Die Münchener Arena als Leuchtfeuer der Gleichberechtigung
Mit Spannung erwartet ganz Deutschland am heutigen Mittwoch nicht nur, wie sich die deutsche Fußballnationalmannschaft am Abend gegen das ungarische Nationalteam schlägt. Mindestens so sehr wie sportliche Fragen diskutiert die Nation, ob die Münchener Arena in den Regenbogenfarben leuchten soll, um ein Zeichen für Gleichberechtigung und damit (indirekt) gegen das aktuelle homophobe Gesetz der ungarischen Regierung zu setzen.
Die UEFA lehnte am Dienstagmorgen einen entsprechenden Antrag des Münchener Stadtrats zur Ausleuchtung der Arena ab. Die altbekannte Begründung: Die UEFA sei politisch neutral, das Vorhaben der Stadt München aber ein unzulässiges politisches Statement gegen die ungarische Regierung. Man biete der Stadt an, die Arena entweder am 28. Juni, dem Christopher Street Day, oder zwischen dem 3. und 9. Juli in Regenbogenfarben leuchten zu lassen. Andere Stadionbetreiber wie Köln, Berlin und Frankfurt möchten einspringen und ihre Arenen während des Spiels in den Regenbogenfarben ausleuchten. Der Dachverband der Christopher Street Days wird mit Partnern wie Amnesty International den in der Arena anwesenden Fans bis zu 11.000 Fahnen in den Regenbogenfarben zur Verfügung stellen.
Damit stellt sich die Frage, ob ein solches Verbot der UEFA rechtlich haltbar ist und welche Konsequenzen der Stadt München drohen, sollte sie sich trotzdem entscheiden, die Arena heute Abend in den Regenbogenfarben erstrahlen zu lassen.
Die rechtlichen Beziehungen der UEFA zur Stadt München sind in einem ausführlichen Ausrichtervertrag geregelt. Derartige Ausrichterverträge im Rahmen von Welt- und Europameisterschaften räumen dem Verband in der Regel eine Art Mieterposition für die Dauer der Austragung des Sportereignisses ein. Die UEFA erhält damit jedenfalls zur Organisation und Durchführung der jeweiligen Länderspiele das Hausrecht am Stadion und kann damit über die konkreten technischen Rahmenbedingungen rund um das Stadion und somit auch die Ausleuchtung entscheiden. Möchte die Stadt München die Beleuchtung nun selbst bestimmen, bedarf es der Rücksprache mit der UEFA. Die Besonderheit hier liegt darin, dass die von der Stadt gewünschte Farbkombination zugleich ein Symbol der Gleichberechtigung, Toleranz und Offenheit der Gesellschaft ist. Das Ausleuchten wird damit zu einer Form der Meinungsäußerung. Diese Meinungsäußerung erhält dabei wegen der Sichtbarkeit des Stadions und der Bühne der Europameisterschaft im wahrsten Sinne des Wortes eine besondere Strahlkraft.
Typischerweise enthalten die Ausrichterverträge detaillierte Vorgaben zu den gegenseitigen Rechten und Pflichten während der Länderspiele. Die UEFA macht hier von ihrer Monopolstellung als einziger Kontinentalverband des Fußballs in Europa insofern Gebrauch, als sie die Vertragsinhalte mit der Stadt München größtmöglich nach ihren Vorstellungen zu diktieren versucht. Um die Kontrolle über die Vermarktung ihres Sportereignisses zu behalten und die Attraktivität für Sponsoren zu gewährleisten, enthalten Ausrichterverträge der großen Sportverbände daher üblicherweise einen Erlaubnisvorbehalt für Meinungskundgaben, insbesondere für politische oder religiöse Themen.
Das erste Problem stellt sich jedoch schon bei der Einordnung einer Aktion als „politisch“. Hier scheint zunächst auf der Hand zu liegen, dass die Stadt München das Spiel gegen die ungarische Nationalmannschaft zum Anlass nehmen möchte, ein leuchtendes Signal gegen das neue Gesetz der ungarischen Regierung zu setzen. Stellt man den Bezug zu einem aktuellen Gesetz her, liegt eine politische Konnotation nahe. Andererseits sind die Regenbogenfarben ein Symbol für Werte wie Gleichberechtigung, Humanität und eine offene, tolerante Gesellschaft. Der Bezug zu universellen Menschen- und Grundrechten, die unabhängig von unterschiedlichen politischen Meinungen gelten, könnte dafür sprechen, dass die politische Komponente hier deutlich in den Hintergrund rückt und von einem entsprechenden Erlaubnisvorbehalt nicht erfasst wäre. Es erscheint allerdings zweifelhaft, dass eine Ausrichterstadt den Erlaubnisvorbehalt gerichtlich überprüfen lassen wird, so dass letztlich die UEFA die Deutungshoheit über die Frage hat, wann eine politische Meinungsäußerung vorliegt.
Sollte sich die Stadt München über das Verbot der UEFA hinwegsetzen, stellt sich die Frage, welche Sanktionen die UEFA der Stadt München auferlegen könnte.
Die Ausrichterverträge der Sportverbände enthalten üblicherweise Vertragsstrafen im Falle von Verstößen der Ausrichterstädte. Neben Schadensersatzansprüchen hat die UEFA zudem die Option, der Stadt München die Austragung weiterer Länderspiele im Rahmen der Europameisterschaft zu entziehen. Keine Sanktion kann die UEFA wegen des Ausleuchtens der Arena hingegen gegen die deutsche Nationalmannschaft verhängen, da diese nicht Vertragspartner der UEFA ist. Ebenfalls ist nicht davon auszugehen, dass die UEFA erneut Ermittlungen gegen Spieler wie Manuel Neuer einleitet, wenn diese Kleidungsstücke wie die Kapitänsbinde in den Regenbogenfarben tragen. Die UEFA scheint hier die individuelle Meinungsfreiheit der Spieler anzuerkennen, während sie von ihren Ausrichterstädten – und damit staatlichen Stellen – politische Neutralität uneingeschränkt einfordert.
Abschließend wird sich die Stadt München auch darüber Gedanken machen, ob sich die UEFA in Anbetracht der erheblichen, öffentlichen Kritik an ihrer Entscheidung bei einem Verstoß zu einer Sanktion gegenüber der Stadt München durchringen würde.
Nicht verhindern können wird die UEFA aber, dass zahlreiche andere deutsche Stadien und Gebäude in den Regenbogenfarben leuchten werden und tausende deutsche Fans in der Münchener Arena mit regenbogenfarbenen Flaggen ausgestattet werden.
Das Sportrechts-Team von Noerr verfolgt gespannt die weiteren Ereignisse im Zusammenhang mit dieser Europameisterschaftspartie sowie dem weiteren Turnierverlauf und steht Beteiligten bei rechtlichen Fragen gerne zur Verfügung.