Die neue Wertpapierinstituts-Vergütungsverordnung tritt in Kraft
Die Wertpapierinstituts-Vergütungsverordnung (WpIVergV) ist am 11.01.2024 im Bundesgesetzblatt (BGBl. 2024 I Nr. 5) verkündet worden und am 12.01.2024 in Kraft getreten. Nachdem die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) am 04.05.2021 einen ersten Entwurf und am 19.10.2022 eine aktualisierte Version zur Konsultation gestellt hatte, ist dieses in § 46 Abs. 3 des Wertpapierinstitutsgesetzes (WpIG) vorgesehene Regelungswerk nunmehr nach erneuter Überarbeitung in der finalen Fassung veröffentlicht worden.
Die Anforderungen an Vergütungssysteme von Wertpapierinstituten werden in § 46 Abs. 1 WpIG nur rudimentär geregelt. Da die für andere Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute geltende Institutsvergütungsverordnung (IVV) für Wertpapierinstitute nicht anwendbar ist, kommt der Konkretisierung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Vergütungsgestaltung für die Praxis erhebliche Bedeutung zu.
Mit diesem Beitrag stellen wir die wichtigsten Regelungen der WpIVergV vor und geben Hinweise zur praktischen Umsetzung.
Anwendungsbereich
Die WpIVergV gilt grundsätzlich nur für die Vergütung von Risikoträgern Mittlerer Wertpapierinstitute im Sinne von § 2 Abs. 17 WpIG. Über die gruppenweiten Regelungen zur Vergütung können die Vorgaben der WpIVergV allerdings auch auf übergeordnete Unternehmen im Sinne des § 2 Abs. 12 WpIVergV ausstrahlen (§§ 1 Abs. 2, § 18 WpIVergV); dies gilt auch dann, wenn das übergeordnete Unternehmen kein Mittleres Wertpapierinstitut ist (§ 1 Abs. 3 Satz 2 WpIVergV).
Kleine Wertpapierinstitute im Sinne von § 2 Abs. 16 WpIG, für die auch die generellen WpIG-Vorgaben zur Vergütungsregulierung in § 46 Abs. 1 WpIG nicht gelten, haben bei der Ausgestaltung ihrer Vergütungssysteme weiterhin nur die direkt anwendbaren (allgemein gehaltenen) Vorgaben des EU-Rechts zu beachten, mithin Art. 27 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565. Große Wertpapierinstitute im Sinne von § 2 Abs. 18 WpIG fallen hingegen weiterhin in den Anwendungsbereich der IVV (vgl. § 4 WpIG i.V.m. § 25a KWG).
Bei der eigenverantwortlichen Ermittlung ihrer Risikoträger haben Wertpapierinstitute die Kriterien der Delegierten Verordnung (EU) 2021/2154 heranzuziehen. Die Geschäftsleiter der Wertpapierinstitute gelten stets als Risikoträger (§ 2 Abs. 2 WpIVergV).
Angemessenheit der Vergütungssysteme
Die Vergütungssysteme für Risikoträger von Mittleren Wertpapierinstituten haben insbesondere sicherzustellen, dass eine deutliche und transparente Unterscheidung zwischen fixer und variabler Vergütung möglich ist. Anders als in der IVV werden Vorgaben dafür gemacht, wofür fixe und wofür variable Vergütungen gezahlt werden sollen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 WpIVergV). Die fixe Vergütung hat im Wesentlichen die einschlägige Berufserfahrung und die organisatorische Verantwortung im Unternehmen widerzuspiegeln, wie sie als Teil des Anstellungsvertrags in der Tätigkeitsbeschreibung des Risikoträgers festgelegt ist. Die variable Vergütung hat hingegen die nachhaltige und risikobereinigte Leistung des Risikoträgers sowie die Leistungen widerzuspiegeln, die über die Tätigkeitsbeschreibung des Risikoträgers hinausgehen.
Die Vergütungssysteme müssen außerdem geschlechtsneutral sein, haben Maßnahmen zur Vermeidung von Interessenkonflikten zu umfassen und dürfen keine Anreize für die Risikoträger schaffen, unverhältnismäßig hohe Risiken einzugehen. Bei negativen Erfolgsbeiträgen des Risikoträgers muss es zudem möglich sein, die variable Vergütung zumindest zu reduzieren; andernfalls gilt das Vergütungssystem nicht als angemessen (§ 6 Abs. 2 WpIVergV).
Ferner muss gewährleistet sein, dass bei der Ausgestaltung der variablen Vergütung von Risikoträgern, die in Kontrolleinheiten tätig sind, keine Interessenkonflikte auftreten und die Vergütung der Risikoträger vorwiegend aus fixen Vergütungsbestandteilen besteht (§ 6 Abs. 3 WpIVergV). Insoweit dürfte für die Praxis eine Orientierung an der Parallelvorschrift des § 9 Abs. 2 IVV naheliegen, zu der die BaFin die Auffassung vertritt, dass die variable Vergütung nicht mehr als ein Drittel der Gesamtvergütung ausmachen sollte.
Abfindungen als variable Vergütung
Abfindungen werden als variable Vergütung eingeordnet und Wertpapierinstitute verpflichtet, schriftlich oder elektronisch Grundsätze festzulegen, in denen insbesondere ein Höchstbetrag oder die Kriterien für die Bestimmung der Abfindungsbeträge zu regeln sind (§ 6 Abs. 4 WpIVergV). Diese Vorgaben sind aus der IVV ebenso bekannt wie die Aufnahme von sogenannten privilegierten Abfindungen, die von bestimmten aufsichtsrechtlichen Beschränkungen befreit sind (§ 6 Abs. 4 Satz 5 WpIVergV, § 5 Abs. 6 Satz 5 IVV).
Allerdings besteht ein bedeutsamer Unterschied zwischen den Vorgaben der IVV und der WpIVergV: Zwar lassen sowohl die WpIVergV als auch die IVV die privilegierten Abfindungen bei der Bemessung des Verhältnisses von variabler und fixer Vergütung unberücksichtigt und erklären die Regelungen für die Festsetzung des Gesamtbetrags der variablen Vergütung und die Erdienung zurückbehaltener Vergütungsbestandteile (§ 11 WpIVergV, § 7 IVV) für nicht anwendbar. Doch nur in der IVV wird festgestellt, dass die privilegierten Vergütungen nicht in den Anwendungsbereich der Vorschriften über die anteilige Zurückbehaltung von variabler Vergütung, der anteiligen Auszahlung in Instrumenten und der Reduzierung oder Rückforderung von variabler Vergütung fallen (§ 5 Abs. 6 Satz 5 i.V.m. § 20 IVV). In der WpIVergV fehlt hingegen ein entsprechender Verweis auf die Parallelvorschrift des § 8 WpIVergV (zu dessen Regelungsgehalt sogleich unten). Dies kann weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen: Mittlere Wertpapierinstitute könnten Abfindungen für Risikoträger wohl nicht wie üblich (und in der Praxis auch oftmals notwendig, um einvernehmliche Trennungen überhaupt herbeiführen zu können) als Einmalbetrag mit Beendigung des Anstellungsverhältnisses auszahlen.
Allgemeine Vorgaben für die variable Vergütung
Wie auch in der IVV finden sich allgemeine Vorgaben dazu, wie die variable Vergütung ausgestaltet sein muss (§ 7 WpIVergV). Für die Praxis dürfte insoweit von Interesse sein, dass anders als im Anwendungsbereich der IVV weiterhin keine feste Obergrenze für das Verhältnis von variabler und fixer Vergütung vorgesehen ist (der sog. Bonus-Cap). Stattdessen wird die Festlegung eines „angemessenen“ Verhältnisses verlangt, wobei die Geschäftstätigkeit des Wertpapierinstituts, die damit einhergehenden Risiken sowie die Auswirkungen, die die Tätigkeiten der Risikoträger auf das Risikoprofil des Wertpapierinstituts oder der von diesem verwalteten Vermögenswerte haben, zu berücksichtigen sind. Flankierend ist vorgesehen, dass der Anteil der fixen Vergütung ausreichend hoch sein muss, um dem Wertpapierinstitut einen ausreichenden Spielraum bezüglich der variablen Vergütung zu geben, so dass erforderlichenfalls auch vollständig auf eine Zahlung der variablen Vergütung verzichtet werden kann. Diese Regelung wird dadurch ergänzt, dass für die Risikoträger keine signifikante (wirtschaftliche) Abhängigkeit von der variablen Vergütung bestehen darf. Bonuszahlungen von mehr als 200% der fixen Vergütung sind damit weiterhin möglich, auch wenn eine ganz erhebliche Überschreitung dieser Schwelle in Zukunft wohl nicht mehr als angemessen im Sinne der WpIVergV angesehen werden dürfte.
Zusagen auf eine garantierte variable Vergütung sind nur für das erste Anstellungsjahr eines Risikoträgers zulässig und setzen zudem voraus, dass die unmittelbar vorangegangene Tätigkeit nicht innerhalb derselben Wertpapierinstitutsgruppe erfolgte (§ 7 Abs. 4 Satz 2 WpIVergV). Das Wertpapierinstitut kann bei der Zahlung solcher „Sign-on-Boni“ davon absehen, sich den Vorgaben gemäß § 8 Abs. 3 bis 5 WpIVergV zur anteiligen Auszahlung in Instrumenten und zur anteiligen Zurückbehaltung zu unterwerfen – dies gilt jedoch nicht, wenn die garantierte variable Vergütung dem Ausgleich von entgangener Vergütung aus einem vorangegangenen Anstellungsverhältnis dient (§ 7 Abs. 4 Satz 3, Abs. 5 WpIVergV).
Kriterien für die variable Vergütung, Bemessungszeitraum, Leistungsbewertung
Es werden – vergleichbar den Regelungen in der IVV – Kriterien für die Bemessung der variablen Vergütung vorgegeben (§ 8 Abs. 1 Satz 1 WpIVergV). Danach wird die Höhe der variablen Vergütung auf Grundlage der individuellen Erfolgsbeiträge des Risikoträgers, der Erfolgsbeiträge des betroffenen Geschäftsbereichs und des Gesamterfolgs des Wertpapierinstituts ermittelt. Im Hinblick auf die individuelle Leistung des Risikoträgers sind dabei sowohl finanzielle als auch nicht-finanzielle Parameter zu berücksichtigen; bei Risikoträgern in Kontrolleinheiten können auch ausschließlich nicht-finanzielle Parameter herangezogen werden (§ 8 Abs. 2 WpIVergV).
Der Bemessungszeitraum für die Erfolgsbeiträge hat mindestens ein Jahr zu betragen, während die finale Leistungsbemessung einen „zeitlichen Horizont“ von mehr als einem Jahr umfassen muss (§ 8 Abs. 1 Satz 2 und 3 WpIVergV). Dieses etwas kryptisch formulierte Zusammenspiel von Bemessungszeitraum und „Zeithorizont“ für die Leistungsbemessung soll laut der Begründung zum Referentenentwurf vom 18.10.2022 dergestalt erfolgen, dass zwar nach einem Jahr die Höhe der variablen Vergütung ermittelt werden kann, anschließend aber noch eine ex-post-Risikoadjustierung nach § 8 Abs. 3 bis 6 WpIVergV (dazu siehe unten) erfolgen kann, um der mehrjährigen Leistungsmessung Rechnung zu tragen.
Die Vorgaben des § 8 Abs. 3 bis 6 WpIVergV gelten allerdings nicht für Wertpapierinstitute, die die in § 44 Abs. 3 Satz 2 WpIG festgelegten Schwellenwerte nicht erreichen. Ferner finden die Vorgaben auch auf variable Vergütungen keine Anwendung, die EUR 50.000 brutto pro Jahr nicht überschreiten und nicht mehr als ein Viertel der jährlichen Gesamtvergütung des betreffenden Risikoträgers ausmachen (§ 10 WpIVergV). Für diese Wertpapierinstitute stellt sich daher die Frage, wie die über ein Jahr hinausgehende Leistungsbemessung konkret erfolgen soll. Die Begründung zum Referentenentwurf führt dazu vage aus, dass den Anforderungen durch die Wahl „geeigneter Vergütungsparameter“ entsprochen werden könne, etwa indem die Leistungsbewertung aus Vorjahren in die Vergütungsentscheidung einfließe oder auch Vergütungsparameter auf Basis eines zukunftsorientierten Konzepts herangezogen würden, etwa eine mehrjährige Ertragsplanung). Im Ergebnis dürfte dies in der Praxis dazu führen, dass auf Jahresebene erreichte Ziele „eingeloggt“ und anhand mehrjähriger Bemessungsfaktoren nachträglich adjustiert werden. Dieser Mechanismus wird bei der Ausgestaltung von zukünftigen Bonusvereinbarungen zu berücksichtigen sein.
Ex-post-Risikoadjustierung
Die Regelungen zur ex-post-Risikoadjustierung der variablen Vergütung finden sich in § 8 Abs. 3 bis 6 WpIVergV. Diese Vorschriften orientieren sich in weiten Teilen an § 20 IVV und ordnen an, dass mindestens 50% der variablen Vergütung eines Risikoträgers aus Instrumenten zu bestehen hat, die mit einer Sperrfrist von mindestens einem Jahr zu versehen sind. Ferner sind mindestens 40% der variablen Vergütung über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren zurückzubehalten; bei besonders hohen variablen Vergütungen – diese Schwelle ist gemäß § 8 Abs. 5 WpIVergV spätestens bei mehr als EUR 500.000 brutto pro Jahr erreicht – hat der zurückzubehaltende Anteil mindestes 60% zu betragen. Schließlich sind Malus- und Clawback-Regelungen zu vereinbaren, auf Basis derer die variable Vergütung unter bestimmten Umständen reduziert oder zurückgefordert werden kann. Insbesondere soll die variable Vergütung bei einem „schwachen oder negativen Finanzergebnis“ des Wertpapierinstituts „angemessen reduziert werden“. Hier drängt sich insbesondere die Frage auf, wann ein „schwaches“ Finanzergebnis vorliegt. Begrüßenswert ist jedenfalls, dass diese Regelung im Vergleich zum Referentenentwurf vom 18.10.2022 deutlich entschärft wurde: Dieser sah vor, dass die variable Vergütung bei einem schwachen Finanzergebnis bis zu 100% reduziert werden sollte. Wohl auch aufgrund der vorgezeichneten Konflikte mit arbeitsrechtlichen Prinzipen erfolgte insoweit eine Korrektur im Vergleich zum Referentenentwurf.
Übergangsfrist
In die finale Fassung der WpIVergV neu eingefügt wurde zudem die für die Praxis bedeutsame Übergangsregelung in § 19 WpIVergV. Hiernach sind die meisten der im Tagesgeschäft wesentlichen „Kernregelungen“ der WpIVergV (u.a. betreffend die Bemessung von Abfindungen, die Zusage garantierter variabler Vergütung, die Ausgestaltung von Bonuskriterien und Bemessungszeiträumen sowie das Erfordernis einer ex-post-Risikoadjustierung) erstmals mit Beginn des Geschäftsjahres anzuwenden, das auf das Jahr des Inkrafttretens der WpIVergV folgt. Zumindest diejenigen Mittleren Wertpapierinstitute, deren Geschäftsjahr das Kalenderjahr ist, haben daher noch bis zum 01.01.2025 Zeit, ihre Vergütungssysteme an die neuen Vorgaben anzupassen.
Anpassung bestehender Vereinbarungen
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie mit bestehenden Vereinbarungen umzugehen ist, die nicht im Einklang mit der WpIVergV stehen. Hierzu sieht § 16 WpIVergV (analog § 14 IVV) vor, dass die Wertpapierinstitute darauf hinzuwirken haben, dass nicht regelkonforme Vertragswerke, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie betriebliche Übungen unverzüglich angepasst werden, sofern dies rechtlich zulässig ist. Die Anpassung hat dabei auf Grundlage einer für Dritte nachvollziehbaren fundierten juristischen Begutachtung der Rechtslage und unter Berücksichtigung der konkreten Erfolgsaussichten zu erfolgen. Den Personalabteilungen der betroffenen Wertpapierinstitute kann daher nur dringend geraten werden, eine Analyse der Dienst- oder Arbeitsverträge mit den (aktuellen und neu identifizieren) Risikoträgern vorzunehmen und auch etwaige kollektivrechtliche Regelungen zum Thema variable Vergütung zu überprüfen.
Fazit
- Die WpIVergV stellt eine grundsätzlich begrüßenswerte Konkretisierung der Vorgaben zur Vergütungsgestaltung für Mittlere Wertpapierinstitute dar, auf die die Praxis schon länger gewartet hat.
- Hinsichtlich der für die Ausgestaltung der Vergütung anwendbaren Regelungen werden verschiedene, klar abgrenzbare Kategorien von Wertpapierinstituten gebildet: Kleine Wertpapierinstitute mit rudimentären Regelungen im EU-Recht, Mittlere Wertpapierinstitute, die wiederum im Hinblick auf bestimmte Regelungen der WpIVergV in zwei Gruppen zu unterteilen sind, sowie Große Wertpapierinstitute, für die die IVV gilt.
- Inhaltlich lehnt sich die WpIVergV stark an die IVV an, so dass nur punktuell wesentliche Unterschiede zur IVV bestehen – diese können aber durchaus praxisrelevant sein.