News

Die virtuelle Hauptversammlung bleibt

14.02.2022

Das Format der virtuellen Hauptversammlung soll dauerhaft gesetzlich normiert und als gleichwertige Alternative zur Präsenzhauptversammlung für Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Europäische Aktiengesellschaften (Societas Europaea, SE) etabliert werden. Das Bundesministerium der Justiz hat hierfür am 9. Februar 2022 einen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften veröffentlicht. Im Folgenden geben wir Ihnen einen Überblick über die wesentlichen Regelungen mit einer ersten Einordnung für die Praxis.

Ziele der Gesetzgebung

Mit Beginn der Covid-19-Pandemie hatte der Gesetzgeber durch § 1 Abs. 2 des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie vom 27. März 2020 (BGBl. I S. 569, 570; zuletzt geändert durch Art. 15 des Gesetzes vom 10. September 2021 (BGBl. I S. 4147)) (“COVID-19-G“), notgedrungen erstmals die Möglichkeit eröffnet, Hauptversammlungen als rein virtuelle Hauptversammlungen ohne physische Präsenz der Aktionäre am Versammlungsort abzuhalten. Diese pandemiebedingte Sonderregelung schränkt allerdings die Ausübung bestimmter Aktionärsrechte im Vergleich zur bislang im Aktiengesetz festgeschriebenen Präsenz- oder Hybridversammlung ein. Sie wird daher mit Ablauf des 31. August 2022 außer Kraft treten. Siehe hierzu „Corona-Krise als rechtliche Herausforderung für die Hauptversammlung 2020-2022“. 

Aufgrund der überwiegend positiven Praxiserfahrungen während der Covid-19-Pandemie soll die virtuelle Hauptversammlung nun gleichwohl zu einem dauerhaften Format – neben der Präsenz- und der Hybridversammlung – weiterentwickelt werden:

  • Das Niveau der Aktionärsrechte bei einer virtuellen Hauptversammlung soll dabei dem der Präsenzversammlung vergleichbar sein. In der virtuellen Hauptversammlung soll daher über alle Gegenstände Beschluss gefasst werden können, die auch Gegenstand einer Präsenzversammlung sein können, v.a. auch über bedeutende Struktur- und Kapitalmaßnahmen sowie Maßnahmen nach dem Umwandlungsgesetz.
  • Die Ausübung von Aktionärsrechten soll für einige Rechte vollständig, für andere Rechte zumindest teilweise in das Vorfeld der Hauptversammlung verlagert werden, da die Informations- und Entscheidungsprozesse einschließlich der Stimmabgabe, insbesondere bei institutionellen Investoren, zunehmend vor der Hauptversammlung stattfinden. Damit soll die Attraktivität der Hauptversammlung für (institutionelle) Anleger, die nicht in Präsenz teilnehmen können, erhöht werden. Zugleich soll der Verlauf der Hauptversammlung selbst dadurch entzerrt werden.

  • Den möglichen Risiken der Digitalisierung für die Gesellschaften soll durch Anpassungen des Anfechtungsrechts Rechnung getragen werden. Eine direkte (und technisch besonders anfällige) Zwei-Wege-Kommunikation ist allerdings nur für Reden (nicht: Fragen) von Aktionären vorgesehen.

  • Die neuen Regelungen gelten sowohl für börsennotierte als auch für nicht-börsennotierte Aktiengesellschaften.

Weiterentwicklungen im Überblick und Vergleich

Weiterentwicklungen im Überblick und Vergleich

Virtuelle Hauptversammlung
gemäß §1Abs. 2 COVID-19-G

Virtuelle Hauptversammlung
gemäß §118a AktG-E

Entscheidungskompetenz

    • Ermessensentscheidung des Vorstands mit Zustimmung des Aufsichtsrats
    • Hauptversammlung: Satzungsregelung oder Satzungsermächtigung zugunsten des Vorstands für max. 5 Jahre
    • Übergangsvorschrift für Hauptversammlungen bis 31.8.2023: Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats

Physische Anwesenheit vor Ort

    • Obligatorisch: Vorstand, Versammlungsleiter, Notar
    • Aufsichtsrat vor Ort oder im Wege der Ton- und Bildübertragung
    • Optional: Stimmrechtsvertreter der Gesellschaft
    • Abschlussprüfer (bei Feststellung des Jahresabschlusses durch die HV)
    • Obligatorisch: Vorstand, Versammlungsleiter, Notar
    • Aufsichtsrat vor Ort oder im Wege der Ton- und Bildübertragung
    • Optional: Stimmrechtsvertreter der Gesellschaft
    • Abschlussprüfer (bei Feststellung des Jahresabschlusses durch die HV)

Elektronische Teilnahme der Aktionäre

    • Nicht obligatorisch
    •  Nicht obligatorisch

Stimmrechtsausübung

    • Im Wege elektronischer Kommunikation: elektronische Teilnahme oder elektronische Briefwahl
    • Vollmachtserteilung
    • Im Wege elektronischer Kommunikation: elektronische Teilnahme oder elektronische Briefwahl
    • Vollmachtserteilung

Gegenanträge und Wahlvorschläge

    • (Zugänglich zu machende) Gegenanträge und Wahlvorschläge vor der Hauptversammlung gelten als „in“ der Hauptversammlung gestellt
    • Ohne elektronische Teilnahme kein Antragsrecht während der Hauptversammlung
    • Gegenanträge und Wahlvorschläge gelten ab dem Zeitpunkt der Zugänglichmachung als gestellt
    • Ab dem Zeitpunkt der Zugänglichmachung muss eine Stimmabgabe zu dem Antrag ermöglicht werden
    • Antragsrecht in der Hauptversammlung besteht grds. nicht, kann von Gesellschaft aber in der Einladung zugelassen werden

Tagesordnungsergänzungs-verlangen

    • Mangels ausdrücklicher Regelung analoge Behandlung wie Gegenantragsrecht in der Praxis
    • Bislang keine ausdrückliche Regelung
    • Ggf. Fiktionswirkung bekannt gemachter Ergänzungsverlangen (analog Gegenantragsrecht)

Verfahrensanträge

(„Anträge, die keine Gegenanträge sind“)

    • Ohne elektronische Teilnahme kein Antragsrecht während der Hauptversammlung
    • Antragsrecht während der Hauptversammlung obligatorisch, selbst wenn kein allgemeines elektronisches Teilnahmerecht eingeräumt wird

Auskunftsrecht

    • Einreichung von Fragen bis spätestens einen Tag vor der Hauptversammlung
    • Kein Nachfragerecht
    • Keine Pflicht zur Veröffentlichung der Aktionärsfragen
    • Einreichung von Fragen bis spätestens vier Tage vor der Hauptversammlung
    • Nachfragerecht bei sachlichen Zusammenhang
    • Pflicht zur Vorabveröffentlichung der Aktionärsfragen

Bericht des Vorstands

    • (Vorab-)Veröffentlichung freiwillig
    • Vorabveröffentlichung des Berichts oder dessen wesentlichen Inhalts obligatorisch spätestens sechs Tage vor der Hauptversammlung

Stellungnahmen von Aktionären und Rederecht

    • Nur auf freiwilliger Basis
    • Möglichkeit zur Einreichung von Stellungnahmen im Wege der elektronischen Kommunikation
    • Redemöglichkeit in der Hauptversammlung in Form der Zwei-Wege-Direktverbindung und unter vorheriger Anmeldung vier Tage vor der Hauptversammlung

Teilnehmerverzeichnis

    • Teilnehmer der Hauptversammlung, bei verdeckter Stellvertretung nur der Stimmrechtsvertreter der Gesellschaft
    • Nicht: Aktionäre, die Ton- und Bildübertragung der HV verfolgen und (elektronische) Briefwähler
    • Teilnehmer der Hauptversammlung
    • Alle zugeschalteten Aktionäre und Aktionärsvertreter

Widerspruchsrecht

    • Im Wege elektronischer Kommunikation (Aktionärsportal, E-Mail)
    • Weitere Voraussetzung: Ausübung des Stimmrechts
    • Im Wege elektronischer Kommunikation (Aktionärsportal, E-Mail)
    • Ausübung des Stimmrechts keine Voraussetzung mehr

 

Satzungsregelung erforderlich (Opt-In)

Die Entscheidung für die virtuelle Hauptversammlung wird künftig in die Hände der Aktionäre gelegt. Damit ist zugleich klargestellt, dass die Präsenzversammlung weiterhin die gesetzliche Grundform der Hauptversammlung bleibt und die virtuelle Hauptversammlung – neben der Hybrid-Form – eine weitere Option darstellt. Ohne ausdrückliche Regelung in der Satzung bleibt der Gesellschaft das rein virtuelle Format künftig verschlossen.

  • Eine Ausnahme besteht nur für Hauptversammlungen, die bis einschließlich 31. August 2023 einberufen werden. In diesem Übergangszeitraum kann der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats nochmals ohne Satzungsgrundlage entscheiden, die Hauptversammlung als virtuelle Versammlung nach Maßgabe der neuen gesetzlichen Vorgaben durchzuführen. Damit haben die Gesellschaften im Regelfall noch Zeit, in ihrer ordentlichen Hauptversammlung 2023 die notwendige Satzungsänderung zu beschließen, ohne nach dem Wegfall der pandemiebedingten Sonderregelung zwischenzeitlich zu einer Präsenzversammlung zurückkehren zu müssen. Anderes kann sich für Gesellschaften ergeben, die in diesem Jahr nach dem 31. August 2022 noch eine (außerordentliche) Hauptversammlung planen, wenn das neue Gesetz zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Kraft getreten ist.

  • Für die Gestaltung der Satzungsgrundlage bestehen zwei Möglichkeiten: Entweder bestimmt die Satzung unmittelbar, dass die Versammlung in jedem Fall als virtuelle Hauptversammlung abgehalten wird oder sie ermächtigt den Vorstand dazu, diese Entscheidung im Einzelfall zu treffen (§ 118 Abs. 1 Satz 1 AktG-E).

  • In beiden Fällen ist die Satzungsbestimmung bzw. -ermächtigung auf maximal fünf Jahre zu befristen und spätestens dann wieder zu erneuern (§ 118a Abs. 3 bis 5 AktG-E). Sollte die Anfechtbarkeit dieses Satzungsänderungsbeschlusses im weiteren Gesetzgebungsverfahren aufrechterhalten bleiben, werden Gesellschaften überlegen müssen, eine Erneuerung vorsorglich nicht erst im letzten Jahr des Ermächtigungszeitraums auf die Agenda zu nehmen. 

Wesentliche Voraussetzungen der virtuellen Hauptversammlung

Die Aktionärsrechte sind bei einer virtuellen Hauptversammlung wie folgt zu gewährleisten (§ 118a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis Nr. 8 AktG-E):

  1. Bild- und Tonübertragung der gesamten Versammlung: Aktionäre müssen die Versammlung vollständig verfolgen können, wobei die Verwendung von Livestreams über die Internetseite bzw. ein Aktionärsportal oder Videokonferenzdienste zulässig sind.

  2. Stimmrechtsausübung im Wege elektronischer Kommunikation (elektronische Teilnahme oder elektronische Briefwahl) sowie Vollmachtserteilung: Die schriftliche Briefwahl kann zusätzlich ermöglicht werden, wird aber wohl mit fortschreitender Digitalisierung und aufgrund der damit verbundenen Zusatzkosten künftig die Ausnahme darstellen.

  3. Eingeschränkte Antragstellung in der Versammlung: Aktionäre müssen in der virtuellen Hauptversammlung (nur) „Anträge, die keine Gegenanträge nach § 126 AktG sind,“ im Wege elektronischer Kommunikation stellen können. Für die Antragstellung müssen die Aktionäre allerdings nicht zwingend live per Videokommunikation zugeschaltet werden. Es kann dafür auch ein Textfeld im Aktionärsportal oder eine E-Mail an die Gesellschaft vorgesehen werden. In der Sache sind davon im Wesentlichen Verfahrensanträge, wie etwa Anträge auf Abwahl des Versammlungsleiters oder Anträge zur Geschäftsordnung betroffen. Anträge auf Absetzung oder Vertagung eines Tagesordnungspunkts werden ganz überwiegend als Gegenanträge eingeordnet und sind danach nicht erfasst. Ob insoweit auch Anträge auf die Bestellung eines Sonderprüfers in der Versammlung möglich sein müssen oder grundsätzlich wie Gegenanträge nur noch im Vorfeld gestellt werden können, ist unklar und sollte im weiteren Gesetzgebungsverfahren klargestellt werden (siehe hierzu auch unten „Vorverlagerung von Gegenanträgen und Wahlvorschlägen“).

  4. Einräumung eines Auskunftsrechts nach § 131 AktG im Wege elektronischer Kommunikation.

  5. Vorabveröffentlichung des Vorstandsberichts oder seines wesentlichen Inhalts bis spätestens am siebten Tag vor der Versammlung. Mit dem Bericht des Vorstands ist die Vorstandsrede gemeint, die insbesondere die Erläuterung der Vorlagen gemäß § 176 Abs. 1 Satz 2 AktG enthält. Bei börsennotierten Gesellschaften hat das Zugänglichmachen über die Internetseite der Gesellschaft zur erfolgen. Während die Vorabveröffentlichung der Rede des Vorstands bei vielen börsennotierten Gesellschaften schon Best Practice ist, wird diese Regelung für kleinere nicht-börsennotierte Gesellschaften die bisherige Übung verändern.

  6. Aktionäre erhalten das Recht, vor der Hauptversammlung Stellungnahmen im Wege elektronischer Kommunikation einzureichen, die dann allen anderen Aktionären zugänglich zu machen sind.

  7. Aktionären muss eine Redemöglichkeit in der Versammlung im Wege der Videokommunikation eingeräumt werden.

  8. Es besteht die Möglichkeit zum Widerspruch gegen einen Beschluss der Hauptversammlung im Wege elektronischer Kommunikation während der Hauptversammlung. Für die technische Umsetzung wird nach geübter Praxis die Bereitstellung eines Textfeldes oder eines „Widerspruchs-Buttons“ im Aktionärsportal oder eine spezielle E-Mail-Adresse empfohlen.

Anwesenheit vor Ort und elektronische Teilnahme 

Auch bei der virtuellen Hauptversammlung sollen die Aktionäre die Mitglieder der Verwaltung grundsätzlich auf einem Podium wahrnehmen können. Sowohl die Mitglieder des Vorstands als auch die Mitglieder des Aufsichtsrats haben daher die Pflicht zur physischen Teilnahme am Ort der Versammlung (§ 118 Abs. 2 AktG-E). Gleiches gilt für den Versammlungsleiter und den Notar (§ 130 Abs. 1a AktG-E). Auch der Abschlussprüfer hat physisch vor Ort teilzunehmen – dies allerdings nur, wenn die Hauptversammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses bzw. die Billigung des Konzernabschlusses zu beschließen hat, mithin im Regelfall nur bei der KGaA (§ 286 Abs. 1 Satz 1 AktG).

Für die Mitglieder des Aufsichtsrats kann die Satzung jedoch bei der virtuellen Hauptversammlung bestimmte Fälle vorsehen, in denen diese im Wege der Bild- und Tonübertragung teilnehmen dürfen (§ 118 Abs. 3 Satz 2 AktG). Voraussetzung ist dafür aber eine beidseitige Übertragung (Zwei-Wege-Direktverbindung), die es dem Aufsichtsratsmitglied erlaubt, das Geschehen am Versammlungsort verfolgen und sich durch Wortbeiträge zu beteiligen. Da der RefE die Bedeutung der Wahrnehmbarkeit der Verwaltung für die Aktionäre auch im virtuellen Format betont, erscheint denkbar, dass die in Bild und Ton zugeschalteten Mitglieder des Aufsichtsrats in diesem Fall ebenso für die Aktionäre wahrnehmbar sein müssen wie die Personen auf dem Podium, mithin dass sie in das Bild der Liveübertragung (permanent) eingebunden werden müssen. Insofern wäre wünschenswert, dass die Gesetzesbegründung eine entsprechende Klarstellung aufnimmt und dies verneint, da die Rolle jedenfalls der einfachen Mitglieder des Aufsichtsrats in der Hauptversammlung ohnehin eine regelmäßig passive ist.

Für Stimmrechtsvertreter der Gesellschaft soll die Anwesenheit am Versammlungsort möglich sein (§ 118a Abs. 2 Satz 2 AktG-E). Nicht ganz klar wird aus dieser Regelung, ob damit die Stimmrechtsvertreter der Gesellschaft die von ihnen vertretenen Stimmen – im Unterschied zur bisher üblichen Praxis – künftig auch ohne Anwesenheit vor Ort abgeben können oder in dieser „Kann“-Regelung sich nur der Umstand widerspiegeln soll, dass die Benennung von Stimmrechtsvertretern ein freiwilliger Service der Gesellschaft und keine Pflicht ist.

Eine elektronische Teilnahme der Aktionäre (§ 118 Abs. 1 Satz 2 AktG) in Form einer Zwei-Wege-Direktverbindung in Echtzeit während der gesamten Versammlung ist weiterhin keine zwingende Voraussetzung der virtuellen Hauptversammlung. Obligatorisch ist die Zwei-Wege-Direktverbindung vielmehr nur für die Redemöglichkeit der Aktionäre einzuräumen. Den Gesellschaften bleibt es aber unbenommen, eine solche elektronische Teilnahme vorzusehen oder die Wahrnehmung weiterer (über die Redemöglichkeit) hinausgehender Rechte im Wege der elektronischen Zwei-Wege-Kommunikation zu ermöglichen. 

Vorverlagerung von Gegenanträgen und Wahlvorschlägen

Gegenanträge zu Beschlussvorschlägen der Verwaltung sowie Wahlvorschläge von Aktionären müssen bei einer Präsenzversammlung in der Hauptversammlung selbst gestellt werden. Dies gilt selbst dann, wenn die Anträge bereits mindestens 14 Tage vor der Hauptversammlung übersandt und von der Gesellschaft zugänglich gemacht wurden (§ 126 AktG). 

In einer virtuellen Hauptversammlung ist den Aktionären die Antragstellung ohne elektronisches Teilnahmerecht während der Hauptversammlung nicht möglich. Aus diesem Grund gelten im Vorfeld der Hauptversammlung eingereichte und von der Gesellschaft gemäß § 126 AktG zugänglich zu machende Gegenanträge und Wahlvorschläge als im Zeitpunkt der Zugänglichmachung gestellt (§ 126 Abs. 4 AktG-E). Diese gesetzliche „Fiktionslösung“ unterscheidet sich in zweierlei Hinsicht auch von der aktuell geltenden Regelung für virtuelle Hauptversammlungen in § 1 Abs. 2 Satz 3 COVID-19-G, die einen solchen Antrag als „in der Hauptversammlung“ gestellt fingiert – und dies nur unter der weiteren Voraussetzung, dass der Antragsteller ordnungsgemäß legitimiert und zur Hauptversammlung angemeldet ist.

  • Künftig muss die Gesellschaft zwingend bereits ab dem Zeitpunkt des Zugänglichmachens zugleich auch eine Stimmabgabe zu dem betreffenden Gegenantrag bzw. Wahlvorschlag ermöglichen. Nach der Begründung des RefE müssen die Gegenanträge dann (jedenfalls) in das elektronische Abstimmungssystem im Aktionärsportal eingebunden werden. Dies entspricht allerdings bereits der bislang geübten Praxis vieler Gesellschaften, die vorsorglich für etwaige Gegenanträge und Wahlvorschläge im Bedarfsfall belegbare Abstimmungsfelder auf Stimm- und Vollmachtsformularen sowie im Aktionärsportal bereithalten.

  • Mit der gesetzlichen Fiktion der Antragstellung bereits im Zeitpunkt des Zugänglichmachens und nicht erst „in der Hauptversammlung“ scheint eine Abstimmung über den Antrag zwingend durchzuführen und es dem Antragsteller bis zur Hauptversammlung nicht mehr möglich zu sein, seinen Antrag zurückzunehmen. Hinzu kommt, dass eine Abstimmung über den Antrag wohl selbst dann erfolgen soll, wenn sich der Antragsteller zur Hauptversammlung nicht angemeldet hat oder sich nicht mehr legitimieren konnte. Insoweit erscheint die bisherige Regelung in § 1 Abs. 2 Satz 3 COVID-19-G vorzugswürdig und sollte deshalb Pate für eine nochmalige Überarbeitung der Vorschrift im weiteren Gesetzgebungsverfahren stehen, um nicht das Antragsrecht künftig vollständig von der Teilnahme bzw. Zuschaltung des Antragstellers zur virtuellen Hauptversammlung zu entkoppeln. Für eine Abkehr von diesem Grundsatz, der für die Präsenzversammlung unverändert fortgilt (vgl. § 126 Abs. 2 Nr. 6 AktG), besteht keine Notwendigkeit.

In der virtuellen Hauptversammlung selbst sind dagegen spontane Gegenanträge nicht mehr möglich, es sei denn die Gesellschaft gestattet dies ausdrücklich in der Einberufung. Danach werden die Gesellschaften künftig sorgfältig abwägen müssen, wie sie mit dieser Wahlmöglichkeit im Einzelfall umgehen:

  • Die Zulassung spontaner Gegenanträge während der Hauptversammlung birgt einerseits das Risiko unvorhersehbarer Unwägbarkeiten für den Verlauf der Hauptversammlung. Sie erhält andererseits allerdings die Flexibilität, etwa um auf Sachverhaltsentwicklungen in den 14 Tagen vor der Hauptversammlung reagieren zu können, wenn diese eine inhaltliche Anpassung des vorab bekanntgemachten Verwaltungsvorschlags und/oder Gegenantrag erforderlich machen. Aufgrund der Unsicherheiten über die Voraussetzungen, unter denen einen in der Einberufung bekannt gemachter Beschlussvorschlag der Verwaltung in der Hauptversammlung in geänderter Form zur Abstimmung gestellt werden kann, behilft sich die Praxis in diesen Fällen häufig damit, dass inhaltlich angepasste Beschlussvorschläge durch einen Aktionär über einen Gegenantrag in die Versammlung eingebracht werden. Auch bei Aufsichtsratswahlen ist denkbar, dass sich erst kurz vor oder in der Hauptversammlung abzeichnet, dass ein vorgeschlagenes Aufsichtsratsmitglied nicht die notwendige Mehrheit erhält. Auch in diesem Fall kann in der Hauptversammlung nur dann kurzfristig eine neue Person zur Wahl vorgeschlagen werden, wenn die Gesellschaft dies in der Einberufung zuvor gestattet hat.

  • Die Entscheidung über die Zulassung von spontanen Gegenanträgen in der Versammlung wird in bestimmten Fällen auch davon abhängen, ob dieser Gestattungsvorbehalt der Gesellschaft auch für Anträge auf die Bestellung eines Sonderprüfers gilt. Einerseits handelt es sich bei diesen um keine „echten“ Gegenanträge, die einem Verwaltungsvorschlag inhaltlich widersprechen, sondern um sachlich ergänzende Anträge, die unter bestimmten Voraussetzungen auch bekanntmachungsfrei zu einem Tagesordnungspunkt (z.B. Vorlage des Jahresabschlusses oder Entlastung von Vorstand oder Aufsichtsrat) gestellt werden können. Dies spricht dafür, dass sie formal den „Anträgen, die keine Gegenanträge nach § 126 AktG sind,“ zuzuordnen sind, die Aktionäre in der virtuellen Hauptversammlung in jedem Fall noch stellen können sollen (§ 118 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG-E). Das verfolgte Ziel, die Versammlung im Hinblick auf Antragstellungen in der Versammlung zu entzerren und es insbesondere auch Aktionären, die ihr Stimmrecht häufig bereits im Vorfeld der Hauptversammlung ausüben, zu ermöglichen dies zu tun, spricht indes eindeutig dafür, auch die Sonderprüfungsanträge grundsätzlich in das Vorfeld der Hauptversammlung zu verlagern – auch um zu verhindern, dass sich bei Spontananträgen in der Versammlung „Minderheiten in Mehrheiten verwandeln“, weil ein Großteil der Aktionäre hierzu nicht mehr abstimmen kann. Insofern sollte die Behandlung von Sonderprüfungsanträgen im weiteren Gesetzgebungsverfahren für die Praxis rechtssicher klargestellt werden.

  • Zulässig erscheint jedenfalls, dass die Gesellschaften auch einen Mittelweg einnehmen können, indem sie Gegenanträge in der Einberufung nur zu ausgewählten Tagesordnungspunkten gestatten.

Auskunfts- und Nachfragerecht der Aktionäre

Auch das Auskunftsrecht der Aktionäre wird neu ausgerichtet, vornehmlich mit dem Ziel, die Hauptversammlung zu entzerren und die Qualität der Fragenbeantwortung zu erhöhen. 

  • Der Vorstand kann vorgeben, dass die Aktionäre ihre Fragen bis spätestens vier Tage vor der Hauptversammlung im Wege der elektronischen Kommunikation (Aktionärsportal, E-Mail) einzureichen haben (§ 131 Abs. 1a AktG-E). Aus Sicht der Praxis ist sehr zu begrüßen, dass im Vergleich zur virtuellen Hauptversammlung nach dem COVID-19-G diese Frist von einem auf vier Tage vor dem Hauptversammlungstag verlängert. Dadurch erhalten die Gesellschaften notwendige Zeit, um eine hohe Qualität der Beantwortung zu erreichen.

  • Der Vorstand kann den Umfang der Einreichung von Fragen beschränken und die Berechtigung zur Frageneinreichung davon abhängig machen, dass sich die Aktionäre ordnungsgemäß zur Hauptversammlung angemeldet haben (§ 131 Abs. 1b AktG-E). Der Vorstand erhält hiermit im Vorfeld das Gleiche Mittel wie der Versammlungsleiter in der Versammlung, um einen angemessenen Zeitrahmen der Versammlung zu gewährleisten. Die Festlegung einer Höchstzahl von Fragen pro Aktionär sowie eine Zeichenbeschränkung sind danach zulässig. 

  • Neu ist auch, dass die Gesellschaft fristgerecht eingereichte Fragen vor der Versammlung allen Aktionären zugänglich machen muss, bei börsennotierten Gesellschaften über die Internetseite der Gesellschaft (§ 131 Abs. 1c AktG-E). Nach der Begründung des RefE müssen die Fragen hierzu nicht fortlaufend unverzüglich nach Eingang bei der Gesellschaft veröffentlicht werden, sondern es reicht, wenn sie nach Ablauf der Frist gesammelt auf der Internetseite zur Verfügung gestellt werden. Es sollte im weiteren Gesetzgebungsverfahren gleichwohl ergänzt werden, dass jedenfalls Fragen nicht zugänglich gemacht werden müssen, wenn sie in wesentlichen Punkten offensichtlich falsche bzw. irreführende Angaben oder Beleidigungen enthalten, der Vorstand sich durch das Zugänglichmachen strafbar machen würde (analog § 126 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 3 AktG und entsprechend einer solchen Regelung für die Veröffentlichung von Stellungnahmen nach § 130a Abs. 3 Satz 3 AktG-E).

  • Entscheidet sich der Vorstand dafür, das Auskunftsrecht auf das Vorfeld der Hauptversammlung zu verlagern, so steht den Aktionären „in“ der Hauptversammlung kein Auskunftsrecht mehr zu, sondern nur noch das Recht zur Nachfrage.

  • Das von großen börsennotierten Gesellschaften teilweise in dieser und der vergangenen Hauptversammlungssaison bereits freiwillig eingeräumte Nachfragerecht der Aktionäre in der Hauptversammlung wird insofern Gesetz (§ 131 Abs. 1d AktG-E). Im Anschluss an die Beantwortung der vorab eingereichten Aktionärsfragen ist den Aktionären ein Nachfragerecht zu den in der Versammlung gegebenen Antworten des Vorstands (wohl auch des Aufsichtsrats) einzuräumen. Diese Nachfragen haben im Wege der elektronischen Kommunikation zu erfolgen. Der RefE betont dabei ausdrücklich, dass die Nachfragen nicht in Form einer Video-Livezuschaltung erfolgen müssen. Sie können auch durch ein (erneut freigeschaltetes) Textfeld im Aktionärsportal oder etwa per E-Mail zugelassen werden. Das Nachfragerecht wird außerdem dadurch eingeschränkt, dass ein sachlicher Zusammenhang zu der Vorfrage und ihrer Beantwortung durch den Vorstand bestehen muss. In diesem Punkt werden sich für Verwaltung und Back-Office voraussichtlich schwierige Abgrenzungsfragen ergeben, denen die Begründung des RefE insoweit vorgreift, als dieser Sachzusammenhang im Zweifel anzunehmen sei. Bemerkenswert ist zudem, dass die Nachfrage allen Aktionären und nicht nur dem Aktionär zusteht, der die eigentliche Vorfrage dazu gestellt hat.

    Der Versammlungsleiter kann auf der Grundlage einer Satzungsermächtigung das Nachfragerecht des Aktionärs zeitlich angemessen beschränken und Näheres dazu bestimmen (§ 131 Abs. 2 Satz 2 AktG). Er kann insbesondere den Zeitraum, in dem Nachfragen gestellt werden können, begrenzen oder die Anzahl der zulässigen Nachfragen pro Aktionär festlegen. Der RefE nimmt die Anregung A.4 des DCGK ausdrücklich in Bezug, wonach sich der Versammlungsleiter für ordentliche Hauptversammlungen an einer Versammlungsdauer von vier bis sechs Stunden orientieren sollte.

Einreichung von Stellungnahmen und Redemöglichkeit 

Um die Interaktion zwischen Aktionären und der Verwaltung an das Format der Präsenzversammlung anzunähern und zugleich den Informationsprozess in Teilen auf das Vorfeld der Hauptversammlung zu verlagern, sollen Aktionäre künftig die Möglichkeit erhalten, vor der Hauptversammlung Stellungnahmen einzureichen und in der Hauptversammlung zu reden (§ 130a AktG-E). Damit soll auch für die virtuelle Hauptversammlung eine Debattenkultur etabliert und der Eindruck vermieden werden, dass der Ablauf einer virtuellen Hauptversammlung nur noch einem Manuskript der Verwaltung folgt. In der bisherigen Praxis der virtuellen Hauptversammlungen wurden diese Möglichkeiten, maßgeblich auch wegen des damit verbundenen technischen Aufwands, nur sehr vereinzelt und bei großen börsennotierten Gesellschaften freiwillig erprobt.

Einreichung von Stellungnahmen

  • Die Gesellschaft hat es zu ermöglichen, dass die Aktionäre vor der virtuellen Hauptversammlung Stellungnahmen zu den Gegenständen der Tagesordnung im Wege elektronischer Kommunikation einreichen können.

  • Welchen Weg der elektronischen Kommunikation (z.B. Textform per E-Mail oder Videobotschaft) die Gesellschaft hierfür eröffnet, steht im Ermessen des Vorstands. Auch der Umfang der Stellungnahme kann angemessen beschränkt werden, etwa durch eine maximal zulässige Zeichenzahl oder eines Zeitlimits für Videobotschaften.

  • Die Stellungnahmen sind bis spätestens 4 Tage vor der Hauptversammlung einzureichen.

  • Eingereichte Stellungnahmen sind von der Gesellschaft allen Aktionären zugänglich zu machen, bei börsennotierten Gesellschaften über die Internetseite der Gesellschaft. Eine Stellungnahme muss nicht zugänglich gemacht werden, wenn sich der Vorstand dadurch strafbar machen würde, die Stellungnahme offensichtlich falsch, irreführend oder beleidigend ist oder der Aktionär zu erkennen gibt, dass er an der virtuellen Hauptversammlung nicht teilnehmen und sich nicht vertreten lassen wird.

  • Stellungnahmen müssen nach der Begründung des RefE nur in der Sprache und Form zugänglich gemacht werden, in der sie eingereicht wurden, d.h. nicht in deutscher Sprache verfasste Redebeiträge müssten von der Gesellschaft für die Veröffentlichung nicht übersetzt werden. Aus organisatorischer Sicht ist dies nachvollziehbar, da die Gesellschaften ansonsten 4 Tage vor der Hauptversammlung Übersetzungskapazitäten vorhalten müssten und eine rechtzeitige Veröffentlichung vor der Hauptversammlung ggf. nochmals durch Übersetzungsarbeiten erheblich verzögert würde. Andererseits ist es mit Blick auf die Gleichbehandlung der Aktionäre (§ 53a AktG) bedenklich, wenn Stellungnahmen in einer Fremdsprache veröffentlicht würden, die nur ein Teil der Aktionäre versteht. Die Verhandlungssprache der Hauptversammlung ist grundsätzlich deutsch, weshalb in der Praxis Redebeiträge etwa in englischer Sprache regelmäßig nur zugelassen werden, wenn eine (jedenfalls zusammenfassende) Übersetzung möglich ist. Andererseits ist der Anteil ausländischer Aktionäre in deutschen Aktiengesellschaften stark gestiegen. Insofern könnte sich im weiteren Gesetzgebungsverfahren eine Regelung bzw. Klarstellung anbieten, die es den Gesellschaften einerseits erlaubt, die Sprache der Stellungnahmen vorzugeben, und andererseits jedenfalls börsennotierte Gesellschaften mit einem typischerweise internationalen Aktionärskreis dazu anhält, englischsprachige Stellungnahmen zu akzeptieren und jedenfalls in Textform für die Veröffentlichung zu übersetzen.

Redemöglichkeit der Aktionäre

  • In der Hauptversammlung müssen die Aktionäre die Möglichkeit erhalten, per Video im Wege einer Zwei-Wege-Direktverbindung live zu der Verwaltung und den zugeschalteten Aktionären zu sprechen. Eine Chat-Funktion im Aktionärsportal ist daher nicht ausreichend. Die Gesellschaft kann sich in der Einberufung allerdings die Überprüfung der Funktionsfähigkeit der Videokommunikation vorbehalten. Funktioniert die Videokommunikation nicht oder erscheint der Aktionär nicht zu dem technischen Prüfungstermin, so kann die Zulassung des Redebeitrags versagt werden. In diesem Fall könnte der Aktionär seinen Redebeitrag ggf. in Textform noch als Stellungnahme abgeben.

  • Die Gesellschaft kann in der Einberufung einen angemessenen Gesamtzeitraum für die Redebeiträge aller Aktionäre und eine angemessene Gesamtzahl möglicher Redebeiträge festgelegen. Über die Reihenfolge der Redebeiträge entscheidet der Versammlungsleiter. Der Versammlungsleiter kann – wie in der Präsenzversammlung – den festgelegten Gesamtzeitraum auf Grundlage einer entsprechenden Satzungsermächtigung allerdings weiter angemessen verkürzen oder die Redezeit weiter angemessen begrenzen. Für die Umsetzung in der Praxis wird sich jedenfalls in der Anfangsphase die besondere Herausforderung stellen, den angemessenen Umfang und Zeitrahmen für Redebeiträge vorab in der Einberufung festzulegen. Denn während der Versammlungsleiter beschränkende Leitungsmaßnahmen auf eine fortgeschrittene Zeit(-dauer) der Hauptversammlung in Gesamtschau der adressierten Fragen und Nachfragen sowie der Redebeiträge stützen kann, lässt sich zum Zeitpunkt der Einberufung vorab schwerlich einschätzen, wieviel Zeit neben der Fragenbeantwortung für Redebeiträge der Aktionäre bleibt. Eine denkbare Option könnte insoweit etwa sein, den angemessenen Rahmen für die Redebeiträge in der Einberufung zu staffeln und jeweils von einer bestimmten Anzahl eingereichter Aktionärsfragen abhängig zu machen (d.h. Reduzierung des Anteils der Redebeiträge mit zunehmender Zahl der Aktionärsfragen).

  • Die Redemöglichkeit in der Hauptversammlung besteht nur, wenn die Aktionäre spätestens vier Tage vor der Hauptversammlung ihren Redebeitrag angemeldet haben. Diese Anmeldung des Redebeitrags erfolgt grundsätzlich separat von der Anmeldung zur Hauptversammlung und ersetzt diese nicht. Sie kann vielmehr auf ordnungsgemäß angemeldete Aktionäre beschränkt werden.

  • Wenn die Anzahl der angemeldeten Redebeiträge die Anzahl der von der Gesellschaft zugelassenen Redebeiträge überschreitet, entscheidet die zeitliche Reihenfolge des Eingangs der Anmeldung über die Zulassung des Redebeitrags. Die übrigen angemeldeten Redebeiträge müssen nicht zugelassen werden. Insoweit wäre es indes zu begrüßen, wenn für die Auswahl der Redebeiträge auch das von dem Redner vertretene Grundkapital als weiteres Kriterium anerkannt würde. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sich in der Praxis ein Wettlauf um die Anmeldung von Redebeiträgen entwickelt, der dazu führen könnte, dass wesentlich beteiligte Aktionäre und Aktionärsvereinigungen mit der Anmeldung ihrer Redebeiträge zu spät kommen. Die Gesellschaften wären dann faktisch gezwungen, auch Redebeiträge zuzulassen, die die Anzahl der von ihnen zugelassenen Zahl überschreiten. Die Verantwortung, die Redebeiträge sodann insgesamt wieder auf ein angemessenes Maß zu reduzieren, würde in diesem Fall nur auf den Versammlungsleiter in der Hauptversammlung verlagert. 

  • Die eröffnete Videokommunikation muss auf den Redebeitrag beschränkt bleiben. Aktionäre dürfen daher über diese Live-Zuschaltung im Rahmen ihres Redebeitrags keine Fragen und Nachfragen, keine Verfahrensanträge und – sofern von der Gesellschaft überhaupt in der Hauptversammlung gestattet – keine Gegenanträge und Wahlvorschläge stellen bzw. unterbreiten.

Eingeschränkte Anfechtung wegen technischer Störungen

Die Gesellschaften sollen davor geschützt werden, dass sie sich im Fall der Entscheidung für eine virtuelle Hauptversammlung gesteigerten Anfechtungsrisiken mit Blick auf die dabei zu verwendende Technik ausgesetzt sehen. Eine Anfechtung der Hauptversammlungsbeschlüsse soll daher grundsätzlich nicht auf die durch eine technische Störung zurückzuführende Verletzung von Aktionärsrechten stützen lassen, es sei denn, der Gesellschaft ist insoweit Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen (§ 243 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 AktG-E). 

Fazit

Der RefE ist vor dem Hintergrund der positiven Erfahrungen mit dem Format der virtuellen Hauptversammlung während der COVID-19-Pandemie aus Sicht der Praxis zu begrüßen. Er setzt für das virtuelle Format im Wesentlichen den weiterentwickelten Rechtsrahmen, der nach den Diskussionen in Wissenschaft und Praxis zuletzt zu erwarten war. An einzelnen Stellen besteht im weiteren Gesetzgebungsverfahren gleichwohl noch Raum für Verbesserung und Klarstellung.

Konzeptionell wäre es zudem zu begrüßen, wenn der Gesetzgeber noch einen Schritt weiter geht und die vorgesehene Verlagerung wesentlicher Informations- und Entscheidungsprozesse einschließlich der damit verbundenen Aktionärsrechte in das Vorfeld der Hauptversammlung in gleicher Weise auch für die Präsenz- und Hybridversammlung normiert. Mit Blick auf die damit voraussichtlich einhergehende Steigerung der Attraktivität für institutionelle Investoren sowie der Qualität der Aktionärsinformation steht ansonsten (erst recht) zu erwarten, dass das virtuelle Format die Präsenzversammlung als neue Grundform der Hauptversammlung ablösen wird und letztere allein aus diesem Grund ins Hintertreffen gerät.