Auswirkungen der Corona-Krise auf die Pflicht zur Mietzahlung
Die Corona-Krise hat zahlreiche Mieter zur Schließung ihrer Ladengeschäfte gezwungen. Die wirtschaftlichen Folgen sind verheerend. Viele Mieter haben deshalb ihrem Vermieter Mietminderungen angekündigt. Zu Recht?
Im Eiltempo werden derzeit staatliche Maßnahmen nach §§ 28 und 32 des Infektionsschutzgesetzes vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045) zur Eindämmung des Coronavirus (SARS-CoV-2) erlassen. Inzwischen bestehen in jedem Bundesland Rechtsgrundlagen zur Schließung von Ladengeschäften. Ausgenommen sind in der Regel nur Geschäfte zur Grundversorgung der Bevölkerung. Die unterschiedlichen Regelungen in den Bundesländern stellen Vermieter, aber auch Mieter – von der Einzelhandelskette bis hin zu einem einzelnen Ladeninhaber – vor große Herausforderungen. Im Fokus steht die Frage nach der Aufrechterhaltung des Betriebes und, sofern dieser nicht mehr zulässigerweise möglich ist, der Risikoverteilung hinsichtlich entstehender Kosten. Bereits jetzt treten die ersten Mieter mit ihren Vermietern in Kontakt, um über Mietreduzierungen zu verhandeln.
Zudem entscheiden sich auch Einzelhändler und gastronomische Betriebe, die von den behördlichen Anordnungen ganz oder teilweise ausgenommen sind, aus wirtschaftlichen Gründen zunehmend für eine eigenverantwortliche Schließung. Auch in diesen Fällen verlangen die betroffenen Mieter eine Beteiligung der Vermieter an den finanziellen Einbußen durch Stundungen, Mietreduzierungen und vorübergehenden Vertragsanpassungen.
Pflicht zur Mietzahlung
Insbesondere Mieter, die von einer behördlichen Anordnung zur Ladenschließung ausgenommen sind, bleiben grundsätzlich auch in Zeiten der Corona-Krise zur Zahlung der vertraglich vereinbarten Miete verpflichtet (§ 535 Abs. 2 BGB). In den vergangenen Tagen führte die durch das Covid-19/Coronavirus entstandene Ausnahmesituation bereits zu einer erheblichen Reduzierung der Kundenfrequenz im Einzelhandel. Allein der Rückgang von Kunden- und Besucherzahlen führt nicht automatisch zu einer Mietreduzierung oder einem Mietminderungsanspruch des Mieters. Je nach Einzelfall können aber aufgrund der mietvertraglich vereinbarten Risikoverteilung abweichende Regelungen gelten.
Für die aufgrund behördlicher Anordnung zur Ladenschließung betroffenen Mieter hat sich diese Situation bereits überholt. Die behördlich angeordnete Schließung von Einzelhandelsgeschäften mit Ausnahme solcher Läden, die zur Deckung des dringenden und täglichen Lebensbedarfs dienen, wirft weitere Fragen zu Mietzahlungen auf:
Mietminderung
- Eigenständige Schließung aus wirtschaftlichen Gründen
Voraussetzung für eine Mietminderung ist das Vorliegen eines Mangels der Mietsache (§ 536 Abs. 1 S. 1 BGB). Grundsätzlich gilt: Schließt der Mieter seinen Betrieb eigenverantwortlich aus wirtschaftlichen Gründen, fehlt es an einem solchen Mangel und der Mieter hat die Miete weiterhin in voller Höhe zu entrichten
- Behördlich angeordnete Schließung
Beruht eine Ladenschließung auf einer behördlichen Anordnung, ist für eine Mietminderung entscheidend, ob diese einen Mangel der Mietsache darstellt. Öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und Gebrauchsbeschränken begründen nach der bisherigen Rechtsprechung nur einen Mangel, wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage der Mietsache beruhen (vgl. exemplarisch BGH, Urteil vom 13. Juli 2011 – XII ZR 189/09). Nicht als Mangel zu qualifizieren sind demgegenüber Nutzungseinschränkungen, die ihre Ursache in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters haben. Kurzum: Wenn die Schließung ihre Ursache darin hat, dass ein bestimmtes Objekt nicht mehr betrieben werden darf, kann eine Mietminderung in Betracht kommen. Anders ist es dagegen, wenn sich die jeweilige Anordnung auf bestimmte Betriebsarten bezieht. Das Risiko der Betriebsart trägt insofern der Mieter.
Die im Zuge der Corona-Krise bisher verfügten Ladenschließungen erfolgten zur Verringerung der Kundenfrequenz im Einzelhandel und damit einhergehender Infektionsrisiken. Es wurde in den verschiedenen Verfügungen und Verordnungen in der Regel eine Differenzierung anhand der Betriebsart vorgenommen. Ausdrücklich zulässig sollen solche Geschäfte bleiben, die zur Nahversorgung notwendig sind, also beispielsweise Lebensmittelhandel, Getränkemärkte, Banken/Sparkassen, Apotheken, Poststellen etc. Im Umkehrschluss steckt dahinter auch die Ermessensentscheidung der jeweiligen Behörde zur Schließung solcher Ladenlokale, die aufgrund ihres Warenangebotes nur Artikel anbieten, auf die es in der aktuellen Ausnahmesituation nicht ankommt. Es handelt sich daher um rein betriebsbezogene hoheitliche Eingriffe, die nicht im direkten Zusammenhang mit der Mietsache stehen. Die betroffenen Mieter können ihre Mietsache auch weiterhin nutzen, beispielsweise für interne Zwecke, Inventur, Dekoration, etc. Die Erlaubnis, wieder für den Publikumsverkehr zu öffnen, kommt daher einer Entscheidung über die Gewerbeerlaubnis gleich. Aufgrund der derzeitigen Gesetzeslage und der bisherigen Rechtslage besteht die Mietzahlungspflicht daher fort.
- Mietminderung aufgrund Einschränkung der Gebrauchsüberlassung
Vermeiden sollten die Vermieter nach aktueller Rechtslage eine voreilige eigenverantwortliche Beschränkung der Gebrauchsüberlassung, ohne eine an sie gerichtete behördliche Anordnung. Dies gilt nicht nur für das Mietobjekt selbst, sondern auch für Allgemeinflächen (z.B. durch Schließung von Teilbereichen eines Shopping-Centers oder eines Fachmarktzentrums). Denn andernfalls könnten die betroffenen Mieter sich – je nach Einzelfall – auf eine faktische Beeinträchtigung der Nutzbarkeit des Mietobjekts berufe und sich zur Geltendmachung von Mietminderung oder Schadensersatz veranlasst sehen.
Anspruch auf Vertragsanpassung
Haben Mieter und Vermieter bei Abschluss des Vertrages besondere Umstände nicht vorhergesehen, die zu einer schwerwiegenden Veränderung der Geschäftsbeziehung führen, kann nach Treu und Glauben eine rechtliche Korrektur erforderlich sein. In besonderen Ausnahmefällen besteht deshalb die Möglichkeit einer Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der sog. „Störung der Geschäftsgrundlage“ (§ 313 Abs. 1 BGB). Bisher stand die Rechtsprechung im gewerblichen Mietrecht einem Rückgriff auf diese Grundsätze ablehnend gegenüber. Das bedeutet, dass auch unter Berücksichtigung des Rechtsinstituts der Störung der Geschäftsgrundlage nach aktueller Rechtsprechung vom Fortbestand der Mietzahlungspflicht auszugehen ist. Mit Blick auf das historische Ausmaß der Corona-Krise und die damit verbundene Dauer und Intensität der wirtschaftlichen Belastung der Mieter, mag sich allerdings eine abweichende Linie in der Rechtsprechung entwickeln, die derzeit noch nicht absehbar ist.
Auch bei einer Anwendung der Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage ist jedoch die im betroffenen Mietvertrag festgelegte Risikoverteilung zu berücksichtigen.
Schadensersatzansprüche
Schadensersatzansprüche des Mieters gegen den Vermieter dürften nur im Ausnahmefall bestehen. Denn diese setzen regelmäßig ein Verschulden des Vermieters voraus, an dem es in der Regel fehlen wird. Denkbar wären Schadensersatzansprüche allerdings, wenn der Vermieter sich – z.B. in einem Shopping-Center oder Fachmarktzentrum – ohne behördliche Anordnung zur Schließung von Mietflächen entscheidet oder eine behördliche Schließung konkret gegenüber einem einzelnen Vermieter angeordnet wird (z.B. aufgrund der Nichteinhaltung von Hygienevorschriften).
Schlussfolgerung
Nach derzeitiger Rechtslage liegt das wirtschaftliche Risiko im Falle einer behördlichen Anordnung zur Ladenschließung grundsätzlich beim Mieter. Eine Mietminderung oder Schadensersatzansprüche des Mieters gegen den Vermieter sind die Ausnahme. Gleichwohl sind sowohl die mietvertraglich vereinbarte Risikoverteilung sowie die jeweils einschlägige behördliche Verfügung im Einzelfall zu prüfen. Abzuwarten bleibt, ob die Rechtsprechung die Grundsätze zur Störung der Geschäftsgrundlage zur Anwendung bringt, um den Vermieter an der anhaltenden wirtschaftlichen Belastung des Mieters zu beteiligen.
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