Emanzipation von Wasserstoff in der Energiegesetzgebung
Wasserstoff (aus Wasserelektrolyse) spielte im Energieregulierungsrecht bislang nur als Spielart von „Gas“ oder „Biogas“ eine untergeordnete Rolle. Aktuell emanzipiert sich Wasserstoff als Energieträger neben Strom und Erdgas, die bislang das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) dominieren. Dies sieht ein Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 10.02.2021 vor. Zudem hat der Gesetzgeber auch im EEG 2021 und KWKG 2020 bereits die Grundlage zur Förderung der Wasserstoffwirtschaft gelegt. Diese legislativen Änderungen verstehen sich als Starthilfe in einer „Markthochlaufphase“ für die leitungsgebundene Wasserstoffwirtschaft in Deutschland.
Neuregelungen im Überblick
Mit der Gesetzesnovelle soll eine gesonderte Regulierung von Wasserstoffnetzen und Wasserstoffspeichern für Netzbetreiber eingeführt werden. Diese ist weniger strikt ausgestaltet als die bestehende Regulierung für Strom- und Erdgasnetze, folgt aber zumindest in Ansätzen denselben unionsrechtlich vorgegebenen Grundsätzen, etwa Entflechtungsanforderungen und Netzzugangsregelungen. Eine Besonderheit stellt dar, dass das Regulierungsregime nur dann greift, wenn der Wasserstoffnetzbetreiber dafür aktiv optiert. Optiert ein Betreiber nicht dafür, gilt weiter nur der Rahmen des allgemeinen Kartellrechts.
Die Gesetzesnovelle sieht jedoch auch planungsrechtliche Privilegierungen für Wasserstoffnetze vor. So können Genehmigungen für Erdgasleitungen umgewidmet und Leitungen umgerüstet werden. Ferner sollen per Gesetz bestehende beschränkte persönliche Dienstbarkeiten, Gestattungsverträge und Konzessionsverträge für Erdgasleitungen auf Wasserstoffleitungen erweitert werden.
Das zum Jahreswechsel in Kraft getretene EEG 2021 sieht zudem Möglichkeiten der Begrenzung der EEG-Umlage für die elektrochemische Herstellung von (grünem) Wasserstoff auf 15% oder weniger der allgemeinen EEG-Umlage vor. Zudem sieht das Gesetz eine Befreiung von der EEG-Umlage für Strom zur Herstellung von grünem Wasserstoff vor, die im Sinne einer Hochlaufphase nur für Anlagen mit Inbetriebnahme bis Ende 2029 gilt. Analog sieht das KWKG 2020 eine Befreiung von der KWKG-Umlage für Strom zur Herstellung von grünem Wasserstoff vor.
Die bereits derzeit bestehende Möglichkeit, für Wasserstoff aus Grünstrom die Privilegierungen der Gasnetzzugangsverordnung für Biogas zu nutzen (Subventionierung von Netzanschlusskosten und vorrangiger Netzzugang) bleiben weiterhin anwendbar, da die Begriffsbestimmung „Biogas“ im EnWG nicht geändert werden soll und somit weiterhin Wasserstoff auf Basis von Grünstrom umfassen wird.
Die geplanten Regelungen zu Wasserstoff im EnWG, die voraussichtlich Mitte 2021 in Kraft treten werden, verstehen sich als Übergangsregelungen in einer Hochlaufphase. Sie sollen sukzessive an die auf EU-Ebene derzeit vorbereiteten Vorgaben (voraussichtlich 2022/2023) und die weitere Entwicklung des Marktes angepasst werden.
Wen gehen die Regelungen an?
- Netzbetreiber: Für Netzbetreiber bedeutet das optionale Regulierungsregime eine Möglichkeit zur Absicherung neuer Geschäftsmodelle (Start in eine Wasserstoffinfrastruktur). Insbesondere für Erdgas-Netzbetreiber eröffnet sich hier ein zukunftsträchtiges neues Geschäftsfeld, dass einen mittel- und langfristigen Rückgang im Erdgassektor kompensieren könnte.
- Erzeuger von Wasserstoff: Für Erzeuger von grünem Wasserstoff, die kurz- und mittelfristig investieren, bietet der Gesetzgeber in der geplanten Hochlaufphase weitreichende Entlastungen bei der EEG- und der KWKG-Umlage.
- Kommunen und Grundstückseigentümer: Für Kommunen und private Grundstückseigentümer bedeutet dies, dass bestehende Gestattungs- und Konzessionsverträge sowie beschränkte persönliche Dienstbarkeiten künftig auch zugunsten von Wasserstoffleitungen gelten, ohne dass Verträge neu verhandelt werden müssen. Zumindest für Kommunen erfolgt dies jedoch nicht gegenleistungslos, da die Lieferung von Wasserstoff analog der Konzessionsabgabenverordnung unterliegen soll.