Anpassung von Betriebsrenten (§ 16 BetrAVG)
Direktzusagen zur Gewährung einer betrieblichen Altersversorgung sind für Unternehmen wirtschaftlich von sehr großer Bedeutung. Grund hierfür ist zunächst schlicht ihr großes Volumen: Pensionsrückstellungen sind häufig ein äußerst bedeutender Posten auf der Passivseite der Bilanz. Mindestens genauso wichtig ist allerdings, dass es sich um äußerst langfristige Verbindlichkeiten handelt. Ihre Langfristigkeit setzt sie dem Risiko eines Wertverfalls aus. Dem will der Gesetzgeber mit der Anpassungs(prüfungs)pflicht nach § 16 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) entgegenwirken, aber zugleich auf den Verwaltungsdruck und Kostenaufwand des Arbeitgebers Rücksicht nehmen. Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu mit Urteil vom 26.04.2018 (3 AZR 686/16) wichtige Klarstellungen getroffen, die nicht nur für Unternehmensgruppen mit Umstrukturierungsplänen maßgeblich sind.
Die Festlegung eines einheitlichen Stichtages für die Anpassungsprüfung ist zulässig
§ 16 Abs. 1 BetrAVG sieht vor, dass vom Arbeitgeber alle drei Jahre eine Anpassungsprüfung durchzuführen ist. Dieser Rhythmus gilt für jeden einzelnen Rentner individuell, so dass grundsätzlich im Abstand von jeweils 3 Jahren zum individuellen Rentenbeginn eines Betriebsrentners eine Anpassungsprüfung durchzuführen ist.
Im Einklang mit der mittlerweile ständigen Rechtsprechung bestätigt das BAG im Urteil vom 26.04.2018, dass eine Bündelung des Anpassungsprüfungsstichtages auf einen einheitlichen Stichtag im Kalenderjahr zulässig sei, da unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand für den Arbeitgeber vermieden und die Interessen der Betriebsrentner nur geringfügig beeinträchtig würden.
Voraussetzung für eine zulässige Bündelung der Anpassungsprüfungsstichtage ist jedoch, dass der erste Anpassungsprüfungsstichtag für jeden Betriebsrentner aufgrund der Bündelung nicht um mehr als 6 Monate hinausgezögert werden darf. Zudem muss in der Folgezeit der Drei-Jahres-Zeitraum stets eingehalten werden.
Praxistipp: Eine Bündelung des Anpassungsprüfungsstichtages ist in den meisten Fällen sinnvoll. Bei Festlegung des Stichtages sollte neben den rechtlichen Anforderungen des BAG auch berücksichtigt werden, dass die wirtschaftliche Lage des Unternehmens im Rahmen der Anpassungsprüfung unmittelbar vor dem Anpassungsprüfungsstichtag zu bewerten ist. Aus diesem Grunde ist es sinnvoll, einen Stichtag zu wählen, bei dem die relevanten Jahresabschlüsse bereits erstellt sind und damit als Beurteilungsgrundlage für die vom Arbeitgeber zu erstellende Prognoseentscheidung dienen können. Entspricht das Geschäftsjahr dem Kalenderjahr, wird häufig der 1.7. eines Jahres als Stichtag zur Anpassungsprüfung gewählt.
Die Festlegung des Stichtages sollte sorgfältig durchdacht werden und ordnungsgemäß erfolgen. Eine unwirksame Festlegung eines einheitlichen Anpassungsprüfungsstichtages kann zu erheblichen Unsicherheiten und Streitigkeiten bei der Anpassung von Betriebsrenten führen. Eine erst viel später festgestellte unwirksame Festlegung eines einheitlichen Anpassungsprüfungsstichtages könnte zu hohen (Nachzahlungs-) Ansprüchen der Versorgungsempfänger führen.
Beurteilung der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers
Im Rahmen der Entscheidung über die Anpassungsprüfung hat der Arbeitgeber „die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen“ (§ 16 Abs. 1 Halbsatz 2 BetrAVG).
Bei den Belangen des Versorgungsempfängers ist jeweils zum Zeitpunkt eines Anpassungsprüfungsstichtages der Teuerungsausgleich durch die Entwicklung des Verbraucherpreisindexes zu berücksichtigen.
Die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers ist eine zukunftsbezogene Größe, d.h. es kommt entscheidend auf die künftige wirtschaftliche Belastbarkeit des Arbeitgebers an und setzt demnach eine Prognoseentscheidung voraus. Als Grundlage für die Prognose dient die bisherige wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens, allerdings nur insoweit als daraus auch Schlüsse für die künftige wirtschaftliche Entwicklung gezogen werden können. Für eine zuverlässige Prognoseentscheidung muss die wirtschaftliche Entwicklung über einen repräsentativen Zeitraum von in der Regel drei Jahren betrachtet werden. Das BAG stellt im Urteil vom 26.04.2018 nunmehr klar, dass die wirtschaftliche Lage des Unternehmens für ein Unterlassen der Betriebsrentenanpassung nicht in jedem der drei „Referenzjahre“ unzureichend sein müsse; selbst wenn für einzelne Jahre ein Ergebnis gezeigt wird, das eine Anpassungspflicht auslösen könnte, könne eine Rentenanpassung unterbleiben, wenn sich im Vergleichszeitraum insgesamt betrachtet keine positive Entwicklung abzeichne, die eine für die Betriebsrentenanpassung ausreichende wirtschaftliche Lage erwarten lasse.
Auswirkungen von (geplanten) Umstrukturierungen auf die Anpassungsprüfung
Eine geplante Steigerung der Betriebsergebnisse durch eine Restrukturierung ist erst zu berücksichtigen, wenn die Verbesserung der Ergebnisse eingetreten ist. Bis dahin können Planungen eine auf Basis der bisherigen Betriebsergebnisse aufgestellte negative Prognose nicht erschüttern, weil der Erfolg der Restrukturierungsmaßnahmen ungewiss ist. So änderte im entschiedenen Fall die bereits vor dem Anpassungsstichtag eingeleitete, der wirtschaftlichen Stabilisierung der Beklagten dienende Veräußerung von zwei Geschäftsbereichen nichts an der bestehenden negativen Prognose. Die Umstrukturierungsmaßnahmen seien - so das BAG - darauf angelegt, die Betriebsergebnisse langfristig zu steigern. Ob die damit verfolgte unternehmerische Zielsetzung bereits in der kurzen Zeitspanne bis zum nächsten Anpassungsstichtag zu einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung führten, bleibe ungewiss. Die bloße Planung solcher Maßnahmen sei daher für sich genommen nicht geeignet, eine auf der Grundlage der bisherigen Betriebsergebnisse aufgestellte negative Prognose zu erschüttern. Im entschiedenen Fall konnte daher eine Anpassung unterbleiben.
Wann kann eine Anpassung von Betriebsrenten unterbleiben?
Eine Anpassung der Betriebsrenten kann unterbleiben, wenn im Vergleichszeitraum entweder (i.) keine angemessene Eigenkapitalverzinsung erzielt oder (ii.) die Eigenkapitalausstattung ungenügend ist. Ob derartige Gründe für ein Unterlassen der Rentenanpassung vorliegen, ist auf Basis der nach handelsrechtlichen Rechnungsregeln erstellten Jahresabschlüsse des (Einzel-) Unternehmens zu ermitteln. Die handelsrechtlichen Jahresabschlüsse können aber nicht ohne Weiteres zugrunde gelegt werden, da häufig auch Positionen enthalten sind, die sich für eine Prognoseentscheidung nicht eignen (bspw. Sondereffekte, Einmalkosten etc.). Aus diesem Grunde sind für die Prognoseentscheidung regelmäßig Korrekturen an den Jahresabschlüssen vorzunehmen, um daraus abgeleitet sodann die Eigenkapitalrendite zu ermitteln.
Nur wenn die Eigenkapitalrendite geringer ist als der Basiszins in Höhe der Umlaufrendite öffentlicher Anleihen zzgl. eines Risikozuschlages von 2 %, kann von einer unzureichenden Eigenkapitalrendite ausgegangen werden, die eine Ablehnung der Rentenanpassung rechtfertigt.
Die Eigenkapitalausstattung ist ebenfalls unter Berücksichtigung der handelsrechtlichen Jahresabschlüsse zu ermitteln; bei dem Eigenkapital sind das gezeichnete Kapital, Kapitalrücklagen, Gewinnrücklagen und etwaige Bilanzverluste zu berücksichtigen. Soweit das vorhandene Eigenkapital die Summe aus gezeichnetem Kapital und zusätzlich gebildeten Kapitalrücklagen unterschreitet, ist grundsätzlich von einer unzureichenden Eigenkapitalausstattung auszugehen. In einem solchen Falle ist das Unternehmen berechtigt, zunächst das erforderliche Eigenkapital wieder aufzubauen, da Rentenanpassungen nicht aus der Substanz des Unternehmens finanziert werden müssen.
Praxistipp
Die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens nach den vom BAG aufgestellten Grundsätzen ist komplex und sollte im Detail genau geprüft werden.
Ist eine Anpassung von Betriebsrenten zu Unrecht unterlassen worden, drohen dem Unternehmen die nachträgliche Anpassung der Betriebsrente, d.h. eine Anpassung seit dem Stichtag, zu dem die Anpassung unterlassen worden ist.
Neben dem Risiko der nachträglichen Anpassung besteht auch das Risiko der nachholenden Anpassung; im Rahmen der nachholenden Anpassung hätte der Arbeitgeber bei einem späteren Anpassungsprüfungsstichtag auch den früheren Teuerungsausgleich auszugleichen, und zwar unabhängig von Verjährungsfragen.