Bundesfinanzministerium veröffentlicht Entwurf eines Schreibens zu Anti-Hybrid-Regelungen (§ 4k EStG)
Am 13.07.2023 hat das Bundesfinanzministerium („BMF“) den Entwurf eines Schreibens zur den sog. Anti-Hybrid-Regelungen des § 4k EStG veröffentlicht und an die Verbände zur Stellungnahme übersandt („Entwurf“). Der Entwurf ist abrufbar hier.
I. Einführung
§ 4k EStG wurde durch das Gesetz zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtline (ATAD-Umsetzungsgesetz – ATADUmsG) grundsätzlich mit Wirkung nach dem 31.12.2019 eingeführt. Die Norm bezweckt die Versagung der Abzugsfähigkeit von Aufwendungen in Deutschland, soweit die daraus resultierenden Erträge aufgrund einer hybriden Besteuerungsinkongruenz nicht bzw. niedrig besteuert oder Abzüge doppelt vorgenommen werden (sog. Deduction/Non Inclusion, Double Deduction, Imported Mismatch).
Das Grundproblem der Vorschrift ist dabei, dass ihre Anwendung im Wesentlichen von der steuerlichen Behandlung der betreffenden Erträge und Aufwendungen im Ausland abhängt, so dass deren Bestimmung und Nachweis von zentraler Bedeutung ist.
Mit dem Entwurf nimmt die Finanzverwaltung nun erstmals zu Auslegungs- und Zweifelsfragen Stellung. Dabei fällt der Entwurf eher deskriptiv aus und deckt mit Beispielen meist nur die grundlegenden Strukturen ab. Ein vollständiger Überblick über alle in der Praxis relevanten Fragestellungen enthält der Entwurf nicht, was aber auch schwierig zu leisten ist. Wir stellen nachfolgend die wichtigsten Aussagen des über 50 Seiten langen Entwurfs dar (unter Angabe der Rn. des Entwurfs).
II. Allgemeines
Wichtige allgemeine Aussagen sind:
Umsetzung der ATAD: Der Entwurf betont, dass § 4k EStG der Umsetzung von Art. 9 und 9b ATAD dient (Rn. 1 f.). Ohne es ausdrücklich anzusprechen, bedeutet dies unseres Erachtens auch, dass im Zweifel eine richtlinienkonforme Auslegung zu erfolgen hat.
Zeitlicher Anwendungsbereich: Der Entwurf differenziert im Hinblick auf den zeitlichen Anwendungsbereich nach § 52 Abs. 8c EStG zwischen Aufwendungen aus Dauerschuldverhältnissen und anderen Aufwendungen (Rn. 3 ff.). Aufwendungen aus Dauerschuldverhältnissen sind grundsätzlich ab dem 01.01.2020 von § 4k EStG erfasst, selbst wenn der zugrunde liegende Vertrag vor diesem Datum geschlossen worden ist. Eine Ausnahme soll nach dem Entwurf nur dann gelten, wenn das Dauerschuldverhältnis nicht ohne wesentliche Nachteile beendet hätte werden können. Mit diesen Ausführungen kehrt das BMF das in § 52 Abs. 8c Satz 2 EStG vorgesehene Regel-Ausnahme-Verhältnis um. Die Beweislast bleibt unseres Erachtens aber dennoch bei der Finanzverwaltung (Tz. 119). Bei anderen Aufwendungen soll hingegen kein Abzugsverbot eingreifen, wenn die Aufwendungen rechtlich vor dem 01.01.2020 verursacht wurden, selbst wenn die Einkünfteminderung erst nach dem 31.12.2019 eintritt. Mögliche verfassungsrechtliche Problematiken (Stichwort: echte Rückwirkung) werden nicht angesprochen.
Persönlicher Anwendungsbereich: § 4k EStG ist sowohl auf Gewinn- als auch Überschusseinkünfte anwendbar (§ 9 Abs. 5 Satz 2 EStG). Der persönliche Anwendungsbereich betrifft Sachverhalte zwischen nahestehenden Personen, zwischen Unternehmen und ihren in anderen Staaten belegenen Betriebsstätten und im Rahmen von strukturierten Gestaltungen (§ 4k Abs. 6 Satz 1 EStG). Der Entwurf definiert und erläutert die relevanten Begrifflichkeiten (Rn. 7 ff.).
Besteuerungsinkongruenzen: In den Rn. 12 ff. erläutert der Entwurf nicht abschließend die Begriffe der Besteuerungsinkongruenzen in den Formen der Deduction/Non Inclusion (D/NI-Inkongruenz), Double Deduction (DD-Inkongruenz), Imported Mismatch und hybride Elemente einschließlich von Unterformen.
III. § 4k Abs. 1 EStG
Das Abzugsverbot des Abs. 1 betrifft bestimmte Aufwendungen im Zusammenhang mit Finanzinstrumenten, deren Erträge aufgrund einer Besteuerungsinkongruenz in der Form von hybriden Finanzinstrumenten (d.h. Qualifikationskonflikte) und hybriden Übertragungen (d.h. Zurechnungskonflikte) nicht oder niedriger besteuert werden (Rn. 19). Folgende Aussagen werden im Entwurf getroffen:
Kapitalvermögen: Für den Begriff des Kapitalvermögens knüpft der Entwurf an den identischen Begriff des § 20 EStG an (ohne Berücksichtigung von § 20 Abs. 8 EStG und § 8 Abs. 2 KStG; Rn. 20). Der Begriff der Aufwendungen für die Nutzung von Kapitalvermögen sind entsprechend zu verstehen (einschl. periodengerechte Abgrenzung im Betriebsvermögen, also Zahlung nicht erforderlich); als Aufwendungen im Zusammenhang mit der Übertragung von Kapitalvermögen kommen Entgelte sowie Ausgleichszahlungen bei Wertpapierdarlehen und Repo-Geschäften in Betracht (eigentlich § 22 Nr. 3 EStG, nicht § 20 EStG; Rn. 21 f.). Die Begrifflichkeiten sind also weiter als z.B. die der Zinsschranke nach § 4h EStG.
Non Inclusion: Der Entwurf enthält wichtige Aussagen zu den Begriffen der Nicht- und Niedrigbesteuerung:
- Nichtbesteuerung liegt vor, soweit die den Aufwendungen entsprechenden Erträge nicht in eine steuerliche Bemessungsgrundlage einbezogen werden. Nach der Gesetzesbegründung stellt auch der Einbezug im Rahmen einer Hinzurechnungsbesteuerung eine Besteuerung in diesem Sinne dar (vgl. auch BT-Drs. 19/28652, S. 35). Unseres Erachtens gilt dies entsprechend für einen Einbezug nach speziellen Controlled Foreign Company (CFC)-Regeln wie z.B. US Global Intangible Low-Taxed Income (GILTI). Eine konkrete Aussage des BMF hierzu wäre aber wünschenswert. Keine Nichtbesteuerung liegt hingegen vor, wenn es z.B. nach einer Verrechnung mit negativen Einkünften, einem Verlustabzug, der Berücksichtigung eines Grundfreibetrags o. Ä. oder der Anrechnung oder des Abzugs ausländischer Steuern zu keiner tatsächlichen Steuerzahlung kommt (Rn. 27 ff.).
- Niedrigbesteuerung der den Aufwendungen entsprechenden Erträge liegt vor, wenn diese im Ausland einer niedrigeren effektiven Steuerbelastung unterliegen als derjenigen, die sich bei einer dem deutschen Recht entsprechenden Qualifikation oder Zurechnung des Kapitalvermögens ergeben würde. Der Umfang der niedrigeren Besteuerung soll sich damit aus der Differenz zwischen tatsächlicher Besteuerung der Erträge im Ausland und der hypothetischen Besteuerung der Erträge im Ausland bei dem deutschen Recht entsprechender Qualifikation oder Zurechnung des Kapitalvermögens ergeben (Rn. 30).
Kausalität: Erfreulich am Entwurf ist die Betonung der Kausalität zwischen der Besteuerungsinkongruenz und der Nicht- oder Niedrigbesteuerung. Hiernach kommt ein Abzugsverbot nur dann in Betracht, wenn ein Qualifikations- oder Zurechnungskonflikt, allein – oder zusammen mit einem anderen Qualifikations- und Zurechnungskonflikt – ursächlich für die relevante Besteuerungsinkongruenz ist; andere Ursachen für eine Nicht-/Niedrigbesteuerung – wie z.B. eine persönliche Steuerbefreiung des Gläubigers und unseres Erachtens auch eine Steuerbefreiung aufgrund einer bereits eingetretenen Hinzurechnungsbesteuerung – schließt eine Anwendung des § 4k Abs. 1 EStG aus (Rn. 26). Dies entspricht auch einer richtlinienkonformen Auslegung (vgl. Art. 2 Abs. 9 Unterabs. 3 Buchst. e) Satz 2 ATAD).
IV. § 4k Abs. 2 EStG
Das Abzugsverbot des Abs. 2 betrifft Aufwendungen bei abweichender steuerlicher Behandlung eines Steuerpflichtigen sowie bei abweichender steuerlicher Beurteilung von anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen; hierbei geht es regelmäßig um D/NI-Inkongruenzen. Wichtige Aussagen des Entwurfs sind:
Aufwendungen: Das BMF stellt klar, dass der Begriff der Aufwendungen nicht auf Zahlungen beschränkt ist, sondern Aufwendungen aller Art (einschl. periodengerechte Abgrenzung im Betriebsvermögen und AfA) erfasst (Rn. 38 f.). Etwas irritierend ist die Aussage, wonach auch „Aufwendungen für die Anschaffung (z.B. Kaufpreiszahlung)“ als Aufwendungen gelten (Rn. 39) – hierbei soll aber die Rechtsfolge auf tatsächliche Gewinnminderungen begrenzt sein (Rn. 51). Sehr weitreichend sollen bei derartigen Anschaffungsvorgängen als „entsprechende Erträge“ beim Veräußerer sämtliche beim Erwerber erfasste Aufwendungen Berücksichtigung finden. Gemeint ist, dass der Veräußerungserlös betrachtet wird und daher für das Abzugsverbot insbesondere nicht danach zu unterscheiden ist, ob bzw. inwieweit der Veräußerer einen Veräußerungsgewinn nicht versteuert (Rn. 41 i.V.m. Bsp. in Rn. 63).
Abweichende steuerliche Behandlung: Die Begrifflichkeiten der abweichenden steuerlichen Behandlung eines Steuerpflichtigen bzw. von anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen werden in den Rn. 42 ff. erläutert und mit Beispielen versehen.
Kausalität: Hier betont der Entwurf erneut das Erfordernis einer ausschließlichen Kausalität („alleine ursächlich“) zwischen der Inkongruenz und der Nichtbesteuerung (für § 4k Abs. 2 EStG grds. nicht auch Niedrigbesteuerung; dazu Rn. 49); zu beachten für § 4k Abs. 2 EStG ist aber, dass das BMF die Kausalität auch auf die Behandlung in weiteren Staaten als die des unmittelbaren Gläubigers ausweitet (Rn. 47).
Doppelberücksichtige Erträge: Zu der Ausnahme für doppelt berücksichtigte Erträge nach § 4k Abs. 2 Satz 3 EStG wird insbesondere diskutiert, auf welcher Ebene die Erträge anfallen müssen, um als Erträge desselben Steuerpflichtigen zu gelten. In Übereinstimmung mit der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 19/28652, S. 37) kann ein Organträger auch in Bezug auf die von Organgesellschaften als Einkommen zugerechneten Erträge von § 4k Abs. 2 Satz 3 EStG profitieren, sofern diese Erträge im Ausland ebenfalls erfasst werden (Rn. 52). Die Erträge müssen dabei nicht in einem Zusammenhang zu den doppelt berücksichtigten Aufwendungen stehen. Die doppelte Besteuerung setzt aber neben der Besteuerung im Inland eine zusätzliche Besteuerung im Staat des Gläubigers, des Gesellschafters (wenn der Gläubiger eine Personengesellschaft ist) oder des anderen Unternehmensteils voraus (Rn. 53, auch zu einem „Rücktrag“ von Erträgen).
V. § 4k Abs. 3 EStG
Das Abzugsverbot des Abs. 3 betrifft Aufwendungen, deren Erträge aufgrund einer nicht bereits durch Abs. 2 erfassten D/NI-Inkongruenz nicht besteuert werden. Dies erfasst u.a. Zahlungen an umgekehrt hybride Rechtsträger und Zuordnungskonflikte bei Betriebsstätten (einschl. unberücksichtigter Betriebsstätten) (Rn. 63 ff.). Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang das komplizierte Beispiel 13, das das Nebeneinander von § 4k Abs. 2 und Abs. 3 EStG behandelt und zum Ergebnis kommt, eine mittelbare Besteuerungsinkongruenz im Rahmen einer Hinzurechnungsbesteuerung könne Grund für die Anwendung des § 4k Abs. 3 EStG sein (Rn. 67 f.).
VI. § 4k Abs. 4 EStG
Das Abzugsverbot des Abs. 4 neutralisiert DD-Inkongruenzen, die sich aus der doppelten Berücksichtigung von Aufwendungen ergeben, einmal im Inland und in mindestens einem ausländischen Staat, ohne dass es eines hybriden Elements bedarf. Die Berücksichtigung der Aufwendungen in einem anderen Staat muss nicht bei dem im Inland als Steuerpflichtigen zu betrachtenden Rechtsträger, sondern kann auch bei einem anderen Rechtsträger erfolgen (Rn. 73). Eine doppelte Berücksichtigung setzt eine Minderung der steuerlichen Bemessungsgrundlage (auch Erhöhung eines Verlustabzugs ohne Berücksichtigung von lokalen Verrechnungsbeschränkungen) voraus, wobei auch eine Berücksichtigung im Rahmen einer Hinzurechnungsbesteuerung erfasst werden soll (nicht aber die Anwendung eines negativen Progressionsvorbehalts; Rn. 74). Hinsichtlich der Ausnahme bei doppelt berücksichtigten Erträgen wird auf die Ausführungen zu Abs. 2 verwiesen (Rn. 83 ff.).
VII. § 4k Abs. 5 EStG
Für importierte Mismatches sieht Abs. 5 ein Abzugsverbot vor, soweit die Inkongruenz nicht vorrangig durch Abs. 1 bis 4 beseitig wurde. Wichtige Aussagen des BMF hierzu sind:
Verkettung: Hierzu führt der Entwurf aus, dass die unmittelbar und mittelbar aus den Aufwendungen resultierenden Erträge solche sind, die aus Leistungsbeziehungen entstehen, ohne dass es dabei auf einen einheitlichen Veranlassungszusammenhang oder wirtschaftlichen Zusammenhang ankommt. So können z. B. die inländischen Aufwendungen Mietaufwand sein, während der unmittelbare oder mittelbare Gläubiger z. B. - ggf. schädlichen - Lizenzaufwand an einen mittelbaren Gläubiger leistet (Rn. 94). Diesen Erträgen stehen Aufwendungen „gegenüber“, wenn eine Verrechnung der jeweiligen Aufwendungen mit den Erträgen abstrakt möglich ist (Rn. 96).
Prüfungsreihenfolge: Nach Ansicht des BMF ist bei der Prüfung der Aufwendungen in mehrstufigen Leistungsketten eine bestimmte Reihenfolge einzuhalten. Es ist vom unmittelbaren Gläubiger des deutschen Steuerpflichtigen durch die Kette der mittelbaren Gläubiger stufenweise eine hypothetische Anwendung der Abs. 1 bis 4 durchzuführen (Rn. 103).
Doppelversagung: Versagen sowohl Deutschland als auch ein anderer Staat einen Abzug von Aufwendungen auf derselben Ebene nach den Regeln für importierte Mismatches soll nach dem Entwurf eine anteilige Aufteilung des Abzugsverbots erfolgen (Rn. 115 f.).
VIII. Beweislast
Wie oben bereits angedeutet ist die Bestimmung und der Nachweis von ausländische Besteuerungsfolgen im Rahmen des § 4k EStG von zentraler Bedeutung. Zur Beweislastverteilung verweist das BMF auf die allgemeinen Grundsätze.
Da das Abzugsverbot eine steuererhöhende Tatsache ist, obliegt der Feststellungslast der Finanzverwaltung, wobei auf die erhöhte Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen nach § 90 Abs. 2 AO hingewiesen wird (Rn. 119). Als evtl. vorzulegenden Unterlagen nennt der Entwurf u.a. Unterlagen aus der Buchhaltung der beteiligten Rechtsträger und Auskünfte ausländischer Finanzbehörden zu konkreten Sachverhalten; rein abstrakte Darstellungen der ausländischen Rechtslage sollen hingegen regelmäßig nicht ausreichen (Rn. 121). Für die Ausnahmetatbestände, also insbesondere die doppelt berücksichtigten Erträge, trägt der Steuerpflichtige die Feststellungslast und hat Beweisvorsorge zu treffen (Rn. 122 f.).
Vor dem Hintergrund der strengen Anforderungen kann es ein faktisch zu einer Beweislastumkehr kommen.