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Verordnung für autonome Fahrzeuge: Vervollständigung des nationalen Rechtsrahmens in Sicht

24.02.2022

Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) hat am 23.02.2022 die „Verordnung zur Genehmigung und zum Betrieb von Kraftfahrzeugen mit autonomer Fahrfunktion in festgelegten Betriebsbereichen“ (Autonome Fahrzeuge Genehmigungs- und Betriebs-Verordnung, kurz „AFGBV“) auf den Weg gebracht. Das BMDV knüpft mit dieser Verordnung an die StVG-Novelle 2021 an und vervollständigt in erster Linie den in den §§ 1d StVG ff. niedergelegten Rechtsrahmen für Kraftfahrzeuge mit autonomer Fahrfunktion in festgelegten Betriebsbereichen. Mit den Regelungen soll nicht mehr nur die Erprobung autonomer Fahrfunktionen auf Grundlage von technischen Ausnahmegenehmigungen, sondern vielmehr deren Regelbetrieb in festgelegten Betriebsbereichen ermöglicht werden.

Praxisrelevanter Regelungsgehalt

Der Inhalt der AFGBV dürfte gerade für Hersteller und künftige Anbieter von autonomen Fahrzeugen in festgelegten Betriebsbereichen interessant sein, da mit der Verordnung besonders praxisrelevante Punkte adressiert werden:

    • Genehmigung und Zulassung von autonomen Fahrzeugen in festgelegten Betriebsbereichen.
    • Konkretisierung der (nationalen) technischen Anforderungen für Fahrzeuge mit autonomer Fahrfunktion und Definition von Test- und Validierungsmethoden zur Überprüfung der Einhaltung der technischen Anforderungen im Genehmigungsverfahren.
    • Ausgestaltung der in der StVG-Novelle 2021 bereits angelegten Anforderungen an den Hersteller, den Halter und an die Technische Aufsicht.

Genehmigung des autonomen Fahrzeugs

Zunächst benötigt der Hersteller eine Betriebserlaubnis für das autonome Fahrzeug, welche beim Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) zu beantragen ist, § 1e Abs. 4 StVG. Die diesbezüglichen Voraussetzungen werden in § 3 AFGBV nunmehr konkretisiert. Dem Hersteller wird mit § 3 Abs. 2 AFGBV für das (nationale) Genehmigungsverfahren insbesondere ein Vorschriften-Katalog an die Hand gegeben, welche Erklärungen durch ihn abzugeben sind und welche Unterlagen dem KBA vorzulegen sind.

Der Prüfungsumfang des KBA wird ebenfalls in § 3 AFGBV abgesteckt. Nach dessen Absatz 4 sind unter anderem die technischen Anforderungen der Anlage I zur AFGBV einzuhalten. Mit dieser Anlage I hat das BMDV einen umfassenden Anforderungskatalog an Kraftfahrzeuge mit autonomer Fahrfunktion erstellt. Hiermit wird der mit der StVG-Novelle 2021 eingeläutete Paradigmenwechsel abgeschlossen, wonach für autonome Fahrfunktionen auf nationale – und nicht internationale – technische Vorschriften abgestellt werden soll.

Bei der Einführung von hoch- oder vollautomatisierten Fahrfunktionen im Sinne von § 1a StVG kam es zu erheblichen Verzögerungen, da die internationalen technischen Vorschriften, namentlich die UN-ECE-Vorschriften (auf die im europäisch harmonisierten Genehmigungsverfahren referenziert wird), nicht zügig genug angepasst werden konnten. So wurde im Rahmen der gemäß § 1c StVG durchgeführten Evaluierung noch im April 2021 festgestellt: „Derzeit sind noch keine Kraftfahrzeuge mit gemäß § 1a StVG automatisierten Fahrfunktionen in Deutschland zugelassen worden.“ (Drucksache 19/28800, S. 3). Der mit der StVG-Novelle 2017 verfolgte zeitnahe Einsatz von hoch- oder vollautomatisierten Fahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr wurde damit verfehlt.

Auch mangels Vorschriften auf internationaler Ebene wurden in Deutschland nunmehr die technischen Vorgaben für autonome Fahrfunktionen national im Verordnungswege erlassen. Insofern kann im Kraftfahrzeugbereich nach Jahrzehnten der Harmonisierung des Genehmigungsverfahrens auf europäischer Ebene und Vereinheitlichung der technischen Vorschriften auf internationaler Ebene jedenfalls in Bezug auf autonome Fahrzeuge in festgelegten Betriebsbereichen von einem Paradigmenwechsel gesprochen werden. Diese Besonderheit wird gerade für OEM außerhalb von Deutschland ungewohnt sein, sobald sich diese mit der Genehmigung von autonomen Fahrzeugen in Deutschland auseinandersetzen.

Genehmigung des festgelegten Betriebsbereichs

Auf einer zweiten Stufe ist der Betriebsbereich, in dem das autonome Fahrzeug eingesetzt werden darf, zu genehmigen. Auch hierzu werden in der Verordnung Regelungen getroffen, die Voraussetzungen und das Verfahren ausgestalten. Nach § 7 Abs. 1 AFGBV erfolgt die Festlegung des Betriebsbereichs durch den Halter des autonomen Kraftfahrzeuges, wobei die Voraussetzungen für den Antrag in § 8 AFGBV konkretisiert werden. Für die Genehmigung durch die zuständige Behörde ist entscheidend, ob der Betriebsbereich für den Betrieb des konkreten Fahrzeuges geeignet ist (§ 9 Abs. 1 Nr.2 i.V.m Abs. 2 AFGBV).

Liegen sowohl die Betriebserlaubnis als auch die Genehmigung des festgelegten Betriebsbereichs vor und besteht eine entsprechende Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, kann das autonome Fahrzeug zugelassen werden. Das Nähere zur Anwendbarkeit der Fahrzeug-Zulassungs-Verordnung (FZV) regelt § 11 AFGBV.

Konkretisierung der Anforderungen an Hersteller, Halter und Technische Aufsicht

Sowohl dem Hersteller (§ 12 AFGBV) als auch dem Halter (§ 13 AFGBV) werden weitergehende Pflichten auferlegt. Besonderes Augenmerk ist auf die konkreten Anforderungen an die Technische Aufsicht (§ 1d Abs. 3 StVG) zu legen. Diesbezüglich wurde bereits mehrfach die Frage aufgeworfen, ob und welche Voraussetzungen an die Qualifikation der Technischen Aufsicht geknüpft sind. Mit § 14 AFGBV wird klargestellt, dass die als Technische Aufsicht eingesetzte Person für die damit verbundenen Aufgaben geeignet sein muss. Die Eignung wird anhand von hohen Anforderungen an die Qualifikationen konkretisiert, was bereits im Vorgriff erhebliche Kritik erfahren hat. So muss die Person u.a. über ein abgeschlossenes technisches Studium verfügen oder staatlich geprüfter Techniker sein. Dadurch wird ein wirtschaftlicher Betrieb autonomer Systeme erheblich erschwert und die digitalen, neuen Mobilitätsangebote sicher nicht in dem Maße gefördert, wie dies eigentlich gewünscht ist.

Ausblick

Mit der Verordnung werden nunmehr entscheidende Vorgaben ergänzt, die im Rahmen der StVG-Novelle 2021 bewusst ausgespart wurden. Vor diesem Hintergrund erscheint ein zeitnaher Einsatz von autonomen Fahrzeugen in festgelegten Betriebsbereichen durch Hersteller und Anbieter von Mobilitätslösungen grundsätzlich als möglich – wenngleich man wohl weiterhin, u.a. wegen der hohen Anforderungen in § 14 AFGBV, nicht über einen Erprobungsverkehr hinauskommen wird. Spätestens im Rahmen der mit Ablauf des Jahres 2023 vorgesehenen Evaluierung (§ 1l StVG) wird festzustellen sein, ob die bestehenden Regelungen im StVG mit den Konkretisierungen der Verordnung harmonieren und auf nationaler Ebene eine sichere Rechtsgrundlage für den (wirtschaftlichen) Regelbetrieb von autonomen Fahrzeugen in festgelegten Betriebsbereichen bieten.