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Handels­vertreter­verträge vor Gericht: Aktuelle Entscheidungen und ihre Auswirkungen

04.03.2024

Urteil des EuGH v. 13.10.2022 – C-64/21 zum Ausschluss von Folgeprovisionen

Der EuGH hat bestätigt, dass Art. 7 Ib der Handelsvertreterrichtlinie es dem Prinzipal nicht verbietet, den Anspruch seiner Handelsvertreter auf Zahlung von Folgeprovisionen auszuschließen. Unter einer Folgeprovision versteht man eine Provision für ein Geschäft, das während des Vertragsverhältnisses mit einem Dritten abgeschlossen wird, den der Handelsvertreter bereits vorher für Geschäfte gleicher Art als Kunden geworben hat. Der EuGH wies zwar einerseits darauf hin, dass die Handelsvertreterrichtlinie dem Schutz des Handelsvertreters dienen soll. Diesem Schutzzweck stehe der Ausschluss von Folgeprovisionen aber nicht entgegen. Wären Folgeprovisionen zwingend geschuldet, könne nicht ausgeschlossen werden, dass Unternehmer die Kosten für Folgeprovisionen dadurch ausgleichen, dass sie den Satz der Basisprovision für vom Handelsvertreter selbst vermittelte Geschäfte herabsetzen, zuvor erstattete Aufwendungen oder andere Vergütungsbestandteile beschränken bzw. ausschließen oder davon absehen, überhaupt mit einem Handelsvertreter ein Vertragsverhältnis zu begründen. Damit bestätigt der EuGH die in Deutschland weit verbreitete Auffassung.

Urteil des BGH v. 19.1.2023 – VII ZR 787/21 zum Kündigungserschwernis

Der BGH hat seine bisherige Rechtsprechung in Bezug auf unzulässige Kündigungserschwernisse von Handelsvertreterverträgen gem. § 89a Abs. 1 S. 2 HGB dahingehend konkretisiert, dass die Frage, ob die an die Vertragsbeendigung geknüpften Nachteile von solchem Gewicht sind, dass eine unwirksame Kündigungserschwernis im Sinne des § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB vorliegt, stets nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls anhand einer wirtschaftlichen Betrachtung zu beurteilen ist. Der BGH erteilte damit einer schablonenartigen Beurteilung nach Fallgruppen, wie es die Rechtsprechung bisher gehandhabt hat, faktisch eine Absage und stellte weiter klar, dass der Grad der Verknüpfung etwaiger Nachteile mit dem Recht zur außerordentlichen Kündigung nicht entscheidend ist. Daher können auch solche mittelbaren Nachteile, die sich als bloßer „ Reflex der Kündigung“ darstellen, nicht von vornherein der Prüfung am Maßstab des § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB entzogen werden und im Einzelfall ein unzulässiges Kündigungserschwernis darstellen. Nach dem BGH sei anhand einer wirtschaftlichen Betrachtung unabhängig von der vertraglichen Ausgestaltung zu ermitteln, ob eine das Kündigungsrecht des Handelsvertreters beeinträchtigende Abrede nach § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB vorliegt. Im konkreten Fall führte dies dazu, dass der Prinzipal ein dem Handelsvertreter gewährtes Darlehen gar nicht mehr – auch nicht über den Umweg des Bereicherungsrechts – zurückfordern konnte.

Urteil des OLG Hamm v. 14.11.2022 – 18 U 191/ 21 zum Vorliegen eines Handelsvertretervertrages

Das OLG Hamm hat sich mit der Frage befasst, ob ein Vertriebsvertrag, der zwar das „ wie“ der Vertriebstätigkeit, nicht aber das „ob“ der Vertriebstätigkeit regelt, als Handelsvertretervertrag im Sinne der §§ 84ff. HGB eingeordnet werden kann. Konkret ging es um die Frage, ob der klagende Vertriebspartner Handelsvertreter im Sinne des § 84 HGB war und daher ein Buchauszugsrecht nach § 87c Abs. 2 HGB geltend machen kann. Das OLG Hamm stellte fest, dass der Kläger auf Grundlage des streitgegenständlichen Vertriebsvertrags nicht verpflichtet war, sich um die Vermittlung von Geschäften zu bemühen. Daher sei der Kläger nicht im Sinne des § 84 HGB ständig mit der Vermittlung betraut und daher kein Handelsvertreter. Dafür reiche es nicht aus, wenn ein Vertriebspartner lediglich immer wieder Geschäfte vermittelt. Erforderlich sei vielmehr eine vertragliche Verpflichtung, sich um den Absatz zu bemühen. In der Folge konnte der Kläger auch keinen Buchauszug nach § 87c Abs. 2 HGB verlangen.

Urteil des OLG Köln v. 9.12.2022 – 19 U 21/22 zum Begriff der erforderlichen Unterlage

Das OLG Köln hat sich mit der Auslegung des Begriffs der „ Unterlage“ im Sinne des § 86a HGB befasst. Nach dieser Vorschrift hat der Prinzipal dem Handelsvertreter alle für dessen Vermittlungstätigkeit erforderlichen Unterlagen kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Das OLG Köln entschied nun, dass auch frei erhältliche Standardsoftware eine „Unterlage“ im Sinne des § 86a HGB darstellen kann, wenn der Handelsvertreter aufgrund der vertraglichen Abrede zwingend auf diese Software angewiesen ist, weil es ihm ohne diese Software unmöglich ist, Geschäfte für den Prinzipal zu vermitteln. Dies galt im vom OLG Köln zu entscheidenden Fall unter anderem deshalb, weil der Prinzipal seinen Handelsvertretern die Verwendung anderer Software untersagt hatte.

Urteil des LAG Rheinland-Pfalz v. 27.6.2023 – 6 Sa 237/22 zur Provisionspflicht

Das LAG Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass eine Provisionsabrede in allgemeinen Geschäftsbedingungen, die für den Fall, dass mehrere Handelsvertreter für einen Geschäftsabschluss mitursächlich sind, demjenigen Handelsvertreter den Provisionsanspruch zuspricht, der den Auftrag in das System des Prinzipals eingebucht hat, wirksam vereinbart werden kann. Zwar ist nach § 87 Abs. 1 S. 1 HGB grundsätzlich jede Mitursächlichkeit ausreichend, um die Provisionspflicht auszulösen. Das LAG stellte aber fest, dass eine von § 87 Abs. 1 S. 1 HGB abweichende Regelung, die den Provisionsanspruch in Fällen regelt, in denen mehrere Handelsvertreter an der Herbeiführung des Geschäfts beteiligt sind, zulässig ist, weil so der Gefahr einer doppelten Provisionspflicht vorgebeugt werden kann. Damit schloss sich das LAG der wohl herrschenden Meinung in der Literatur an.

 

Dieser Artikel ist Teil des "Update Commercial 2024". Alle Beiträge und den gesamten Report als PDF finden Sie hier.