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BMJ stellt Gesetzes­entwurf zur Regulierung sozialer Netzwerke vor

27.03.2017

Das Bundesjustizministerium (BMJ) hat am 14. März 2017 den Referentenentwurf für ein „Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken” (NetzDG) vorgestellt, der von Netzpoltik.org geleakt wurde. Er ist noch nicht mit dem Bundeskabinett abgestimmt.

Hintergrund: Unzureichende Löschpraxis

Vor rund anderthalb Jahren hat das BMJ eine Arbeitsgruppe mit Betreibern von Netzwerken und Vertretern der Zivilgesellschaft eingerichtet, um strafrechtlich relevante Hasskommentare effektiver zu bekämpfen. Die damit einhergehende Selbstverpflichtung der Unternehmen, ihren Umgang mit Hasskriminalität zu verbessern, hat laut Justizminister Heiko Maas das gewünschtes Ziel bislang jedoch nicht erreichen können.

Generell würden zu wenige strafbare Beiträge gelöscht, und wenn doch, dann zu langsam. Dies habe ein von jugendschutz.net durchgeführtes Monitoring der Löschpraxis sozialer Netzwerke vom Januar/Februar 2017 ergeben.

Wirksame Löschverfahren in breitem Anwendungsfeld

Die neuen gesetzlichen Regelungen sollen den Druck auf die Unternehmen erhöhen. Konkret geht es um die Bekämpfung von Hasskommentaren und Falschnachrichten („Fake News“) in sozialen Netzwerken, die etwa die Tatbestände der Beleidigung, Verleumdung oder der üblen Nachrede erfüllen.

Der Entwurf des „NetzDG“ ist adressiert an „Telemediendiensteanbieter, die mit Gewinnerzielungsabsicht Plattformen im Internet betreiben, die es Nutzern ermöglichen, beliebige Inhalte mit anderen Nutzern auszutauschen, zu teilen oder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen". Da dem Wortlaut nach keine Veröffentlichung nötig ist, sondern bereits der Austausch zwischen Nutzern genügt, fallen nicht nur die klassischen sozialen Netzwerke wie Facebook und Twitter, sondern auch Email-Anbieter wie GMX, Videochat-Anbieter wie Skype und Messengerdienste wie WhatsApp in den Anwendungsbereich. Voraussetzung ist, dass sich mehr als 2 Millionen Nutzer mit deutscher IP-Adresse angemeldet haben.

Der Gesetzesentwurf verlangt von diesen Anbietern, ein wirksames und transparentes Verfahren einzurichten, um zu gewährleisten, dass auf Beschwerden unverzüglich reagiert und offensichtlich rechtswidrige Inhalte innerhalb von 24 Stunden gesperrt bzw. gelöscht werden, andere rechtswidrige Inhalte innerhalb von 7 Tagen.

Im Fall der Entfernung muss der Beitrag zu Beweiszwecken gesichert werden. Beschwerdeführer und Nutzer sollen informiert und die Entscheidung ihnen gegenüber begründet werden. Der Anbieter muss weiterhin dafür Sorge tragen, dass sämtliche auf der Plattform befindlichen Kopien des fraglichen Inhalts ebenfalls unverzüglich entfernt bzw. gesperrt werden. Zudem muss ein inländischer Zustellungsbevollmächtigter benannt und im Bundesanzeiger und auf der eigenen Homepage ein deutschsprachiger Bericht über den Umgang mit Beschwerden vierteljährlich veröffentlicht werden.

Hohe Bußgelder drohen

Verstöße gegen die oben genannten Anforderungen sollen als Ordnungswidrigkeiten geahndet werden. Im Fall einer Nichtbenennung des Zustellungsbevollmächtigten soll sich die Geldbuße auf bis zu 500.000 Euro belaufen, in allen anderen Fällen sollen es bis zu 5 Millionen Euro sein.

Kein zivilrechtlicher Auskunftsanspruch

Nach der CDU/CSU-Bundestagsfraktion verabschiedete vorige Woche auch die SPD ein Positionspapier, um die Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken zu verbessern. Durch einen weit gefassten zivilrechtlichen Auskunftsanspruch gegenüber Plattformbetreibern sollen Betroffene "strafrechtlich relevanter Persönlichkeitsverletzungen" die Identität des Täters in Erfahrung bringen können. Einen solchen Anspruch sieht der vom BMJ präsentierten Gesetzentwurf allerdings nicht vor.

Divergierende Reaktionen

Die Reaktionen auf den Gesetzesentwurf gehen weit auseinander. Einige Stimmen, so etwa von der Grünen-Bundestagsabgeordneten Renate Künast, sehen das Gesetz als richtigen Schritt an, fordern aber eine Verschärfung. Auch für den Geschäftsführer des Deutschen Richterbundes greifen die Vorschläge zu kurz. Andere, etwa der Hauptgeschäftsführer des IT-Branchenverbandes Bitkom, äußerten hingegen verfassungs- und europarechtliche Bedenken.

Ausblick

Die divergierenden Meinungen unterstreichen, wie schwierig es ist, freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit einerseits und die Persönlichkeitsrechte der Einzelnen und das Interesse an der Verbreitung wahrheitsgemäßer Meldungen andererseits gegeneinander abzuwägen und auszugleichen. Es bleibt abzuwarten, welchen Änderungen der Gesetzesentwurf noch unterzogen wird und ob so das Kernanliegen – die Durchsetzung bestehender Rechte auch in der virtuellen Welt – erreicht werden kann.