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Die Krux mit der Dotierung des Sozialplans

25.03.2022

Sozialplanpflichtige Betriebsänderung

Gerät ein Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten, hilft oftmals nur ein Personalabbau. Dieser geht häufig mit einer Betriebsänderung i.S.d. § 111 BetrVG einher. Das Betriebsverfassungsgesetz sieht dann – lässt man die Fälle des § 112a BetrVG einmal unberücksichtigt – den Abschluss eines Sozialplans vor, der diejenigen wirtschaftlichen Nachteile ausgleichen oder jedenfalls mildern soll, die den von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern infolge der Betriebsänderung entstehen.

Anders als der Interessenausgleich, der das „Ob, Wann und Wie“ der vom Arbeitgeber geplanten Betriebsänderung regeln soll, ist der Sozialplan grundsätzlich über das Verfahren vor der Einigungsstelle auch gegen den Willen des Arbeitgebers erzwingbar.

Gegenstand des Sozialplans können beinahe alle erdenklichen Regelungen sein, die dem Zweck des Sozialplans – die entstehenden wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen oder zu mildern – dienen. Geht es um einen sozialplanpflichtigen Abbau von Arbeitsplätzen, so drehen sich die Verhandlungen mit dem Betriebsrat in der Praxis jedoch in aller Regel um die Höhe der Abfindung und die Modalitäten der Auszahlung. Von zentraler Bedeutung ist dann, welches Sozialplanvolumen veranschlagt wird, welcher Betrag also insgesamt für die in dem Sozialplan vorgesehenen Leistungen zur Verfügung steht.

Kommt zwischen den Betriebsparteien keine Einigung zustande und hat die Einigungsstelle über einen Sozialplan zu entscheiden, so gibt § 112 Abs. 5 BetrVG für die Dotierung des Sozialplans nur ein grobes Raster vor. Die Einigungsstelle hat im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens dann auf der einen Seite die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und auf der anderen Seite die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für das Unternehmen zu beachten. Maßgeblich sind stets die Gegebenheiten des Einzelfalls. Überschritten wird das der Einigungsstelle zustehende billige Ermessen erst dann, wenn der Fortbestand des Unternehmens durch die Sozialplandotierung gefährdet wird. Dabei sind nicht einmal insolvenzgefährdete oder sogar insolvente Unternehmen per se von den Sozialplanleistungen entbunden. Denn gemäß § 123 Abs. 1 und 2 InsO sind selbst in der Insolvenz begrenzte Sozialplanleistungen möglich.

Bemessung des Sozialplanvolumens durch die Einigungsstelle

Geht es in der Einigungsstelle an die Bemessung des Sozialplanvolumens, so erfolgt die Bemessung zweistufig. Auf der ersten Stufe werden die drohenden Nachteile für die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bestimmt. Erst auf der zweiten Stufe folgt dann eine mögliche Korrektur anhand der wirtschaftlichen Vertretbarkeit für das Unternehmen.

Eine jüngere Entscheidung des LAG Hamm verdeutlicht dabei erneut die Problematik der Sozialplandotierung, wenn sich das Unternehmen in ernsten wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet. Das LAG Hamm musste sich dabei zu der vom Bundesarbeitsgericht bislang offengelassenen Frage äußern, ob die fehlende wirtschaftliche Vertretbarkeit von Sozialplanleistungen für das Unternehmen zu einem „Sozialplan 0“ führen kann, also einer Regelung, die mangels Dotierung keinerlei Leistungen für die von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorsieht.

Entscheidung des LAG Hamm

Das LAG Hamm stellte in seiner Entscheidung vom 26.10.2021 (7 TaBV 19/21) fest, dass ein „Sozialplan 0“ bereits tatbestandlich keinen Sozialplan i. S. d. § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG darstelle und daher mit der vom Gesetzgeber in § 112 Abs. 4 BetrVG festgeschriebenen Erzwingbarkeit von Sozialplänen nicht vereinbar sei. Daher sei es auch nicht ermessensfehlerhaft, wenn durch Spruch der Einigungsstelle über die Aufstellung eines Sozialplans bei festgestellten wirtschaftlichen Nachteilen der von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer trotz vorgetragener erheblicher Bedenken zur wirtschaftlichen Vertretbarkeit der beabsichtigten Regelung kein undotierter Sozialplan beschlossen wird.

Dies begründet das LAG Hamm im Wesentlichen damit, dass auch Betriebsänderungen in der Insolvenz grundsätzlich sozialplanpflichtig blieben. Zudem verlange bereits die Legaldefinition des Sozialplans in § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG eine Einigung über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile. Würden mangels Dotierung gar keine Leistung zum Zwecke der Milderung wirtschaftlicher Nachteile erbracht, so handele es sich schon nicht um einen Sozialplan im Sinne des Gesetzes. Da es sich bei einem „Sozialplan 0“ folglich um keinen Sozialplan handele, widerspreche ein „Sozialplan 0“ zugleich der gesetzgeberischen Anordnung der Erzwingbarkeit eines Sozialplans.

Mit seiner Entscheidung setzt sich das LAG Hamm in Widerspruch zu anderen Landesarbeitsgerichten. So hatten in der Vergangenheit etwa die Landesarbeitsgerichte Düsseldorf (Beschluss vom 26.11.2007 – 17 TaBV 86/07), Hessen (Beschluss vom 14.10.2008 – 4 TaBV 68/08) und München (Beschluss vom 13.04.2007 – 11 TaBV 91/06) die Zulässigkeit eines „Sozialplan 0“ angenommen. Das LAG Düsseldorf betont dabei ausdrücklich, dass die Vermeidung einer Insolvenz ein rechtlich zulässiges Ziel sei, das einen undotierten Sozialplan rechtfertige. Dies stehe auch nicht in Widerspruch zu den in der Insolvenz grundsätzlich vorgesehenen Sozialplanleistungen. Zwar liegt – so das LAG Düsseldorf – der Schluss nahe, dass wenn in der Insolvenz Sozialplanleistungen zu gewähren sind, diese erst recht außerhalb der Insolvenz gewährt werden müssten, doch verfängt dieser Erst-recht-Schluss letztlich nicht. Wie das LAG Düsseldorf zutreffend herausstellt, treten im Insolvenzfall nämlich an die Stelle der Interessen des Unternehmens diejenigen der Insolvenzgläubiger, mit der Folge, dass die wirtschaftliche Vertretbarkeit der Sozialplanleistungen für das Unternehmen in den Hintergrund rückt. Wenn eine substanzielle Milderung der mit der Betriebsänderung verbundenen Nachteile sich als für das Unternehmen wirtschaftlich unvertretbar erweise könne von einer Milderung der Nachteile daher sogar gänzlich abgesehen werden. Das Bundesarbeitsgericht (Beschluss vom 26.05.2009 – 1 ABR 12/08) hat die Zulässigkeit eines „Sozialplan 0“ bislang offengelassen.

Fazit

Der Entscheidung des LAG Hamm ist im Ergebnis nicht zuzustimmen. Richtigerweise kann die Ermessensgrenze der wirtschaftlichen Vertretbarkeit auch außerhalb der Insolvenz bedingen, dass auch ein undotierter Sozialplan zulässig ist. Wünschenswert wäre, dass das Bundesarbeitsgericht schnell über die eingelegte Revision entscheidet und klarstellt, dass auch undotierte Sozialpläne zulässig sein können. Solange dies noch nicht der Fall ist, wird man jedoch die Entscheidung des LAG Hamm jedenfalls in dessen Gerichtsbezirk vorsichtshalber beachten müssen, da andernfalls die Unwirksamkeit des Sozialplans und damit einhergehend die Pflicht zur Neuverhandlung desselben droht.

Dennoch bestehen auch insoweit Gestaltungsoptionen. Als Alternative zum „Sozialplan 0“ kann ein minimaldotierter Sozialplan in Betracht kommen. Das Bundesarbeitsgericht (Beschluss vom 07.05.2019 – 1 ABR 54/17) hat in der Vergangenheit nämlich bereits explizit dann Sozialpläne gebilligt, wenn zumindest eine minimale, noch „spürbare Milderung“ der wirtschaftlichen Nachteile erfolgt. Zulässig seien beispielsweise nach Alter gestaffelte Abfindungsfaktoren von 0,15 bis 0,32.

Solange also jedenfalls noch eine spürbare Milderung der wirtschaftlichen Nachteile erfolgt, reichen auch relativ kleine Abfindungsfaktoren und somit relativ geringe Sozialplandotierungen aus. Entscheidend ist stets eine Einzelfallbetrachtung. Im Zuge dieser kommt der Einigungsstelle auch ein Beurteilungs- und Ermessensspielraum zu.

Schließlich stehen in der Praxis weitere Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung, wie z.B. sog. Qualifizierungs-Sozialpläne, die nicht (nur) die klassischen Sozialplanregelungen insbesondere in Form der Abfindungsregelungen, sondern Qualifizierungsmaßnahmen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als wirtschaftlichen Gegenwert vorsehen.

Soll eine Klageverzichtsprämie gewährt werden, so ist Vorsicht bei der Ausgestaltung des Sozialplans und der Klageverzichtsprämie geboten. Da beide unterschiedliche Zwecke verfolgen, kann eine Klageverzichtsprämie nicht Teil eines Sozialplans sein. Auch darf die Klageverzichtsprämie nicht dazu führen, dass das Sozialplanvolumen zweckwidrig unangemessen geschmälert wird (s. hierzu Kaueroff/Bähr, EWiR 2021, 377 f.). Hierbei musste bislang streng darauf geachtet werden, dass – auch in den Verhandlungen – nicht der Eindruck erweckt wird, als würde nur ein einziger „Topf“ zur Finanzierung von Sozialplan und Klageverzichtsprämie zur Verfügung stehen. In seinem Urteil vom 07.12.2021 (1 AZR 562/20) hat das Bundesarbeitsgericht seine frühere Rechtsprechung dahin, eine etwaige Umgehung von § 112 BetrVG könne auch vorliegen, wenn dem „an sich” für den Sozialplan zur Verfügung stehenden Finanzvolumen zum Nachteil der von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Mittel entzogen und funktionswidrig im Bereinigungsinteresse des Arbeitgebers eingesetzt wurden (BAG vom 31.05.2005 – 1 AZR 254/04), allerdings zu Recht ausdrücklich aufgegeben und den Betriebsparteien einen Gestaltungsspielraum bei der Entscheidung eingeräumt, ob, in welchem Umfang und wie sie die von ihnen prognostizierten wirtschaftlichen Nachteile der von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgleichen oder abmildern wollen. Hierbei haben sie einen weiten Ermessensspielraum. Damit verbietet sich – so das Bundesarbeitsgericht jetzt – „die Annahme, es gäbe ein „an sich” für den Sozialplan zur Verfügung stehendes finanzielles Volumen, welches „funktionswidrig“ eingesetzt werden könnte“.