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Zehn Punkte Plan gegen resistente Keime

24.03.2015

Kampf gegen multiresistente Krankenhaus-Keime

Bundesgesundheitsministerium legt 10-Punkte-Plan vor

Am 23.03.2015 wurde bekannt, dass Bundesgesundheitsminister Gröhe einen 10-Punkte-Plan gegen die Ausbreitung multiresistenter Erreger in Krankenhäusern – zunächst zur internen Abstimmung mit den weiteren Ressorts der Bundesregierung – vorgelegt hat. Sollten die Vorschläge aus dem Bundesgesundheitsministerium umgesetzt werden, sind wesentliche Änderungen in der Gesetzgebung auf Bundes- und Landesebene, insbesondere mit Auswirkungen auf die Hygiene- und Meldestandards der deutschen Krankenhäuser, zu erwarten.

 

Hintergrund

Steigendes Risiko durch multiresistente Erreger

Mit der Infektion von über 30 Patienten mit einem gleich gegen vier Antibiotikagruppen resistenten Erreger (acinetobacter baumannii) in einem deutschen Universitätsklinikum wurde Anfang 2015 die bundesweite Diskussion über Risiken einer (zusätzlichen) Infektion aufgrund einer Krankenhausbehandlung neu befeuert. Im internationalen Kontext wird derzeit zudem vermehrt über panresistente Erregerstämme berichtet, die unempfindlich sogar gegen sog. Reserve-Antibiotika (als „letzte Instanz“) sind. Am Beispiel des acinetobacter baumannii wird schließlich deutlich, dass sich die ohnehin bestehenden Risiken durch multiresistente Erreger nochmals erhöhen, da einige von ihnen als „genetischer Umwandler“ fungieren, d.h. Resistenzgene aufnehmen, diese verändern bzw. neuordnen und das genetisch brisante Material dann an andere Bakterienstämme weitergeben können.

Darüber hinaus gehen Experten davon aus, dass sich das Problem der Ausbreitung multiresistenter Erreger in deutschen Krankenhäusern weiter verschärfen wird, da sich insbesondere der Altersdurchschnitt der Patienten (und damit die durchschnittliche Anfälligkeit) weiter nach oben verschiebt und die Zahl der medizinisch komplexen Eingriffe (und damit das Risiko eines gefährlichen Infektionsverlaufs) zunimmt.

Von Bedeutung ist der Kampf gegen (multiresistente) Erreger in Krankenhäusern schließlich nicht nur für die potentiell betroffenen Patienten, sondern auch für jedes der betroffenen Krankenhäuser, da die Frage, wie ein Keim in die Klinik gelangen konnte und ob daraus ggf. strafrechtliche Vorwürfe entstehen können, des Öfteren auch im Zuge von Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaften zu klären ist.

Der 10-Punkte-Plan des Bundesgesundheitsministeriums

Nachdem der Gesetzgeber auf Bundes- und Landesebene mit Neuregelungen im Infektionsschutzgesetz (IfSG) sowie den medizinischen Hygieneverordnungen der Länder auch in der Vergangenheit bereits Anstrengungen unternommen hatte, das Problem der Ausbreitung multiresistenter Keime in Krankenhäusern einzudämmen, wird nun ein neuer Anlauf unternommen, da erhoffte Verbesserungen bislang ausgeblieben sind.

Obwohl der (interne) 10-Punkte-Plan des Bundesgesundheitsministers bislang noch nicht veröffentlicht und zunächst lediglich in die Ressortabstimmung der Bundesregierung gegangen ist, lassen sich (insofern übereinstimmenden) öffentlich zugänglichen Berichten bereits folgende Eckpunkte entnehmen:

  • Es soll untersucht werden, ob eine Verpflichtung, Patienten vor „planbaren Kranken-hausaufenthalten“ einem obligatorischen Test auf multiresistente Keime zu unterziehen und bis zum Ausschluss einer Infektion zu isolieren, vorgesehen werden kann (derzeit lediglich bei sog. Risikopatienten und hinsichtlich bestimmter Erreger der Fall).
  • Die Meldepflicht soll (insbesondere mit Blick auf besonders gefährliche Erreger) in der Form verschärft werden, als dass Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen künftig schon beim ersten Nachweis das Auftreten multiresistenter Keime den zuständigen Behörden anzuzeigen haben.
  • Gesundheitseinrichtungen sollen verpflichtet werden, ihr Personal in der Antibiotikatherapie und der Infektionsvermeidung weiterzubilden. Dabei soll der vorsichtige Umgang mit Antibiotika eine zunehmende Rolle spielen, da deren unsachgemäßer oder vorschneller Einsatz Resistenzen betreffender Erreger verstärken kann.
  • Fokussierung auf die zwingende Einhaltung bestehender Hygiene-Regelungen und Standards unter fortgeschrittener Einbindung des Robert-Koch-Instituts (RKI) als überregionaler Experteneinrichtung.
  • Patienten sollen sich einfacher und schneller über die Hygienesituation und –standards in Krankenhäusern und Gesundheitseinrichtungen informieren können (den Gesund-heitseinrichtungen sollen diesbezügliche Informationspflichten auferlegt werden, in dem Qualitätsberichte mit einem – allgemeinverständlichen – Zusatzteil zu versehen sind).
  • Darüber hinaus soll auch die Zusammenarbeit mit der pharmazeutischen Industrie intensiviert werden. Hier sollen – unter verstärkter Zusammenführung der Bereiche Human- und Tiermedizin – insbesondere neue Anreize zur Entwicklung neuer Antibiotika zur Bekämpfung (derzeit) resistenter Erreger geschaffen und bestehende Innovationsbremsen abgebaut werden.
  • Mit Blick auf die internationale Zusammenarbeit wird sich Deutschland schließlich im Rahmen seiner G7-Präsidentschaft (Gipfeltermin 07. / 08.06.2015) darum bemühen, die Entwicklung neuer Antibiotika, Testmethoden und alternativer Behandlungen zu fördern.

Ausblick

Gesetzesänderungen und Auswirkungen auf den Gesundheitssektor

Da die Infektionszahlen in deutschen Kliniken im internationalen Vergleich – bspw. mit Blick auf die Situation in den Niederlanden – immer noch teils deutlich über den Vergleichswerten liegen, ist der Vorstoß des Bundesgesundheitsministeriums sicherlich zu begrüßen.

Der 10-Punkte-Plan wird nunmehr mit weiteren Bundesministerien sowie (mit Blick auf die zu erwartenden Auswirkungen auf die Länderkompetenzen) mit den Landesgesundheitsministerien diskutiert. Sollte es sodann zur verbindlichen Festschreibung der o.g. Eckpunkte kommen, werden wesentliche Gesetzesänderungen und die Aufnahme gesetzlicher (bußgeld- oder gar strafbewährter) Neuverpflichtungen notwendig sein werden (die vor allem das IfSG sowie die medizinischen Hygieneverordnungen der Länder betreffen werden). In welcher Form und in welchem Zeitrahmen die derzeitigen Vorschläge in der Folge dann tatsächlich umgesetzt werden können, bleibt derzeit allerdings noch unklar.

Ungeklärt bleibt dabei auch, wie der ohne Zweifel entstehende Zusatzaufwand im Zusammenhang mit der Erfüllung der Neuverpflichtungen finanziert wird, wobei (nicht nur aus Sicht der Gesundheitseinrichtungen) der Standpunkt naheliegt, dass die Kostentragung vollständig durch die Bereitstellung öffentlicher Mittel zu erfolgen hat (im Sinne der Kostentragungsregelung des § 69 IfSG). Finanziert werden könnte der (personelle) Zusatzaufwand auch über Sonderförderungen, wie dem bereits bestehenden Hygiene-Förderprogramm nach § 4 Abs. 11 des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG) zum Zwecke der Neueinstellung von Hygiene-Fachpersonal.

Aus Sicht der pharmazeutischen Unternehmen bleibt zu hoffen, dass den lobenswerten Aussagen des 10-Punkte-Plans auch Taten folgen und die Entwicklung, Herstellung und Zulassung neuartiger Präparate (nach Maßgabe des Arzneimittelgesetzes und seiner Verordnungen) tatsächlich erleichtert wird. Eine der großen Herausforderungen wird diesbezüglich auch die EU-weite Abstimmung, Konsolidierung und Harmonisierung veränderter Zulassungsvorschriften darstellen.

Schließlich dürfte unwahrscheinlich sein, dass die gewünschten – allerdings nur mit erhöhtem Aufwand zu erforschenden – Antibiotika-Varianten mit neuen Wirkprinzipien lediglich über die Erlöse der produzierenden Pharmaunternehmen refinanziert werden können (auch weil diese regelmäßig „nur“ als Reserve-Antibiotika eingesetzt werden). Damit wird den Forschungsmitteln für den Bereich der Antibiotikaresistenzen auf EU-Ebene und nationaler Ebene künftig besondere Bedeutung zukommen.