EU will Subventionen aus Drittstaaten kontrollieren
Unternehmen müssen sich auf umfassende neue regulatorische Anforderungen einstellen
In der EU gibt es seit längerem Bedenken, dass Subventionen von Drittstaaten zugunsten von in der EU tätigen Unternehmen („Drittstaatsubventionen“) die Chancengleichheit im Binnenmarkt beeinträchtigen. Hintergrund ist, dass Investitionen von Unternehmen aus Drittstaaten (einschließlich drittstaatlich kontrollierter Unternehmen) in der EU in den vergangenen Jahren rapide angestiegen sind. Diese Unternehmen können hinsichtlich der staatlichen Unterstützungen möglicherweise von Vorteilen profitieren, die die Mitgliedstaaten der EU „ihren Unternehmen“ in Folge strengerer Vorgaben des EU-Beihilferechts nicht zukommen lassen können. Drittstaatsubventionen können gleichzeitig mit den bestehenden Instrumenten des Beihilfe-, Fusionskontroll-, Vergabe- und Außenhandelsrechts der EU aus Sicht der Europäischen Kommission („Kommission“) nicht angemessen kontrolliert werden.
Im Mai 2021 veröffentlichte die Kommission daher einen Vorschlag für eine Verordnung, auf deren Grundlage solche Drittstaatsubventionen kontrolliert werden sollen („Vorschlag“) (siehe unseren Beitrag dazu hier). Ziel des Vorschlags ist es demnach, zwischen allen im Binnenmarkt der EU tätigen Unternehmen Chancengleichheit (ein sogenanntes level playing field) herzustellen.
Stand der Entwicklungen – Was unmittelbar bevorsteht
Der Vorschlag der Kommission wurde nach seiner Veröffentlichung im Europäischen Parlament und im Rat der Europäischen Union („Rat“) diskutiert. Anfang Mai 2022 haben beide Organe ihre Position für die anstehenden Verhandlungen im Rahmen des Trilogverfahrens mit der Kommission verabschiedet. Sowohl das Europäische Parlament als auch der Rat unterstützen den Vorschlag der Verordnung. Im Wesentlichen wurde nur Abstimmungs- und Verhandlungsbedarf zu spezifischen Aspekten (wie z. B. den anwendbaren Umsatzschwellen für eine Notifizierungspflicht für eine Drittstaatssubvention und auch den anwendbaren Fristen) angemeldet.
Am 30. Juni 2022 hat der Rat der EU nun eine vorläufige politische Einigung mit dem Europäischen Parlament öffentlich gemacht. Demnach wurden insbesondere die von der Kommission vorgeschlagenen Schwellenwerte einhellig übernommen. Die Frist für die rückwirkende Überprüfungsmöglichkeit von Drittstaatsubventionen soll nun aber fünf Jahre betragen. Die Kommission hatte noch zehn Jahre vorgesehen.
Die erzielte vorläufige Einigung muss jetzt noch vom Rat und vom Europäischen Parlament förmlich gebilligt werden. Sofern die förmliche Verabschiedung der Verordnung noch in diesem Jahr erfolgt, könnte die Verordnung also bereits in den nächsten Monaten in Kraft treten.
Was sind die Eckpunkte des Entwurfs?
Der bestehende Verordnungsentwurf sieht drei Instrumente zur Überprüfung der Vereinbarkeit von Drittstaatssubventionen mit dem Binnenmarkt vor:
- Ein notifizierungsbasiertes Untersuchungsinstrument für Transaktionen – Zusammenschlüsse und Gründungen von Gemeinschaftsunternehmen sollen zukünftig auch auf einen möglichen Einfluss von Drittstaatstaatsubventionen überprüft werden können. Dazu sollen in der EU ansässige Unternehmen verpflichtet werden, derartige Transaktionen unter folgenden Voraussetzungen bei der Kommission zu notifizieren:
1) Die beteiligten Unternehmen überschreiten eine Umsatzschwelle von EUR 500 Mio.; und
2) Die Unternehmen haben gemeinsam in den drei vorangegangenen Jahren mehr als EUR 50 Mio. an finanziellen Zuwendungen von Drittstaaten erhalten.
- Ein notifizierungsbasiertes Untersuchungsinstrument für Angebote bei großen öffentlichen Aufträgen
- Ein allgemeines Untersuchungsinstrument – Auch in anderen Konstellationen, in denen keine Pflicht zur Notifizierung besteht, soll die Kommission in Zukunft von Amts wegen untersuchen können, ob möglicherweise verzerrende Drittstaatssubventionen vorliegen. Informationen dazu sollen aus jeglicher Quelle kommen können, sodass insbesondere Beschwerden von Wettbewerbern ein zentrales Mittel werden dürften.
Sowohl bei einer Notifizierung als auch einer Untersuchung von Amts wegen soll die Kommission nach dem Verordnungsentwurf dann untersuchen, inwiefern die betreffenden Drittstaatssubventionen den Wettbewerb auf dem Binnenmarkt verzerren. Dabei kann sie Subventionen prüfen, die bis zu fünf Jahre vor Inkrafttreten der Verordnung gewährt wurden und nach ihrem Inkrafttreten Verzerrungen im Binnenmarkt verursachen. Hierfür stattet der Verordnungsentwurf die Kommission mit weitreichenden und bußgeldbewährten Untersuchungs- (darunter Auskunftsersuchen und sogar Nachprüfungen bei den betroffenen Unternehmen) und Auflagenbefugnissen aus.
Am Ende eines möglichen vertieften Prüfverfahrens soll die Kommission eine Entscheidung über die Vereinbarkeit der Drittstaatssubvention mit dem Binnenmarkt treffen, die unter anderem die Untersagung einer geplanten Transaktion oder auch Auflagen beinhalten kann.
Die Missachtung der Vorgaben der Verordnung kann dabei schwer wiegen. Halten sich Unternehmen etwa nicht an Auflagen, drohen den Unternehmen Bußgelder in Höhe von bis zu 10 % ihres weltweiten Jahresumsatzes. Wird eine Verzerrung des Binnenmarkts festgestellt, kann dies bis hin zum Verbot bzw. zur Anordnung der Rückabwicklung einer vollzogenen Transaktion führen.
Ausblick
Die geplante Verordnung müsste für alle in der EU tätigen Unternehmen von größerem Interesse sein. Insbesondere jene Unternehmen, die in irgendeiner Form möglicherweise drittstaatliche Unterstützung erhalten, sollten sich dringend und zwingend mit dem Verordnungsentwurf und den damit verbundenen regulatorischen Anforderungen befassen. Eine maßgebliche Aufgabe für Unternehmen dürfte es bereits jetzt sein, Informationen über erhaltene finanzielle Zuwendungen von staatlichen Stellen in Katalogen oder Datenbanken zentral erreichbar zu machen. Darüber hinaus sollten sich auch Unternehmen mit dem Vorschlag vertraut machen, um die Verordnung als Tool gegen möglicherweise durch Drittstaatssubventionen bevorteilte Wettbewerber zu nutzen. Denn die Kommission wird bei der Durchsetzung der geplanten Verordnung auf Hinweise aus der Wirtschaft angewiesen sein.
Die geplante Verordnung wird zudem erhebliche Auswirkung auf Transaktionen und das Transaktionsmanagement haben. Denn neben möglichen Anmeldungen zur Fusions- und Investitionskontrolle sowie ggf. nach dem Beihilferecht müssen zukünftig auch Kapazitäten und vor allem auch Zeit für eine gegebenenfalls notwendige Notifizierung von Drittstaatssubventionen eingeplant werden. Der Koordinierungsaufwand dürfte nicht unerheblich ausfallen.
Vor dem Hintergrund des voranschreitenden Gesetzgebungsprozesses müssen sich Unternehmen nun sehr schnell darauf einstellen. Mit dem nunmehr erzielten politischen Kompromiss hat die EU deutlich gemacht, dass die Kontrolle von Drittstaatssubventionen nicht mehr lange auf sich warten lassen wird. Die Kommission will diese Kontrolle im Übrigen auch konsequent durchsetzen – sie hat verlautbaren lassen, dass für die Durchsetzung der Verordnung mehr Personal eingeplant ist als für die Anwendung des öffentlichkeitswirksamen Digital Markets Act.