Im Windschatten der Covid-19-Pandemie: Einführung eines strafbewehrten Vollzugsverbots in das deutsche Investitionskontrollregime
Das deutsche Investitionskontrollregime wird derzeit umgebaut, und zwar planmäßig und außerplanmäßig: AWG und AWV werden derzeit planmäßig an die Vorgaben der 2019 verabschiedeten und von den Mitgliedstaaten bis Oktober diesen Jahres umzusetzende EU-Screening-Verordnung angepasst und anlässlich dieser Anpassung verschärft. In diesem Zusammenhang werden zudem außerplanmäßig weitere Änderungen als Reaktion auf die Covid-19-Pandemie eingeführt. Hierzu zählen wir auch die erstmalige Einführung des strafbewehrten Vollzugsverbots, das Eingang in den heute (08. April 2020) im Kabinett beschlossenen Gesetzentwurf gefunden hat (dazu sogleich).
Die in Deutschland vorgesehenen Maßnahmen passen in das gegenwärtige Bild weltweit verschärfter Investitionskontrollen: Wie bereits berichtet, hat u.a. auch die EU-Kommission die Mitgliedsstaaten eindringlich aufgefordert, die bestehenden Investitionsregime zu überprüfen, ggf. anzupassen und in der Umsetzung alle verfügbaren Möglichkeiten auszuschöpfen, um Beteiligungen ausländischer Investoren an europäischen Unternehmen vor allem in systemrelevanten Bereichen genau zu prüfen (wir berichteten ausführlich).
Was die Rechtsänderungen in Deutschland betrifft, liegt bereits seit Januar diesen Jahres ein Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) für ein Erstes Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes vor. Hauptanliegen der angestrebten Gesetzesnovelle ist zum einen eine Herabsetzung des erforderlichen Gefährdungsgrades für Investitionsbeschränkungen. Der Referentenentwurf sieht vor, dass statt der bisher erforderlichen tatsächlichen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, die hinreichend schwer sein und ein Grundinteresse der Gesellschaft berühren muss, nun eine voraussichtliche Beeinträchtigung genügt. Zum anderen visiert das BMWi eine Neuinterpretation des Begriffs der öffentlichen Ordnung und Sicherheit an. Über die schon bisher bekannten Aspekte der Sicherheit, der öffentlichen Versorgung und der kritischen Infrastrukturen hinausgehend sollen zukünftig die kritischen Technologien wie künstliche Intelligenz, Robotik, Halbleiter, Cybersicherheit, Luft- und Raumfahrt, Verteidigung, Energiespeicherung, Quanten- und Nukleartechnologien, sowie Nano- und Biotechnologien stärker in den Fokus rücken (wir berichteten ausführlich).
Am 02.04.2020 legte die Bundesregierung sodann einen Gesetzesentwurf der Bundesregierung für das geplante Erste Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes vor, der im Vergleich zum Referentenentwurf eine weitere Verschärfung der Kontrolle von Investitionen vorsieht (hier abrufbar). Der Gesetzesentwurf ist zwecks Beschleunigung des parlamentarischen Verfahrens am 21.04.2020 inhaltsgleich auch als Gesetzesentwurf aus der Mitte des Bundestages durch die Regierungsfraktionen eingebracht worden (hier abrufbar). Am 23.04.2020 erfolgte die erste Lesung im Bundestag. Geplant ist eine Verabschiedung noch im Juni oder Juli diesen Jahres. Neu vorgesehen ist nunmehr insbesondere ein umfassendes Vollzugsverbot für meldepflichtige Transaktionen. Die Vollzugsbeschränkung soll ferner strafbewehrt sein. Die vorgesehene Strafandrohung ist empfindlich: Vorgesehen ist eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe. Aus unserer Sicht ist fraglich, ob diese Strafandrohung verhältnismäßig ist – Verstöße gegen entsprechende Vollzugsverbote im Kartellrecht werden aus unserer Sicht effektiv mithilfe einer Bußgeldandrohung verhindert.
Die Bundesregierung begründet die Neuregelung mit der Gefahr, dass ohne paralleles Vollzugsverbot bis zum Abschluss des Prüfverfahrens vom Erwerber genau die Maßnahmen bereits vorgenommen und durchgeführt werden können, deren sicherheitsrelevante Wirkungen durch die Meldepflicht und – daran anknüpfend – eine eventuelle künftige Untersagung oder Anordnung verhindert werden sollen. Als Beispiel wird der Zugriff auf sicherheitsrelevante Technologien genannt.
In Kürze soll eine Veröffentlichung der in der AWV ebenfalls vorgesehenen Änderungen folgen, diese wird insbesondere eine weitere, Covid-19-bedingte Ausdehnung der Meldepflichten im Gesundheitsbereich beinhalten. Ob und welche weiteren temporären Maßnahmen hinsichtlich des angesichts der Covid-19 Pandemie befürchteten Ausverkaufs europäischer Unternehmen folgen, ist derzeit wohl offen. Eine Einführung von Golden Shares in Deutschland gilt jedenfalls als ausgeschlossen. Über den weiteren Verlauf der Änderungen des Investitionskontrollregimes halten wir Sie auf dem Laufenden.