Urteil des OLG Frankfurt zur Zulässigkeit der einseitigen Festlegung von Margen und Boni
Mit Urteil vom 14.02.2023 hat das OLG Frankfurt (Az. 11 U 9/22) vollumfänglich bestätigt, dass der Hersteller das Recht hat, „außerhalb“ des Händlervertrages Margen und Boni einseitig festzusetzen.
Im konkreten Fall hatte die Beklagte in ihrem Vertragshändlervertrag ausdrücklich klargestellt, dass Rabatte und Margenbestandteile nicht Gegenstand des Händlervertrages sind. Stattdessen sollten die Margen (d.h. Rabatte auf die unverbindliche Preisempfehlung) und etwaige Boni im letzten Quartal eines Kalenderjahres jeweils für das Folgejahr in einem Rundschreiben von der Beklagten einseitig festgelegt werden. Dagegen hatte der Händlerverband geklagt.
Erstinstanzlich hatte das LG Frankfurt entschieden, dass das Recht zur einseitigen Festsetzung von Margen und Boni in jeweils für ein Jahr gültigen Rundschreiben durch den Hersteller eine unbillige Behinderung der Vertragshändler i.S.d. §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB darstelle. Nach Ansicht des Landgerichts sollte der Hersteller gehalten sein, die Margen fest im Händlervertrag zu vereinbaren, da den Vertragshändlern andernfalls die notwendige Planungssicherheit fehle. Boni dürfte die Beklagte nicht einseitig festsetzen, da die Händler aufgrund der konkreten Ausgestaltung des Händlervertrages sowie der begleitenden Korrespondenz im Zuge des Abschlusses der Händlerverträge davon ausgehen durften, dass es sich bei streitgegenständlichen Boni um einen vertraglich vereinbarten Vergütungsbestandteil handele und die AGB-rechtlichen Voraussetzungen für einen einseitigen Änderungsvorbehalt bzw. ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nicht vorliegen würden. Die Verwendung von AGB-rechtlich unwirksamen Klauseln begründe eine unbillige Behinderung im Sinne des Kartellrechts.
Die landgerichtliche Entscheidung hatte vielfach für Unverständnis gesorgt, da sie sich an vielen Stellen über die einschlägige obergerichtliche Rechtsprechung hinwegsetzte und die bisherige Handhabung vieler Hersteller und Importeure in Frage stellte.
Das OLG Frankfurt hob das Urteil des LG Frankfurt vom 16.12.2021 nun auf und „drehte“ dieses komplett um. Dabei machte das OLG einige wichtige Klarstellungen und Präzisierungen. Die Revision wurde nicht zugelassen.
I. Einseitige Festlegung von Margen
Das OLG bestätigte, dass Margen grundsätzlich auch einseitig vom Hersteller festgelegt werden können. Die Grundmargen müssen also nicht per se im Händlervertrag vereinbart werden.
Das OLG begründete dies unter anderem damit, dass nach einschlägiger obergerichtlicher Rechtsprechung die Vereinbarung eines Werksabgabepreissystems kartellrechtlich zulässig sei (siehe dazu OLG Frankfurt ZVertriebsR 2017, 244 Rn. 42 ff.; OLG München OLGR 2004, 197; OLG Köln BeckRS 2010, 143557). Wenn ein solches Werksabgabepreissystem, also ein System, in dem ein Hersteller seine Produkte an den Händler auf der Grundlage der von ihm einseitig bestimmten aktuellen Preislisten verkauft, zulässig ist, könne eine Regelung im Händlervertrag, wonach die Grundmargen einmal jährlich vom Hersteller festgelegt werden, nicht kartellrechtswidrig sein.
Die Vertragshändler seien zudem insoweit geschützt, als den Hersteller bei der Ausübung seines Rechts, die Margen jährlich einseitig festzusetzen, gesteigerte vertragliche Rücksichtnahme- und Treuepflichten treffen. Darüber hinaus habe auch der Hersteller in der Regel kein Interesse daran, seinen Vertragshändlern aufgrund überhöhter Einkaufspreise den Absatz an Endkunden zu erschweren, da er selbst jedenfalls mittelbar an dem Absatzrisiko der Vertragshändler beteiligt sei. Insoweit seien die Interessen von Hersteller und Vertragshändler gleichgerichtet.
Zwar könne auch die Verwendung einer AGB-rechtlich unzulässigen Klausel gegebenenfalls eine kartellrechtswidrige Behinderung darstellen, allerdings sei die konkrete Ausgestaltung nicht AGB-rechtlich zu beanstanden. Vorliegend sei schon kein Leistungsbestimmungsrecht, das den strengen AGB-rechtlichen Anforderungen unterliegt, vereinbart worden: In Bezug auf die Verkaufspreise (gemeint: Händlereinkaufspreise) liege ein Leistungsbestimmungsrecht nicht vor, weil bei Abschluss des Einzelkaufvertrages der Verkaufspreis bestimmt sei und gerade nicht nachträglich vom Hersteller bestimmt werde. Auch hinsichtlich der Vergütung für die nach dem Händlervertrag geschuldeten Tätigkeiten liege kein Leistungsbestimmungsrecht vor, weil die Grundmarge nur ein Berechnungsfaktor bei der Bemessung des Händlereinkaufspreises sei und nicht eine konkrete Vergütung festgelegt werde und auch nicht festgelegt werden soll. Die tatsächliche Vergütung – der Gewinn des Händlers – hänge überdies von vielen Faktoren ab, die der Hersteller nicht beeinflussen könne.
II. Einseitige Festlegung von Boni
In Bezug auf das Recht, die Boni einseitig festzusetzen, folgte das Gericht der Daihatsu-Entscheidung des BGH.
Zunächst stellte es klar, dass es sich, entgegen der landgerichtlichen Ausführungen, bei den ausgelobten Boni um freiwillige zusätzliche Leistungen des Herstellers handele und nicht um eine Vergütung für eine nach dem Händlervertrag geschuldete Leistung. Die mit den streitgegenständlichen Boni prämierten Leistungen seien allesamt nicht nach dem Händlervertrag geschuldet. Darüber hinaus ergebe sich an keiner Stelle im Händlervertrag, dass die Beklagte sich zur Zahlung von Boni verpflichtet hätte. Da es sich um eine freiwillige Leistung des Herstellers handele, hätte der Hersteller das Versprechen von Boni auch ganz unterlassen können. In jedem Fall habe er im Einklang mit der Daihatsu-Entscheidung Inhalt und Umfang des Versprechens einseitig ausgestalten können.
Dementsprechend sei auch die Festlegung von Boni in jeweils für ein Jahr gültigen Rundschreiben keine unbillige Behinderung.
III. Welche Praxisfolgen hat das Urteil?
Im Ergebnis bleibt alles beim Alten und doch wird das Urteil wieder ein wenig Ruhe in die aufgeregte Diskussion über die Festlegung von Margen und insbesondere Boni bringen. Diese hatte mit dem „Büchl-Urteil“ des österreichischen Obersten Gerichtshof als Kartellobergericht (Beschluss vom 22. März 2021, GZ 16 Ok 4/20d) an Fahrt aufgenommen und war durch das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Frankfurt auch in Deutschland befeuert worden. In der Folge versuchten zahlreiche Händler und Händlerverbände mit der Keule des Kartellrechts gegen die Ausgestaltung von Vergütungs- und Bonussystemen ihrer Prinzipale vorzugehen. Das OLG hat dem nun durch konsequente Anwendung der bestehenden obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung einen Dämpfer verpasst.