Keine FDI-Freigabe: Übernahme von Siltronic durch GLOBALWAFERS scheitert
GlobalWafers Co Ltd, ein taiwanesisches Unternehmen, und die in München ansässige SILTRONIC AG sind weltweit führende Unternehmen in der Herstellung von Siliziumwafern. Wafer sind ein wichtiges Vorprodukt für Halbleiterchips, eine Branche, die bekanntlich bereits seit 2020 unter Produktionsengpässen leidet. Als Gründe werden u. a. die COVID-19-Pandemie sowie die zunehmenden wirtschaftlichen Spannungen zwischen China und den USA genannt. Ende 2020, noch in der Anfangsphase der Krise, unterbreitete GlobalWafers den Aktionären der Siltronic ein freiwilliges öffentliches Übernahmeangebot und beantragte am 10. Dezember 2020 eine Unbedenklichkeitsbescheinigung gemäß § 58 Abs. 1 Außenwirtschaftsverordnung (AWV).
Die Auswirkungen der weltweiten Chip-Knappheit hat die Bedeutung von Wafern für den Automobilsektor und Produkte wie etwa Videospielkonsolen, Mobiltelefone, Grafikkarten zunehmend offenkundig werden lassen. Infolgedessen wurde im Rahmen umfassender Gesetzesänderungen des Außenwirtschaftsgesetzes (siehe unsere News-Meldungen hier und hier) die Kontrolle ausländischer Direktinvestitionen („FDI“) mit Wirkung vom 1. Mai 2021 in Bezug auf Halbleiterhersteller und andere, damit zusammenhängende Geschäftsbereiche erheblich erweitert. Obwohl dies keine unmittelbaren rechtlichen Auswirkungen auf den Fall Siltronic hatte, ist das politische und rechtliche Umfeld, in dem der Fall von der deutschen Regierung bewertet wurde, eindeutig strenger geworden.
GlobalWafers und Siltronic sollen verschiedene Abhilfemaßnahmen angeboten haben, darunter die Veräußerung sicherheitsrelevanter Vermögenswerte, die Möglichkeit, den Vertrag unter bestimmten Bedingungen zu kündigen, und/oder die Gewährung einer „Goldenen Aktie“ für die deutsche Regierung (d. h. die rechtliche Möglichkeit Deutschlands, andere Aktionäre unter bestimmten Umständen zu überstimmen). Hintergrund ist, dass schwerwiegende Bedenken im Zusammenhang mit der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit in Deutschland häufig in so genannten „öffentlich-rechtlichen Verträgen“ behandelt werden; im Hinblick auf den Siltronic-Deal hat das Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (das „Ministerium“) vor dem 31.Januar 2022 jedoch keinen solchen Vertrag geschlossen. Stattdessen erklärte es nur in aller Kürze, dass bis zum Ende dieses Zeitraums „nicht alle erforderlichen Prüfungsschritte im Rahmen der Investitionsprüfung abgeschlossen werden konnten“.
In diesem Zusammenhang ist von Relevanz, dass das Ministerium nicht nach eigenem Ermessen über den Zeitrahmen, in dem eine Entscheidung getroffen werden muss, disponieren kann. Stattdessen sind die Grenzen gesetzlich vorgegeben: Nach einem ersten Untersuchungsverfahren von zwei und einer vertieften Prüfung von vier Monaten kann das Ministerium die Frist um maximal vier Monate verlängern, wenn bestimmte Umstände erfüllt sind. Nach Ablauf des gesamten Untersuchungszeitraums gilt die Unbedenklichkeitsbescheinigung schlicht als erteilt – genau das hat GlobalWafers im Dezember 2021 vorgetragen. Als gehemmt sind die Fristen jedoch zu betrachten, wenn Vertragsverhandlungen geführt werden oder das Ministerium (nachvollziehbarerweise) zusätzliche Informationen anfordert – so argumentierte die Bundesregierung, insbesondere aufgrund eines Auskunftsersuchens vom 10. Dezember 2021, nachdem die vorangegangenen Verhandlungen abgebrochen worden waren. Dieses Ersuchen bezog sich auf den Genehmigungsbescheid mit Abhilfemaßnahmen der chinesischen Staatlichen Verwaltung für Marktregulierung, der erst am 26. Januar 2022 vorgelegt werden konnte: dies hätte den Lauf der Frist potentiell wieder in Gang setzen können, in jedem Fall aber kam das Long-Stop-Datum zu früh. Die ganz heiße Phase hatte begonnen. GlobalWafers beantragte eine einstweilige Verfügung zwecks Feststellung, dass die Unbedenklichkeitsbescheinigung als erteilt gilt. Doch am 27. Januar 2022 und am 31. Januar 2022 entschieden das Verwaltungsgericht Berlin und das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zugunsten der Bundesregierung (VG 4 L 111/22; OVG 1 S 10/22). Damit erwies sich die am 10. Dezember 2020 beantragte Unbedenklichkeitsbescheinigung als das einzige noch fehlende Puzzleteil für den Abschluss der Transaktion.
Es bleibt unklar, ob die Übernahme genehmigt worden wäre – man muss wohl Zweifel daran hegen. Allein die Dauer sowie die Führung des Verfahrens, soweit bekannt, deuten darauf hin, dass die Bundesregierung in Bezug auf die Transaktion durchaus gravierende Bedenken identifiziert hat.
Siltronic ist nicht der erste Deal, der gescheitert ist (vgl. z. B. Aixton, KUKA, 50Hertz, Leifeld Metal Spinning, IMST). In der Tat ist der weltweite Trend zu einer strengeren Prüfung ausländischer Direktinvestitionen offensichtlich (siehe unsere News-Meldung hier). Ausländische Investoren in Deutschland und in anderen Ländern sind daher gut beraten, die Anwendbarkeit der immer umfangreicheren nationalen FDI-Regelungen, den Zeitpunkt und nicht zuletzt die Kosten sorgfältig zu prüfen. Eine FDI-Risikobewertung sollte in einem angemessen frühen Stadium des Prozesses vorgenommen werden. Während gescheiterte Transaktionen natürlich die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich ziehen, sollte dies nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass die weitaus meisten Transaktionen, selbst offensichtlich kritische, nach unserer Erfahrung zu einem zufriedenstellenden Abschluss gebracht werden können.