Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Durchsuchungen und Beschlagnahme von Geschäftsunterlagen
Was folgt daraus für öffentliche Unternehmen?
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit drei jüngst veröffentlichen Beschlüssen im Kontext von „Dieselgate“-Ermittlungen über die Verfassungsbeschwerden der Volkswagen AG, der Kanzlei Jones Day sowie von drei ihrer Rechtsanwälte gegen die Durchsuchung der Kanzleiräume und der Beschlagnahme von Unterlagen der für die Volkswagen AG durchgeführten Internal Investigation entschieden.
Es ist zu dem Ergebnis gelangt, die Beschlagnahme von Unterlagen sei rechtmäßig gewesen. In der Abwägung zwischen dem Interesse des Mandanten am Schutz der seinem Rechtsanwalt anvertrauten Informationen einerseits und dem verfassungsrechtlichen Interesse an effektiver Strafverfolgung andererseits räumt das BVerfG letzterem den Vorrang ein. Zwar gab es bereits zum Zeitpunkt der Beschlagnahme auch gegen die Volkswagen AG und deren Mitarbeiter eingeleitete Strafverfahren. Jedoch sei die Beschlagnahme nicht in diesem Verfahren erfolgt, sondern in einem anderen Verfahren einer anderen Staatsanwaltschaft gegen die Audi AG. Diese sei auch nicht in den Schutzumfang des Mandats von Jones Day einbezogen gewesen. Das BVerfG betont dabei das Missbrauchspotential, das bestehe, wenn sich der Beschlagnahmeschutz auf sämtliche Mandatsverhältnisse unabhängig von einer Beschuldigtenstellung des Mandanten erstreckte und Beweismittel gezielt in die Sphäre des Rechtsanwalts, gleichsam als „Safehouse“, verlagert werden könnten.
Die bei alldem mitschwingende Befürchtung, Internal Investigations könnten mit dem Ziel durchgeführt werden, Kenntnisse von (vermeintlichen) Compliance-Verstößen in der Sphäre des Unternehmens dem Zugriff der staatlichen Ermittlungsbehörden zu entziehen und Beweismittel könnten bewusst in die Sphäre des Rechtsanwalts verlagert werden, lässt bereits außer Betracht, dass Rechtsanwälte als Organe der Rechtspflege nicht an Handlungen mitwirken dürfen, die dem Zwecke der Strafvereitelung dienen. Aber auch mit Blick auf das Interesse des Unternehmens an der Durchführung einer Internal Investigation erscheinen solche Erwägungen fernliegend.
Dies verdeutlicht in besonderer Weise die sog. Public Sector Compliance. Hier geht es um Compliance-Maßnahmen, wie interne Ermittlungen, insbesondere für Unternehmen der mittelbaren Staatsverwaltung, zu denen beispielsweise öffentliche Krankenhäuser, kommunale Wohnungsbaugesellschaften oder andere sich ganz oder teilweise im Eigentum der Öffentlichen Hand befindliche Unternehmen gehören. Die Gesetzestreue des öffentlichen Unternehmens und seiner Mitarbeiter stellt in diesem Kontext stets einen essentialen Teil der jeweils übertragenen Aufgabe dar. Bei Unternehmen der mittelbaren Staatsverwaltung wäre daher mit dem Verbergen von Compliance-Verstößen einzelner Mitarbeiter ein erhöhtes Strafbarkeitsrisiko für die „Mitwisser“ verbunden. Es besteht für das Leitungspersonal hier auch eine aus dem öffentlich-rechtlichen Auftrag folgende gesteigerte Aufklärungspflicht, für die eine Internal Investigation im Einzelfall das einzige Mittel der Wahl sein kann.
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