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Wettbewerbsregister – Neue Leitlinien zur Löschung von Einträgen

01.12.2021
Das Bundeskartellamt hat am 25.11.2021 Leitlinien zur vorzeitigen Löschung einer Eintragung aus dem Wettbewerbsregister gemäß § 8 Abs. 1 bis 4 Wettbewerbsregistergesetz (WRegG) sowie Praktische Hinweise für einen Antrag auf Löschung veröffentlicht. Damit liegen nun erstmals praktische Hinweise für dieses Verfahren vor, dass für die zukünftige Compliance von Unternehmen von erheblicher Bedeutung sein dürfte.

Das Wettbewerbsregister

In das Wettbewerbsregister werden Unternehmen und natürliche Personen eingetragen, wenn sie wegen bestimmter Wirtschaftsdelikte rechtskräftig verurteilt oder mit einem Bußgeld sanktioniert wurden. Öffentliche Auftraggeber können das Register abfragen und sodann entscheiden, ob ein Unternehmen von einem öffentlichen Vergabeverfahren auszuschließen ist oder ausgeschlossen werden kann.

Je nach Art des Verstoßes bleibt ein Eintrag für drei oder fünf Jahre im Register. Eine vorzeitige Löschung ist möglich, wenn sich das betreffende Unternehmen erfolgreich einer „Selbstreinigung“ unterzogen hat.

Zweck der Leitlinien

Die Leitlinien und Praktischen Hinweise sollen Unternehmen die Anforderungen verdeutlichen, die sie erfüllen müssen, damit ihr Antrag auf vorzeitige Löschung Erfolg haben kann und nicht unnötig verzögert wird. Der Antrag soll schlüssig, nachvollziehbar und vollständig sein sowie eine übersichtliche Zusammenfassung des Sachverhalts und relevanter Tatsachen enthalten. Ausführliche Einzelheiten können in der Anlage eingereicht werden, wobei nicht pauschal „ordnerweise“ Anlagen übersendet werden dürfen. Mehrere Eintragungen im Wettbewerbsregister können allerding in einem Antrag auf Löschung behandelt werden. Unzureichende Anträge können abgelehnt werden. Erst recht gilt dies, wenn die Prüfung eines Antrags ergibt, dass er unrichtige oder irreführende Angaben enthält oder relevante Umstände verschwiegen wurden. Beim Antrag gilt es also besondere Vorsicht walten zu lassen.

Berechtigtes Interesse an Löschung erforderlich

Ein Antrag auf vorzeitige Löschung eines Eintrags im Wettbewerbsregister setzt ein „berechtigtes Interesse“ des Unternehmens voraus (§ 8 Abs. 1 Satz 2 WRegG). Nach den Leitlinien ist dies der Fall, wenn das Unternehmen an öffentlichen Vergabeverfahren teilnimmt oder dies beabsichtigt. Hierfür sind die Verfahren möglichst konkret zu benennen. Zudem müssen die mit öffentlichen Aufträgen erzielten Umsätze der letzten zwei Jahre vor Antragstellung offengelegt werden.

Selbstreinigung durch Nachzahlung

Kam es zur Eintragung in das Wettbewerbsregister wegen einer Steuerhinterziehung oder des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt, ist für die „Selbstreinigung“ erforderlich, aber auch ausreichend, dass alle Abgaben einschließlich aller Zinsen, Säumnis- und Strafzuschläge nachgezahlt wurden (§ 123 Abs. 4 Satz 2 GWB). Dem Antrag sind entsprechende Belege oder Bestätigungen der zuständigen Stellen beizufügen. Ausreichend ist auch eine bloße Zahlungsverpflichtung, solange sie sich aus einer vollstreckbaren Entscheidung ergibt (z. B. Bescheid mit Ratenzahlungsvereinbarung).

Selbstreinigung durch Schadensausgleich

In allen anderen Fällen setzt die Selbstreinigung voraus, dass das Unternehmen den durch das Wirtschaftsdelikt verursachten Schaden ausgeglichen oder sich zum Ausgleich verpflichtet hat (§ 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GWB). Diese Ausgleichspflicht umfasst zumindest „offenkundige“ Schäden, d. h. hinsichtlich derer keine ernsthaften Zweifel – insbesondere ihrer Höhe nach – bestehen.

Ob ein solch offenkundiger Schaden vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls. So benennen die Praktischen Hinweise ausdrücklich Verstöße gegen das Kartellrecht als eine Fallgruppe, bei der die Bestimmung eines etwaigen Schadens eine große Herausforderung darstellt, solange dieser nicht rechtskräftig festgestellt wurde. Der Antrag muss darstellen, welche Schäden durch das Fehlverhalten verursacht worden sein könnten, einschließlich Angaben zu den Geschädigten, der Art und Höhe des Schadens. Ist das Entstehen oder die Höhe des Schadens streitig, muss der Streitstand dargelegt werden. Dabei muss das Unternehmen erläutern, ob es zur Aufklärung beigetragen hat. Dazu können beispielsweise Schuldanerkenntnisse oder herausgegebene Informationen und Unterlagen zur Aufklärung dienen.

Umfassende Klärung der Tatsachen und Umstände

Zur erfolgreichen Selbstreinigung ist auch eine aktive Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden und der Registerbehörde erforderlich (§ 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GWB). Ausmaß und Aufwand für diese Kooperation hängen von der Schwere des Delikts und der Komplexität des zugrunde liegenden Sachverhalts ab. Bei Kartellverstößen wird es regelmäßig als ausreichende Kooperation angesehen, wenn das Unternehmen einen Kronzeugenantrag nach §§ 81h ff. GWB gestellt und ihm das Bußgeld dementsprechend erlassen oder reduziert wurde. Generell hat der Antragsteller darzustellen, welche wesentlichen Schritte es in der Kooperation unternommen, welche Unterlagen und Beweismittel es überreicht hat und wer innerhalb des Unternehmens mit der Aufklärung und der Kooperation befasst war.

Compliance-Maßnahmen

In dem Antrag auf vorzeitige Löschung hat das Unternehmen auch die beschlossenen bzw. bereits umgesetzten Maßnahmen darzulegen, mit denen zukünftiges Fehlverhalten verhindert werden soll (§ 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GWB). In Betracht kommen technische, organisatorische sowie personelle Maßnahmen.

Bei technischen und organisatorischen Maßnahmen sollte das Unternehmen zunächst zukunftsbezogen prüfen, in welchen Bereichen Risiken bestehen oder drohen und wie diesen begegnet werden könnte. Dabei sind die Grundsätze effektiver Compliance zu berücksichtigen. Die Praktischen Hinweise enthalten eine nicht abschließende Liste an Beispielen für entsprechende Maßnahmen, z. B. Anpassung der Organisations- und Aufsichtsstruktur oder sorgfältige Auswahl, Schulung und Kontrolle der Angestellten. Möglicher Anhaltspunkt für die Angemessenheit kann ein standardisiertes Compliance-Management-System sein. Im Antrag sind Größe, Umsatz, Struktur und Tätigkeitsbereich des Unternehmens darzulegen, um eine Bewertung der Angemessenheit zu ermöglichen.

Bei personellen Maßnahmen ist ebenfalls eine individuelle, unternehmens- und fallbezogene Analyse erforderlich. Maßgeblich ist, dass die getroffenen Maßnahmen geeignet sind, zukünftiges Fehlverhalten zu verhindern. Hierzu sind u. a. die Unternehmensgröße, die Position der am Fehlverhalten Beteiligten und etwaige Organisationsdefizite zu berücksichtigen, aber auch die Frage, ob das Fehlverhalten auf Anweisung vorgesetzter Personen vorgenommen oder hierdurch befördert wurde. Im Antrag müssen die Personen genannt werden, die an dem Fehlverhalten beteiligt waren. Zwingend ist das bei denjenigen Personen, die im Urteil, Strafbefehl oder Bußgeldbescheid genannt werden. Verzichtet das Unternehmen auf personelle Maßnahmen, muss es im Antrag begründen, inwiefern der Verzicht angemessen ist.

Fazit – Viele Fragen des Einzelfalls

Die Leitlinien und Praktischen Hinweise enthalten wertvolle Hinweise, welche Maßnahmen für eine Selbstreinigung angemessen bzw. erforderlich sein könnten. Deshalb sollten nach der Feststellung eines Fehlverhaltens, das zu einem Eintrag im Wettbewerbsregister führen kann, die Leitlinien und Praktischen Hinweise nicht nur bei der Aufarbeitung der Vorwürfe (Internal Investigations) berücksichtigt werden, sondern auch bei der Entscheidung, in welchem Umfang und welcher Form mit den Ermittlungsbehörden kooperiert werden soll und wie das Unternehmen mit möglichen Geschädigten umgehen will.

Die Leitlinien und Praktischen Hinweise betonen, dass alle Maßnahmen zur Selbstreinigung einzelfall- und unternehmensbezogen ausgestaltet werden müssen. Deshalb verbleibt immer eine gewisse Unsicherheit, ob die Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Selbstreinigungsmaßnahme bei der Prüfung eines späteren Antrags auf vorzeitige Löschung aus dem Wettbewerbsregister als angemessen besttätigt wird.

Weitgehend offen bleiben die Ausführungen hinsichtlich des Umfangs des Antrags. Zwar wird immer wieder erwähnt, dass der Antrag doch möglichst übersichtlich, schlüssig und nachvollziehbar zu sein habe. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass unzureichende Anträge abgelehnt werden. Auch die Praktischen Hinweise geben nur bedingt Aufschluss und wiederholen häufig nur den Inhalt der Leitlinien. So bleibt für den Antragsteller unklar, was die Behörde unter einem „schlüssigen und nachvollziehbaren“ Antrag versteht. Ob ein Sachverhalt „übersichtlich“ zusammengefasst ist, dürfte ebenfalls im Auge des Betrachters liegen. Praktisch hilfreich sind aber die die vergleichsweise ausführlichen Hinweise zu den Grundsätzen effektiver Compliance und die dortige detaillierte Beschreibung der einzelnen Maßnahmen.

Für jedes betroffene Unternehmen wird ein Antrag auf Löschung immer den Abschluss umfassender Bemühungen um Selbstreinigung darstellen. Der durchgehende Verweis der Leitlinien auf den Einzelfall muss dabei ernst genommen werden: Die Wahl der Compliance-Maßnahmen und deren Implementierung muss spezifisch, effizient und verhältnismäßig sein. Wird das konsequent beachtet und entsprechend dokumentiert, hat ein Löschungsantrag am Ende der Anstrengungen auch Aussicht auf Erfolg.