News

US-Supreme Court schränkt Zuständig­keit der Bundes­gerichte für die Bestätigung oder Aufhebung von Schieds­sprüchen ein

12.04.2022

Am 31. März 2022 entschied der US-Supreme Court mit Denise A. Badgerow v. Greg Walters, et al., über einen äußerst wichtigen Fall, der die Kompetenz von Bundesgerichten zur Bestätigung und Aufhebung von Schiedssprüchen zum Gegenstand hatte. Zuvor hatte das Gericht im Fall Vaden v. Discover Bank die Auffassung vertreten, dass gemäß Section 4 des Federal Arbitration Act (FAA), 9 U. S. C. §1 et seq. ein Bundesgericht über die Durchsetzung einer Schiedsvereinbarung entscheiden kann, solange das Gericht über den Antrag selbst oder durch den zugrundeliegenden materiell-rechtlichen Streit zuständig ist (der „Look-Through-Ansatz“). Im Fall Badgerow stellte das Gericht jedoch fest, dass es sich bei Anträgen auf Bestätigung oder Aufhebung von Schiedssprüchen durch ein Bundesgericht anders verhält.

Verfahrensgang

Der zugrundeliegende Streit im Fall Badgerow betraf die Beilegung eines Anspruchs wegen rechtswidriger Kündigung nach US-Bundesrecht und US-bundesstaatlichem Recht im Wege eines Schiedsverfahrens. Nachdem das Schiedsgericht der Auffassung des Schiedsbeklagten gefolgt war und die Ansprüche der Schiedsklägerin zurückgewiesen hatte, klagte die Schiedsklägerin gegen den Schiedsbeklagten vor dem Louisiana State Court auf Aufhebung des Schiedsspruches. Daraufhin zog der Schiedsbeklagte mit dem Fall vor den Federal District Court und beantragte die Bestätigung des Schiedsspruchs. Die Schiedsklägerin brachte vor, dass das Bundesgericht gemäß den Sections 9 und 10 des FAA für die Entscheidung über eine mögliche Bestätigung des Schiedsspruches nicht zuständig sei. Der Federal District Court übernahm den im Fall Vaden angewandten Look-Through-Ansatz und stellte damit seine Zuständigkeit fest. Der United States Court of Appeals for the Fifth Circuit bestätigte die durch den Federal District Court festgestellte Zuständigkeit. Der US-Supreme Court widersprach jedoch und hob das Urteil auf.

Aufhebung durch den Supreme Court

Die Zuständigkeit der US-Bundesgerichte beschränkt sich auf zwei Fallgruppen: Diversity-Fälle (Rechtstreitigkeiten zwischen Bürgern unterschiedlicher Bundesstaaten mit einem Streitwert von mehr als USD 75.000,00) und Federal Question-Fälle (Rechtstreitigkeiten nach US-Bundesrecht). Gemäß dem FAA können Parteien einer Schiedsvereinbarung die Bundesgerichte anrufen und die Erzwingung des Schiedsverfahrens (Section 4) bzw. die Bestätigung, Aufhebung oder Änderung von Schiedssprüchen beantragen (Sections 9 bis 11). Bei diesen Anträgen muss dennoch eine eigenständige Grundlage für die Zuständigkeit gegeben sein. Dies bedeutet, dass der Antrag selbst eine Diversity- oder Federal Question-Problematik zum Gegenstand haben muss; anderenfalls gehört der Antrag vor das Gericht eines Bundesstaates.

Da die Schiedsklägerin und der Schiedsbeklagte im Fall Badgerow aus dem selben US-Bundesstaat kamen und der Antrag sich gegen die Vollstreckbarkeit des Schiedsspruches und nicht etwa die rechtswidrige Kündigung richtete, die Gegenstand des Schiedsverfahrens war, lag weder eine Diversity-Frage noch eine Frage des Bundesrechts vor. Um dies zu umgehen, übernahm der Federal District Court den im Fall Vaden angewandten Look-Through-Ansatz um zu der zugrundeliegenden arbeitsrechtlichen Klage und dem darin geltend gemachten Anspruch nach Bundesrecht zu gelangen. Im Fall Vaden hatte das Gericht festgestellt, dass Section 4 FAA es Bundesgerichten gestattet, den zugrundeliegenden Streit zu betrachten, und zwar aufgrund des vom Kongress gewählten ausdrücklichen Wortlautes, wonach eine Partei einer Schiedsvereinbarung bei einem US District Court, der für den Streit zwischen den Parteien ohne die [Schieds-] Vereinbarung zuständig wäre (“United States district court which, save for [the arbitration] agreement, would have jurisdiction”, Hervorhebung hinzugefügt) die Erzwingung des Schiedsverfahrens beantragen kann. Das Gericht begründete dies damit, dass Gerichte durch die Worte „save for [the arbitration] agreement“ gehalten seien, bei Feststellung ihrer Zuständigkeit nicht den Antrag auf Durchsetzung der Vereinbarung zu betrachten, sondern vielmehr den zugrundeliegenden Streit zwischen den Parteien. Im Fall Badgerow vertrat das Gericht indes die Auffassung, dass Section 9 und 10 FAA einen anderen Wortlaut enthielten, da es dort an dem „save for“-Einschub fehle und die Look Through-Methode gemäß den Grundsätzen der Gesetzesauslegung daher nicht gelten dürfte.

Schlüsselerkenntnisse

  • Der Hauptzweck des FAA bestand in der Überwindung der zögerlichen Haltung einiger Richter bei der Durchsetzung von Schiedsvereinbarungen, wenn eine Partei stattdessen vor Gericht klagte. Anträge nach Section 4 auf Erzwingung des Schiedsverfahrens verlangen daher nach einer Ausweitung der Zuständigkeit der Bundesgerichte (mithin den Look-Through-Ansatz).

  • Anträge nach Section 9 und 10 FAA auf Bestätigung oder Aufhebung von Schiedssprüchen, mit denen Ansprüche nach bundesstaatlichem Recht zwischen Parteien aus demselben Bundesstaat (non-diverse) geltend gemacht werden, betreffen die in der Schiedsvereinbarung vorgesehenen vertraglichen Rechte, die grundsätzlich dem Recht des jeweiligen Bundesstaates unterliegen, und sind somit vor den bundesstaatlichen Gerichten zu stellen.

  • Diese neue Entscheidung kann auch Auswirkungen auf andere Sections des FAA haben. So erlaubt Section 5 die Beantragung der Bestimmung und Ernennung von Schiedsrichtern bei Gericht. Im Rahmen seiner abweichenden Auffassung führte Richter Breyer aus, dass eine Partei einen Richter um die Anordnung eines Schiedsverfahrens gemäß Section 4 ersuchen könne, denselben Richter jedoch möglicherweise nicht bitten könne, einen Schiedsrichter zu ernennen. Nach Section 7 können Bundesrichter die Anwesenheit von Zeugen erzwingen. In der abweichenden Auffassung werden die Fragen hervorgehoben, die auftreten könnten, wenn ein Zeuge außerhalb des Bundesstaates wohnt, ein anderer jedoch innerhalb des Bundesstaates. Es stelle sich die Frage, wer in dieser Situation die für die Zwecke der Diversity-Jurisdiktion relevanten Parteien sind.

  • Nunmehr wird es äußerst schwierig sein, vor einem Bundesgericht die Bestätigung oder Aufhebung von Schiedssprüchen zu beantragen. Falls die Schiedsvereinbarung keine Frage des Bundesrechts betrifft, könnte die Erreichung des für die Diversity-Zuständigkeit erforderlichen Schwellenwerts von USD 75.000,00 im Hinblick auf den Antrag allein schwer nachzuweisen sein.

Fazit

Interessant wird sein, wie sich das Recht in Bezug auf die anderen Sections des FAA entwickeln wird, die Befugnisse der Bundesgerichte und die Frage betreffen, wie die Bundesgerichte entscheiden, welche Rollen sie einnehmen können und welche den bundesstaatlichen Gerichten überlassen werden müssen. Zumindest bis auf Weiteres ist klar, dass Bundesgerichte nur sehr eingeschränkt über die Bestätigung oder Aufhebung von Schiedssprüchen entscheiden können. Diese Frage verbleibt fast ausschließlich im Zuständigkeitsbereich der bundesstaatlichen Gerichte.