Big Data: In der Zange von Kartell- und Datenschutzbehörden?

„Big Data“ wird 2018 aller Voraussicht nach ein fester Bestandteil der kartellrechtlichen Schlagzeilen. Datenbasierte Geschäftsmodelle sind in vielen Industrien zu einem bedeutenden Erfolgsfaktor und Wettbewerbsparameter geworden.

Die Europäische Kommission, viele Wettbewerbsbehörden der EU-Mitgliedstaaten und nationale Datenschutzbehörden beobachten aufmerksam die mit Big Data verbundene automatisierte Auswertung personenbezogener Daten und hinterfragen insbesondere die Transparenz der Datenerhebung wie auch ihrer Nutzung. Eine herausgehobene Stellung erhalten insbesondere Netzwerkeffekte und der Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten.

Gerade auch vor dem Hintergrund des Inkrafttretens der europäischen Datenschutz-Grundverordnung ist mit einer verstärkten Prüfung auf europäischer und nationaler Ebene zu den Wirkungen von Big Data im Wettbewerb, bspw. als Markteintrittsbarriere, zu rechnen. Mehr darüber können Sie hier lesen.

Endlich eine berechenbarere Umgebung für die Durchsetzung von SEPs?

Die Europäische Kommission hat kürzlich eine Mitteilung zu standardessentiellen Patenten (SEP) veröffentlicht, die einen Ausgangspunkt für zukünftige Rechtsstreitigkeiten und Lizenzierungen im Bereich der SEP darstellt, indem sie in Teilbereichen für mehr Rechtssicherheit für alle beteiligten Parteien sorgt. Die Mitteilung bestätigt die Entscheidung des EuGH in Sachen Huawei/ZTE aus dem Jahr 2015, wonach SEP-Inhaber Unterlassungsansprüche gegen eine Partei, die sich weigert, eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen abzuschließen, unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geltend machen können. Zudem nennt die Mitteilung mehrere Schritte, zu welchem Zeitpunkt und nach welchem Verfahren Lizenzverhandlungen durchgeführt werden sollten. Die Mitteilung ist zwar nicht verbindlich und stellt lediglich eine „Hilfestellung“ der Kommission dar, deren Auslegung letztlich den nationalen und europäischen Gerichten obliegt. Dennoch steht zu erwarten, dass die Mitteilung von SEP-Inhabern bei Verhandlungen zu Lizenzen und in entsprechenden Rechtsstreitigkeiten häufig herangezogen werden wird. Da die Mitteilung aber alles andere als erschöpfend ist, rechnen wir weiter mit intensiven Streitigkeiten im Bereich SEP.

EU-Kartellschadenersatz-Richtlinie und möglicher Brexit: Chancen für Deutschland

Die privatrechtliche Durchsetzung von kartellrechtlichen Schadenersatzansprüchen wird voraussichtlich auch im Jahr 2018 eine hohe Priorität genießen. In den kommenden Monaten wird die Zahl der sogenannten Follow-on-Schadenersatzklagen nicht zuletzt aufgrund der Umsetzung der EU-Kartellschadenersatz-Richtlinie weiter steigen, welche wesentliche Hindernisse für eine wirksame Schadensdurchsetzung behoben hat.

In diesem Jahr werden wir auch die ersten Ergebnisse der laufenden Brexit-Verhandlungen sehen. Der Rückzug des Vereinigten Königreichs aus der EU dürfte mittelfristig jedenfalls eine teilweise Verlagerung der kartellrechtlichen Schadenersatzverfahren von Großbritannien auf andere EU-Mitgliedsstaaten bewirken. Deutschland stellt dabei für viele internationale Kläger eine attraktive Alternative dar.

Effizientere und strengere Durchsetzung des europäischen Kartellrechts durch die nationalen Kartellbehörden

Im Jahr 2018 ist eine noch strengere Durchsetzung des europäischen Kartellrechts durch die nationalen Wettbewerbsbehörden zu erwarten. In den letzten Jahren sind die nationalen Wettbewerbsbehörden besonders im Bereich der vertikalen Beschränkungen tätig geworden und dieser Trend wird sich vermutlich in diesem Jahr noch weiter verstärken. Unter Berücksichtigung der Sektoruntersuchung der Europäischen Kommission im Bereich E-Commerce werden die nationalen Wettbewerbsbehörden in dieser Hinsicht eine sehr aktive Rolle einnehmen. Zudem werden gut aufgestellte nationale Wettbewerbsbehörden die Tätigkeiten der sogenannten Big-Tech-Unternehmen auch unter dem Verdacht des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung weiter überprüfen. Das jüngste Verfahren des Bundeskartellamtes gegen Facebook zu den Vorwürfen eines Missbrauchs im Zusammenhang mit Nutzerdaten kann insoweit als „Warnschuss“ angesehen werden.

Russische Wettbewerbsregulierer an der Spitze der digitalen Wirtschaft

Auch die Russische Wettbewerbsbehörde wird sich im Jahr 2018 in erheblichem Umfang mit Kartellrechtsverstößen durch den Einsatz digitaler Technologien auseinandersetzen. Dies zeigen erste Ermittlungen der Russischen Wettbewerbsbehörde, die bereits im letzten Jahr begonnen haben. Besondere Beachtung findet insoweit das Verfahren gegen eine russische Tochtergesellschaft von LG Electronics, die im Verdacht steht, einen Algorithmus verwendet zu haben, der die Preise für die Händler ihrer Smartphones koordiniert haben soll. Die Behörde hat allerdings eingeräumt, dass die aktuelle Gesetzeslage noch nicht vollständig an die digitale Wirtschaft angepasst ist. Daher sind in diesem Bereich weitere Entwicklungen zu erwarten.

 

Innovation: Ein wichtiger Aspekt für Kartellbehörden

Innovation ist sowohl zur Verbesserung bestehender Produkte als auch zur Entwicklung neuer Produkte ein Schlüsselelement des Wettbewerbs. In jüngeren fusionskontrollrechtlichen Entscheidungen wie Dow/DuPont, ChemChina/Syngenta und Bayer/Monsanto ist die Europäische Kommission insbesondere auch auf die Bedeutung von Innovationen für den Wettbewerb eingegangen. Im Jahr 2018 wird Innovation nicht nur als ein wichtiger Faktor für die Beurteilung von Fusionen und Übernahmen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Europäischen Kommission stehen. Vielmehr wird die Prüfung von Innovationen auch erhebliche Auswirkungen auf das Kartellrecht im Allgemeinen haben: Insbesondere werden die Kartellbehörden die Rolle und die Auswirkungen von Innovationen in den kommenden Jahren im Rahmen ihrer wettbewerbsökonomischen Analyse verstärkt berücksichtigen.

Ist die Zeit reif für einen „more sustainable approach“ im europäischen Kartellrecht?

Es gibt ein offensichtliches Spannungsverhältnis zwischen Nachhaltigkeitszielen, die häufig eine Kooperation oder zumindest eine Koordination zwischen Wettbewerbern erfordern, und dem Kartellrecht, das auf ein möglichst unabhängiges und eigenständiges Marktverhalten drängt. Angesichts einer immer restriktiveren Durchsetzung des Kartellrechts gerade im Hinblick auf horizontale Kooperationen und dem Austausch von wettbewerbssensiblen Informationen schrecken manche Unternehmen vor einer Beteiligung an gemeinsamen Initiativen zurück. So hat zum Beispiel die niederländische Wettbewerbsbehörde bereits wiederholt Nachhaltigkeitsinitiativen (im Bereich des Umwelt- und Tierschutzes), die auf breite Unterstützung sowohl von Seiten der Öffentlichkeit als auch von Seiten der Regierung gestoßen sind, für mit dem Kartellrecht nicht vereinbar erklärt. In Anbetracht der Zunahme von politisch gewollten und geförderten Initiativen – insbesondere hinsichtlich der Entwicklung nachhaltiger Technologien – werden Kartellbehörden zunehmend vor der Aufgabe stehen, Nachhaltigkeit und Wettbewerb in Einklang zu bringen.