Verordnungsentwurf der Europäischen Kommission geht gegen ausländische Subventionen vor
Hintergrund
In der EU werden die Zeiten für ausländische Investoren härter! Die Mitgliedsstaaten verschärfen ihre Regelungen zur Kontrolle ausländischer Direktinvestitionen (siehe unseren Alert hier) und die nationalen Wettbewerbsbehörden fordern eine strengere Durchsetzung der Fusionskontrolle (siehe unseren Alert hier). Die Europäische Kommission („Kommission") ermutigt die Mitgliedsstaaten, nicht meldepflichtige Transaktionen an sie zu verweisen, und der vorgeschlagene Digital Markets Act (DMA) zeigt die Zielrichtung der Absicht der Kommission, die (hauptsächlich in den USA ansässigen) Gatekeeper auf den digitalen Märkten zu regulieren (siehe unseren Alert hier).
Da die Investitionen ausländischer Unternehmen, einschließlich staatlicher Unternehmen, in der EU in den letzten Jahren rapide zugenommen haben, sind die politischen Entscheidungsträger in der EU zunehmend skeptisch geworden, dass die bestehenden Instrumente für staatliche Beihilfen, Kartell-/Fusionskontrolle, Beschaffung und die handelspolitischen Schutzinstrumente ausreichen, um die durch Subventionen von Nicht-EU-Ländern (empfundenen) Verzerrungen zu bekämpfen. Daher hat die Kommission im Juni letzten Jahres ein Weißbuch zur Gewährleistung fairer Wettbewerbsbedingungen bei Subventionen aus Drittstaaten angenommen: Es wurden neuartige und weitreichende Interventionsbefugnisse für die Kommission diskutiert, um die Regulierungslücke zu schließen (siehe unseren Alert hier). Während der einschlägigen öffentlichen Konsultation erhielt die Kommission 150 Beiträge: Während fast alle Teilnehmer aus der EU die Initiative begrüßten, standen Nicht-EU-Stakeholder - wenig überraschend - generell jeder Form von Regulierung zusätzlich zu den bestehenden Kartellvorschriften und Handelsschutzinstrumenten kritisch gegenüber.
Die Kommission hat nun ihren Verordnungsvorschlag veröffentlicht, der die Kommission mit drei neuen Regulierungsinstrumenten ausstattet: (i) ein meldebasiertes Untersuchungsinstrument für bestimmte Transaktionen, die auf die Erleichterung von Zusammenschlüssen abzielen; (ii) ein meldebasiertes Untersuchungsinstrument für Angebote bei großen öffentlichen Aufträgen; und (iii) ein allgemeines Untersuchungsinstrument, mit dem die Kommission von sich aus alle Märkte untersuchen kann, die möglicherweise durch ausländische Subventionen negativ beeinflusst wurden.
Im Rahmen der öffentlichen Konsultation, die am 7. Mai 2021 begann, können interessierte Kreise bis zum 4. Juli 2021 zu der vorgeschlagenen Verordnung ihre Stellungnahmen abgeben.
Ausländische Subventionen und ihre wettbewerbsverzerrenden Auswirkungen
Das wesentliche Kriterium, anhand dessen die Kommission ausländische Subventionen zu prüfen gedenkt, ist die Frage, ob die ausländische Subvention geeignet ist, die Wettbewerbsposition des betreffenden Unternehmens im Binnenmarkt zu verbessern, und ob sie sich dabei tatsächlich oder potenziell negativ auf den Gesamtwettbewerb im Binnenmarkt auswirkt. Bei der Bewertung der Subvention wird die Kommission die wettbewerbsverzerrenden Auswirkungen gegen die möglichen positiven Auswirkungen einer Subvention abwägen.
Ausländische Subvention: In Anbetracht des Hauptziels der vorgeschlagenen Verordnung - nämlich Subventionen zu erfassen, die nur deshalb nicht den EU-Beihilfevorschriften unterliegen, weil sie nicht von einem EU-Mitgliedstaat gewährt wurden - sieht die Kommission eine Definition vor, die sowohl derjenigen für staatliche Beihilfen in der EU sehr ähnlich ist, als auch weitgehend der Definition einer Subvention im Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen („SCM-Übereinkommen“) der Welthandelsorganisation („WTO“) entspricht. Somit ist die Definition begrifflich sehr weit gefasst und erfasst voraussichtlich eine Vielzahl von finanziellen Beiträgen aus Nicht-EU-Ländern.
Eine ausländische Subvention liegt vor, wenn ein Drittland einen finanziellen Beitrag leistet, der einem im Binnenmarkt tätigen Unternehmen einen Vorteil verschafft und der rechtlich oder tatsächlich auf ein einzelnes Unternehmen oder einen Wirtschaftszweig oder auf mehrere Unternehmen oder Wirtschaftszweige beschränkt (d. h. selektiv) ist.
Ebenso wie der Begriff des „Vorteils“ im Sinne der Beihilfevorschriften kann eine finanzielle Beihilfe die Übertragung von Mitteln oder Verbindlichkeiten umfassen, z. B. Kapitalzuführungen, Zuschüsse, Darlehen, Darlehensbürgschaften, steuerliche Anreize, Ausgleich von Betriebsverlusten, Ausgleich für von der öffentlichen Hand auferlegte finanzielle Belastungen, Schuldenerlass, Umwandlung von Schulden in Eigenkapital oder Umschuldung oder den Verzicht auf Einnahmen. Die wichtigste Voraussetzung ist die zumindest indirekte Herkunft von einer Regierung („Zurechenbarkeit“ im Sinne des EU-Beihilferechts).
Verzerrungen auf dem Binnenmarkt: Bei der Einzelfallprüfung wird die Kommission, wiederum ähnlich wie bei den EU-Beihilfevorschriften, bestimmte Indikatoren berücksichtigen, z. B. die Höhe und Art der ausländischen Subvention. Subventionen für Unternehmen in Schwierigkeiten werden als besonders kritisch angesehen, es sei denn, sie wurden unter strengen Bedingungen gewährt, die den für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen in der EU geltenden Bedingungen entsprechen.
Bleiben ausländische Subventionen unter einem quantitativen Schwellenwert von 5 Mio. EURO über drei Steuerjahre (De-minimis-Beihilfen), sind sie als ausgenommen anzusehen.
Abwägung: Nach dem Verordnungsvorschlag soll die Kommission, soweit dies gerechtfertigt ist, die negativen Auswirkungen einer ausländischen Subvention in Form von Verzerrungen auf dem Binnenmarkt gegen die positiven Auswirkungen auf die Entwicklung der betreffenden Wirtschaftstätigkeit abwägen. Die Kommission wird also über einen erheblichen Ermessensspielraum verfügen, wenn sie entscheidet, ob sie Abhilfemaßnahmen auferlegt oder Verpflichtungszusagen akzeptiert, und wenn sie über Art und Niveau dieser Abhilfemaßnahmen oder Verpflichtungszusagen entscheidet.
Verpflichtungszusagen oder Abhilfemaßnahmen, die beide die Verzerrung vollständig und wirksam beseitigen sollen, können aus Folgendem bestehen: (i) Gewährung des Zugangs zu einer Infrastruktur, die mithilfe der wettbewerbsverzerrenden ausländischen Subventionen erworben oder gefördert wurde, zu fairen und nichtdiskriminierenden Bedingungen; (ii) Verringerung der Kapazitäten oder der Marktpräsenz; (iii) Verzicht auf bestimmte Investitionen; (iv) Lizenzierung von Vermögenswerten, die mit Hilfe ausländischer Subventionen erworben oder entwickelt wurden, zu fairen, angemessenen und nichtdiskriminierenden („FRAND“-) Bedingungen; (v) Veröffentlichung von Forschungs- und Entwicklungsergebnissen; (vi) Veräußerung bestimmter Vermögenswerte; (vii) Aufforderung an die beteiligten Unternehmen, den Zusammenschluss aufzulösen; (viii) Rückzahlung der ausländischen Subvention einschließlich eines angemessenen Zinssatzes.
Unternehmenszusammenschlüsse
Der Verordnungsvorschlag führt zusätzlich zur bestehenden EU-Fusionskontrolle eine neue Anmeldepflicht für anmeldepflichtige Transaktionen ein. Solche anmeldepflichtigen Transaktionen sind Unternehmenszusammenschlüsse und Kontrollerwerbe, bei denen Unternehmen mit Sitz in der EU (z. B. Zielgesellschaften, Joint Venture) einen unionsweiten Umsatz von mindestens EUR 500 Mio. hatten und sich die in den drei Kalenderjahren vor der Anmeldung erhaltenen ausländischen Subventionen auf EUR 50 Mio. belaufen.
In dieser Hinsicht lehnt sich die vorgeschlagene Verordnung stark an die EU-Fusionskontrollbestimmungen an: Sie sieht eine Voranmeldepflicht vor, und die Parteien müssen die Freigabe abwarten, bis der Abschluss erlaubt ist. Bei Nichtanmeldung ist die Kommission berechtigt, jederzeit nach dem Closing Nachforschungen anzustellen. Das normale Verfahren umfasst eine erste Phase von 25 Arbeitstagen und eine zweite, vertiefte Phase von regelmäßig 90 Arbeitstagen. Die Kommission kann eine Transaktion verbieten oder sie von Verpflichtungszusagen der Parteien abhängig machen. Der Entwurf räumt der Kommission die Möglichkeit ein, eine bestimmte Transaktion rückgängig zu machen und Geldbußen zwischen 1% und 10% des Gesamtumsatzes zu verhängen.
Untersuchungen von Amts wegen
Die Kommission wird die Möglichkeit haben, Informationen aus jeglicher Quelle über angeblich wettbewerbsverzerrende ausländische Subventionen von Amts wegen zu überprüfen. Dies würde es insbesondere Wettbewerbern ermöglichen, Beschwerden einzureichen und eine Untersuchung zu initiieren.
Die Kommission kann zunächst eine vorläufige Prüfung durchführen. Wenn es genügend Anhaltspunkte gibt, kann die Kommission eine eingehende Untersuchung einleiten. In beiden Phasen kann die Kommission an Unternehmen in Mitgliedstaaten oder Drittstaaten Auskunftsersuchen richten. In jeder Phase ist die Kommission berechtigt, Nachprüfungen in und außerhalb der Europäischen Union durchzuführen (ähnlich wie bei Durchsuchungen (sog. Dawn Raids) - außerhalb der EU nur, wenn das Unternehmen und der ausländische Staat die Nachprüfung erlauben).
Die Folgen der verweigerten Zusammenarbeit können weitreichend sein: Werden notwendige Informationen nicht geliefert, geht die Kommission davon aus, dass ein finanzieller Beitrag einen Vorteil herbeiführt. Sie kann auch Geldbußen und Zwangsgelder verhängen.
Stellt die Kommission nach eingehender Prüfung fest, dass eine ausländische Subvention den Binnenmarkt verzerrt, kann sie Abhilfemaßnahmen auferlegen oder Verpflichtungszusagen des untersuchten Unternehmens akzeptieren. Auch vorläufige Maßnahmen sind möglich. Bei Nichteinhaltung kann insbesondere die Höhe der Geldbuße auf bis zu 10 % des Gesamtumsatzes im vorangegangenen Geschäftsjahr erhöht werden.
Öffentliches Beschaffungswesen
Als drittes Instrument führt der Verordnungsvorschlag eine Anmeldepflicht für alle öffentlichen Vergabeverfahren mit einem Wert von über EUR 250 Mio. ein. Öffentliche Vergabeverfahren unterhalb dieses Schwellenwerts sind zwar nicht anzeigepflichtig, können aber von der Kommission von Amts wegen überprüft werden.
Das Notifizierungssystem baut auf den bestehenden EU-Vergabevorschriften auf und gilt für alle Arten von Vergabeverfahren, öffentlichen Aufträgen, Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträgen sowie Bau- und Dienstleistungskonzessionen. Unternehmen, die an einem dieser Vergabeverfahren teilnehmen, sind verpflichtet, dem öffentlichen Auftraggeber alle ausländischen Subventionen mitzuteilen, die nicht nur sie selbst, sondern auch ihre Hauptlieferanten oder Unterauftragnehmer in den letzten drei Jahren erhalten haben. Der Auftraggeber leitet die Meldungen dann an die Kommission weiter, die innerhalb von 60 Tagen eine vorläufige Prüfung vornimmt und innerhalb von 200 Tagen nach Erhalt eine eingehende Untersuchung abschließt. Es darf kein Auftrag vergeben werden, es sei denn, die entsprechende Nachprüfungsfrist ist abgelaufen oder die Kommission hat festgestellt, dass die ausländische Subvention den Markt nicht verzerrt. Die Kommission kann für das Versäumnis, eine Subvention anzumelden, Geldbußen in Höhe von bis zu 10 % des Gesamtumsatzes, und in Höhe von bis zu 1 % für die Bereitstellung falscher oder irreführender Informationen verhängen.
Verfahren
Anders als im Weißbuch vorgesehen, soll die Durchsetzung der neuen Regeln ausschließlich auf der Ebene der Kommission und nicht mehr auf der Ebene der Mitgliedstaaten erfolgen. Außerdem kann eine ausländische Subvention, die im Zusammenhang mit einem bestimmten Zusammenschlussvorhaben oder einem öffentlichen Beschaffungsauftrag angemeldet wurde, im Rahmen einer anderen Wirtschaftstätigkeit erneut geprüft werden.
Außerdem kann die Kommission eine Marktuntersuchung für einen ganzen Sektor einleiten, wenn sie den begründeten Verdacht hat, dass gerade dieser Sektor von ausländischen Subventionen betroffen ist.
Schließlich führt die vorgeschlagene Verordnung lange Verjährungsfristen ein, die es der Kommission effektiv ermöglichen, ausländische Subventionen über ein Jahrzehnt nach ihrer Gewährung zu überprüfen. Jede Untersuchung der Subventionen während dieses Zeitraums setzt die Uhr effektiv zurück. Für die Verhängung von Geldbußen und deren Durchsetzung gelten etwas kürzere Verjährungsfristen (drei bzw. fünf Jahre).
In praktischer Hinsicht sind die größten verfahrenstechnischen Herausforderungen zu erwarten, soweit es um die Durchsetzbarkeit der vorgeschlagenen Verordnung geht. So erscheint es bestenfalls ungewiss, inwieweit die Kommission Zugang zu allen relevanten Informationen erhalten wird, die für die Beurteilung des Vorliegens einer verzerrenden ausländischen Subvention erforderlich sind.
Fazit
Um Gesetzeskraft zu erlangen, müssen das Europäische Parlament und der Rat den Vorschlag der Kommission beraten, um einen endgültigen Text der Verordnung zu verabschieden.
Die Europäische Kommission hat den Rat und das Europäische Parlament zu einer raschen Verabschiedung aufgefordert, aber da einige Mitgliedstaaten offener für ausländische Investitionen sind und andere eine protektionistischere Linie bevorzugen, stehen dem Verordnungsvorschlag im Rat harte Zeiten bevor. Im Europäischen Parlament hingegen könnte der Verordnungsvorschlag leichter und auf breiter Basis als ein wertvolles Instrument zur Bewältigung der Anfälligkeit der europäischen Wirtschaft und der Unternehmen in der Union, die durch die Covid-19-Pandemie besonders gefährdet sind, begrüßt werden. Erfahrungsgemäß kann es zwischen 18 Monaten und zwei Jahren dauern, bis die endgültige Fassung der Verordnung verabschiedet wird.
Politisch wird der Verordnungsvorschlag wahrscheinlich weltweit große Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Auf die Frage, ob das Weißbuch auf ausländische Subventionen aus bestimmten Ländern abziele, nannte EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton Berichten zufolge China, Länder aus dem Nahen Osten und nicht zuletzt das Vereinigte Königreich. Der Verordnungsvorschlag scheint immer noch hauptsächlich auf Importe aus diesen Ländern abzuzielen. Wenngleich der Verordnungsvorschlag keine offene Diskriminierung von EU-Investitionen aus einem bestimmten Land darstellt, wird die tatsächliche Anwendung der Verordnung nach ihrer Verabschiedung zweifellos sehr kritisch geprüft werden, um festzustellen, ob die neue Art und Weise, wie die EU mit angeblich wettbewerbsverzerrenden Auswirkungen ausländischer Subventionen umgeht, gegen die WTO-Verpflichtungen der EU im Rahmen des SCM-Übereinkommens sowie gegen die Regeln der Fairness des Verfahrens und die Grundsätze der Inländerbehandlung und der Meistbegünstigung verstößt, wie sie im Allgemeinen Handels- und Zollabkommen 1994 („GATT 1994“), dem Allgemeinen Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen („GATS“), dem Abkommen über handelsbezogene Investitionsmaßnahmen („TRIMS“) und dem plurilateralen Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen („GPA“) der WTO verankert sind.
Europäische Unternehmen, die sich künftig auf größere, aus Nicht-EU-Ländern stammende Investitionen verlassen, die eine ausländische Subvention sein könnten, sind gut beraten, die Zeit bis zur Verabschiedung der Verordnung gut zu nutzen. Insbesondere ist es jetzt an der Zeit, die notwendigen internen Verfahren zu etablieren, um festzustellen, ob in der EU getätigte Investitionen von Investitionen aus Drittländern oder anderen direkten oder indirekten finanziellen Beiträgen profitiert haben, die von der Kommission als wettbewerbsverzerrende ausländische Subventionen untersucht werden könnten.