Klassiker des Vertragshändlerrechts weiterhin aktuell
Für das Recht der Vertragshändler erfolgten im Jahr 2023 durch die obergerichtliche Rechtsprechung wichtige Klarstellungen. Die Entscheidungen haben hohe Relevanz für die Vertragsgestaltung von Händlerverträgen, geben aber auch wichtige Hinweise für die Beendigung von Vertragshändler- sowie Servicepartnerverträgen.
Festlegung von Grundrabatten und Boni „außerhalb“ des Händlervertrages zulässig
Im Jahr 2021 sorgte das Urteil des LG Frankfurt a. M. vom 16.12.2021 – 2-03 O 410/20 für Aufsehen, wonach das vertraglich vereinbarte Recht des Herstellers, die Grundrabatte (Margen) einseitig in jeweils für ein Jahr gültigen Rundschreiben festzusetzen, als kartellrechtswidrig einzustufen sei. Eine entsprechend große Resonanz erfuhr nunmehr das Berufungsurteil (OLG Frankfurt, Urt. v. 14.2.2023 – 11 U 9/22 (Kart)), das die Entscheidung der Vorinstanz aufhob und gegenteilig feststellte, dass die Festlegung von Grundrabatten und Boni außerhalb eines Vertragshändlervertrages sowie deren regelmäßige Änderung zulässig ist. Insbesondere stelle ein Vorbehalt der einseitigen Festsetzung durch den Hersteller keine unbillige Benachteiligung des Vertragshändlers dar. Unter konsequenter Anwendung der insoweit einschlägigen höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung gibt das OLG Frankfurt damit mehr Sicherheit bei der zukünftigen Vertragsgestaltung – insbesondere bei der Ausgestaltung des Margen- und Boni-Systems durch den Prinzipal. Die Entscheidung ist indes noch nicht rechtskräftig.
Änderungskündigung: Nebeneinander von Alt- und Neuverträgen zulässig
In einem weiteren Verfahren war das OLG Frankfurt (Urt. v. 13.6.2023 – 11 U 14/23 (Kart)) ebenfalls mit Konditionen im Vertragshändlerverhältnis befasst – diesmal allerdings vor dem Hintergrund einer Änderungskündigung. In dem Verfahren sprach der Importeur gegenüber seinen Vertragshändlern eine Änderungskündigung aus, wobei das neue Vertragsangebot im Gegensatz zum gekündigten „alten“ Händlervertrag eine neue Konditionenstruktur enthielt; die Annahmefrist der neuen Händlerverträge betrug für die Vertragshändler 2 ½ Monate. Für den Fall, dass der jeweilige Händler das neue Vertragsangebot akzeptierte, sollte der neue Händlervertrag den alten Händlervertrag noch während der Laufzeit der Kündigungsfrist des alten Händlervertrages ablösen. Der Senat stellte fest, dass dem beklagten Importeur kein Kartellverstoß und keine Treupflichtverletzung vorgeworfen werden kann: Zum einen habe der Importeur durch die Befristung zur Annahme des neuen Händlervertrages keinen unzulässigen Druck auf die Vertragshändler ausgeübt. Zum anderen stelle es keinen Kartellverstoß und keine Pflichtverletzung seitens des Importeurs dar, wenn es bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist der Altverträge zu einem Nebeneinander der Alt- und der Neuverträge im Vertriebssystem des Prinzipals kommt. Die Entscheidung des OLG Frankfurt gibt insoweit wichtige Anhaltspunkte für die wirksame Einführung neuer Vertragshändlerverträge im bestehenden Händlernetz.
Kündigung Servicepartnervertrag
Mit einer Strukturkündigung setzte sich das OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.9.2023 – Vl-6 U 7/22 (Kart) – nicht veröffentlicht – auseinander. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt wurden durch den Importeur zunächst der Vertriebshändlervertrag und sodann der Servicepartnervertrag ordentlich gekündigt. Die Kündigung des Servicepartnervertrages begründete der Importeur mit der Notwendigkeit der Anpassung von Größe und Struktur des Servicepartnernetzes, um dessen Zukunftssicherheit zu gewährleisten. Dem klagenden Händler wurden keine neuen Verträge angeboten, sodass dieser seit Ablauf der Kündigungsfristen als freie Werkstatt tätig ist. Der Händler berief sich unter anderem auf eine unternehmensbedingte Abhängigkeit und sah sich durch den Wegfall des Servicepartnervertrages unangemessen benachteiligt. Das OLG Düsseldorf bestätigte indes die Vorinstanz, wonach der Kläger weder einen Anspruch auf Fortführung des alten noch einen Anspruch auf Abschluss eines neuen Servicepartnervertrages habe. Der Kläger könne auch ohne Servicepartnervertrag sämtliche Arbeiten an Fahrzeugen der streitgegenständlichen Marke wirtschaftlich sinnvoll erbringen. Dabei stellt das OLG Düsseldorf in seiner Entscheidung heraus, dass eine aus eigenem Entschluss vorgenommene Spezialisierung auf einen Hersteller nicht ohne das Hinzutreten weiterer Umstände eine unternehmensbedingte Abhängigkeit begründen könne. Im Ergebnis lehnte das OLG Düsseldorf unter Würdigung des konkreten Sachverhaltes sowie der individuellen Möglichkeiten des ehemaligen Servicepartners, auf andere Marken auszuweichen, eine unternehmensbedingte Abhängigkeit ab.
Es zeigt sich, dass klassische Themenfelder wie die Beendigung von Vertragshändler- und Servicepartnerverträgen sowie die Frage nach der Ausgestaltung von Margen- und Boni-Systemen die obergerichtliche Rechtsprechung im Jahr 2023 geprägt haben. Auch wenn Hersteller und Importeure bereits seit geraumer Zeit neue Vertriebsmodelle implementieren, bleibt das Vertragshändlerrecht weiterhin aktuell, sodass diesbezügliche Entwicklungen in der Rechtsprechung zu beobachten bleiben.
Dieser Artikel ist Teil des "Update Commercial 2024". Alle Beiträge und den gesamten Report als PDF finden Sie hier.