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Referentenentwurf zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung

04.04.2023

Einwanderung von Fachkräften aus dem EU-Ausland soll erleichtert werden.

Der Fachkräftebedarf des deutschen Arbeitsmarktes kann bekanntermaßen nicht mit den Fachkräften aus der Europäischen Union gedeckt werden. Die Anwerbung von Drittstaatsangehörigen soll mit dem nun vorliegenden Referentenentwurf zur Fachkräfteeinwanderung erleichtert und erweitert werden. Das Bundeministerium des Innern und für Heimat und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales haben mit diesem Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung“ die Anhörungen in den Gremien gestartet.

Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen

Der Gesetzesentwurf soll der Weiterentwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen zur gezielten und gesteuerten Zuwanderung von Fachkräften aus Nicht-EU-Staaten dienen, um so den deutschen Arbeitsmarkt und den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken. Auf diese Weise soll ein Beitrag zu einem nachhaltigen gesellschaftlichen Wohlstand und zur Sicherung der Sozialsysteme geleistet werden. Gleichzeitig sollen mit dem Entwurf die Vorgaben aus der Richtlinie (EU) 2021/1883 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2021 über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zur Ausübung einer hoch qualifizierten Beschäftigung umgesetzt werden.

Die Fachkräftesäule als tragendes Element

Der Gesetzesentwurf beruht auf drei Säulen, der Fachkräftesäule, der Erfahrungssäule und der Potenzialsäule.

Die Fachkräftesäule bleibt hierbei das zentrale Element der Einwanderung. Sie umfasst wie bisher auch die Blaue Karte EU für ausländische Hochschulabsolventen sowie die nationale Aufenthaltserlaubnis für ausländische Fachkräfte mit einer deutschen oder einer in Deutschland anerkannten Berufsausbildung bzw. einem entsprechenden Hochschulabschluss. Der Referentenentwurf erweitert jetzt die Beschäftigungsmöglichkeit einer Fachkraft weiter. Eine Fachkraft mit qualifizierter Berufsausbildung soll – anders als bisher – jede qualifizierte Beschäftigung ausüben können. Der Berufsabschluss muss dann nicht mehr inhaltlich zur geplanten Beschäftigung passen. Dies soll dann auch für Fachkräfte mit akademischem Abschluss gelten. Im Ergebnis befähigt die Eigenschaft als Fachkraft dann zur Ausübung jeder Beschäftigung. Ausländische Fachkräfte mit einem inländischen Abschluss können eine Aufenthaltserlaubnis sogar ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit erhalten. Nur für die Erteilung der Blauen Karte EU bleibt es bei dem Erfordernis, dass die Beschäftigung der Qualifikation entsprechen muss.

Das Wichtigste in Kürze:

Der Referentenentwurf sieht zum einen eine Reihe von Änderungen bei der Blauen Karte EU vor:

So wird das Mindestjahresgehalt für die Erteilung der sog. großen Blauen Karte EU von rund EUR 58.400,00 brutto (2/3 der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung für das Jahr 2023) auf rund EUR 49.581,60 brutto (56,6 % der Beitragsbemessungsgrenze) abgesenkt. Soweit das Mindestgehalt diese Beitragsschwelle erreicht, ist für die Erteilung der Blauen Karte EU keine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit erforderlich, was das Antragsverfahren nicht unerheblich beschleunigt.

Auch das Mindestjahresgehalt für die Erteilung der sog. kleinen – zustimmungspflichtigen – Blauen Karte EU wird für die Mangel- und Engpassberufe (MINT-Fächer) von rund EUR 45.552,00 brutto (52 % der Beitragsbemessungsgrenze) auf EUR 39.682,80 brutto (45,3 % der Beitragsbemessungsgrenze) abgesenkt. Verfügt die betroffene Fachkraft über einen deutschen Hochschulabschluss, soll zudem auch die kleine Blaue Karte EU ohne Zustimmung der Agentur für Arbeit erteilt werden können.

Gänzlich neu ist die kleine Blaue Karte EU für Berufsanfänger: Einer Fachkraft soll in Zukunft – unabhängig von ihrer Berufsgruppe – bei Erreichen der kleinen Beitragsbemessungsgrenze (45,3 %) die kleine Blaue Karte EU erteilt werden können, wenn sie ihren Hochschulabschluss nicht mehr als drei Jahre vor Antragsstellung erworben hat.

Neu ist zudem die Möglichkeit der Blauen Karte EU für eine Fachkraft, die ein tertiäres Bildungsprogramm (Fachhochschulen, Berufsakademien, etc.) abgeschlossen hat, das einem Hochschulabschluss gleichwertig ist, mindestens drei Jahre Ausbildungszeit erfordert und in Deutschland mindestens der Stufe 6 der Internationalen Standardklassifikation im Bildungswesen (ISCED 2011) oder Stufe 6 des Europäischen Qualifikationsrahmens zugeordnet ist. Für die Erteilung einer Blauen Karte EU soll somit nicht mehr zwingend eine Ausbildung an einer Universität erforderlich sein.  

Um dem in Deutschland insbesondere im IT-Bereich bestehenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken, sieht der Referentenentwurf darüber hinaus eine Ausnahme vom Fachkräfteerfordernis für IT-Spezialisten mit mindestens dreijähriger einschlägiger Berufserfahrung vor. Diese sollen auch ohne einen Hochschulabschluss eine Blaue Karte EU erhalten, sofern sie über Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, deren Niveau mit einem Hochschulabschluss vergleichbar sind.  

Um Fachkräfte auch langfristig in Deutschland zu halten, sollen für Inhaber der Blauen Karte EU zudem der Arbeitgeberwechsel vereinfacht und Regelungen zur Ausübung von kurz- und langfristiger Mobilität innerhalb der EU geschaffen werden. Zudem sieht der Referentenentwurf vor, dass die Beschäftigung in Deutschland, für die die Blaue Karte EU erteilt werden soll, nur noch einen Mindestdauer von sechs Monaten betragen muss. Bisher war eine Mindestdauer des Arbeitsverhältnisses von einem Jahr (ungeschriebene) Voraussetzung.

Neben den Änderungen bei der Blauen Karte EU sieht der Referentenentwurf weitere Erleichterungen vor:

Die Beschäftigung von Studierenden wird erleichtert, indem ein Arbeitstagekonto eingeführt und die Höchstbeschäftigungszeit auf 140 Arbeitstage im Jahr aufgestockt wird. Die Einsatzmöglichkeiten von ausländischen Werksstudierenden können hierdurch flexibler gestaltet werden. Zudem sollen ausländische Auszubildende und Studierende noch vor Abschluss ihrer Ausbildung bzw. ihres Studiums eine Aufenthaltserlaubnis für die Ausübung einer qualifizierten Beschäftigung erhalten, wenn sie die Voraussetzungen hierfür bereits erfüllen. Mit diesem Entfall der bisher bestehenden Zweckwechselverbote wird die Durchlässigkeit zwischen Aufenthalten zu Bildungs- und Erwerbszwecken gesteigert.

Neu eingeführt werden soll zudem eine neue Aufenthaltserlaubnis für vorqualifizierte Drittstaatsangehörige, die über eine im Herkunftsstaat staatlich anerkannte Berufsqualifikation, die eine mindestens zweijährige Ausbildungsdauer voraussetzt, bzw. einen Hochschulabschluss verfügen. Diese sollen – anders als bisher – das Verfahren zur Anerkennung der im Ausland erworbenen Berufsqualifikation in Deutschland beginnen und bereits während des Anerkennungsverfahrens eine qualifizierte Beschäftigung in Deutschland ausüben können. Voraussetzung hierfür soll das Vorliegen eines konkreten Arbeitsplatzangebotes und die Selbstverpflichtung des Arbeitgebers sein, ggf. erforderliche Nachqualifizierungsmaßnahmen im Rahmen des Arbeitsverhältnisses zu ermöglichen.

Um den deutschen Arbeitsmarkt weiter für ausländische Fachkräfte zu öffnen, soll zudem für Personen mit einem ausländischen, mindestens zweijährigen Berufsabschluss bzw. einem Hochschulabschluss eine so genannte „Chancenkarte“ zur Arbeitsplatzsuche auf Basis eines Punktesystems eingeführt werden. Punkte werden dabei für Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Alter und Deutschlandbezug vergeben. Die Chancenkarte soll sowohl zur Probearbeit von bis zu zwei Wochen, aber auch zur Nebenbeschäftigung bis zu zwanzig Stunden die Woche berechtigen.

Diese Regelungen sollen zudem durch Verfahrensänderungen, die auf die Beschleunigung von Visaerteilungen abzielen, flankiert werden.

Ausblick

Mit diesen Gesetzesänderungen soll die Fachkräfteeinwanderung weiter ausgebaut und Deutschland als Einwanderungsland attraktiver werden. Die „Schwächen“ des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes aus dem Jahr 2020, die u.a. in langen Antrags- sowie Visaverfahren liegen, sollen mit Hilfe der neuen Regelungen abgebaut werden. Es bleibt zu hoffen, dass diese begrüßenswerten Vereinfachungen umgesetzt und so in der Praxis gelebt werden, um auch eine kurzfristige Personalplanung zu ermöglichen. Der Abbau von Verfahrenshürden würde insoweit zu einer nicht unerheblichen Arbeitserleichterung bei den – in der Regel unterbesetzten – Antragsbehörden führen und im Ergebnis eine Beschleunigung des gesamten Verfahrens bedeuten. Damit wäre allen Beteiligten bestmöglich geholfen.