Update: Pensionskassen – Neue Chancen für Teilsanierungen seit dem 1.1.2022
Mit Pressemitteilung vom 21. Januar 2022 teilt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) mit, dass der Deutschen Steuerberater-Versicherung – Pensionskasse des steuerberatenden Berufs VVaG die Erlaubnis zum Betrieb des Versicherungsgeschäfts entzogen worden sei. Etwa ein Jahr, nachdem der Kölner Pensionskasse VVaG und der Pensionskasse der Caritas VVaG diese Erlaubnis entzogen wurde, trifft es nun also die nächste Pensionskasse.
Situation bei Pensionskassen und Aufsichtsmaßnahmen der BaFin
Das Niedrigzinsumfeld macht Pensionskassen - wie bereits berichtet - ganz besonders zu schaffen. Einige Pensionskassen können die in der Vergangenheit erteilten hohen Garantieversprechen heute oftmals nicht mehr erfüllen. Ein beachtlicher Teil der Pensionskassen steht daher nach Mitteilung der BaFin unter verschärfter Beobachtung. Der Instrumentenkasten der BaFin für die Aufsicht ist breit und reicht von
- der Anordnung verkürzter Berichtspflichten für Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (EbAV),
- dem Anfordern eines Sanierungs- und Finanzierungsplans,
- der Anordnung von Leistungskürzungen in Bestandstarifen oder
- gar der Schließungsanordnung für einzelne Versicherungstarife
bis hin zum - Widerruf der Erlaubnis zum Betrieb des Versicherungsgeschäfts. Letzteres bedeutet, dass die Pensionskasse zwar noch die Bestandsversicherungen fortführen, jedoch kein Neugeschäft mehr zeichnen kann. Dies kann den Handlungsspielraum von Pensionskassen in einem möglichen Sanierungsszenario natürlich deutlich verringern.
Risiko und Handlungsoptionen für Pensionskassen
Der Widerruf der Erlaubnis zum Betrieb des Versicherungsgeschäfts erfolgte bei der Pensionskasse der steuerberatenden Berufe, weil diese die Mindestkapitalanforderungen nicht mehr erfüllen konnte. Der vorgelegte Sanierungs- und Finanzierungsplan war aus Sicht der BaFin nicht ausreichend.
Kommt eine Pensionskasse in wirtschaftliche Schwierigkeiten, hat nicht nur die BaFin einen Instrumentenkasten, sondern auch Pensionskassen können proaktiv etwaigen aufsichtsrechtlichen Maßnahmen durch die BaFin vorgreifen. Wirtschaftlichen Fehlentwicklungen kann eine Pensionskasse grundsätzlich mit folgenden Maßnahmen entgegensteuern:
- Satzungsgemäße Änderungen der Versicherungsbedingungen (§ 197 VAG)
- Satzungsgemäße Leistungskürzungen (§ 179 VAG)
- Anpassung von (allgemeinen und besonderen) Geschäftsbedingungen oder Beitragsanpassungen (§§ 163, 164 VVG)
- Erhebung von Umlagen oder Nachschüssen
- Bestandsübertragungen
Seit dem 1.1.2022 besteht zudem die Möglichkeit zur Teilsanierung einer Pensionskasse. Der Gesetzgeber hat die durch die Niedrigzinsphase ausgelöste prekäre Situation vieler Pensionskassen erkannt und mit § 234 Abs. 7 VAG die Möglichkeit geschaffen, eine von mehreren Unternehmen getragene Pensionskasse auch dann zu sanieren, wenn das Sanierungsvorhaben nur von einem Teil der Mitgliedsunternehmen getragen wird.
Teilsanierung als Gestaltungsmittel
Konkret ermöglicht § 234 Abs. 7 VAG die Anpassung von Satzungsregelungen auch für bestehende Versicherungsverhältnisse, um damit die Basis für eine Teilsanierung der Pensionskasse zu schaffen. Eine solche Teilsanierung soll ermöglicht werden, wenn
- die Deckungsrückstellung erhöht werden muss, weil die Rechnungsgrundlagen auf Grund einer unvorhersehbaren und nicht nur vorübergehenden Änderung der Verhältnisse angepasst werden müssen
und
- die Versicherungsansprüche aus der Durchführung betrieblicher Altersversorgung, für die weiterhin ein Arbeitgeber nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG einsteht, (a) einen Anteil von mindestens 75 % an der zu erhöhenden Deckungsrückstellung ausmachen und (b) wenigstens zwei Drittel dieses Anteils auf Versicherungsansprüche entfallen, für die Arbeitgeber oder Dritte erklärt haben, der Pensionskasse die erforderlichen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen, damit sie die Erhöhung der Deckungsrückstellung zumindest für diese Versicherungsansprüche vollständig finanzieren kann.
Mit anderen Worten kann eine Teilsanierung ermöglicht werden, wenn unvorhersehbare und nicht nur vorübergehende Ereignisse eine Erhöhung der Deckungsrückstellung erfordern und mindestens zwei Drittel der gesamten Deckungsrückstellung auf diejenigen Unternehmen entfällt, welche die Sanierung mittragen.
Vorstände von Pensionskassen sollten im Falle von drohenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten rechtzeitig die unterschiedlichen Möglichkeiten von Sanierungen, neuerdings insbesondere auch von Teilsanierungen, prüfen, um Nachteile für die Pensionskasse selbst sowie auch die angeschlossenen Mitgliedsunternehmen zu vermeiden.
Risiko und Handlungsoptionen für Arbeitgeber
Für Arbeitgeber bedeutet der Widerruf der Erlaubnis zum Betrieb des Versicherungsgeschäfts, dass er seine Arbeitnehmer/innen nicht mehr bei der Pensionskasse für eine betriebliche Altersversorgung anmelden kann. Der Arbeitgeber muss dann die bei ihm bestehenden Versorgungssysteme überarbeiten und die betriebliche Altersversorgung künftig über einen anderen Versorgungsträger durchführen. Werden bestimmte Versorgungsträger per Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung festgelegt, dann wäre auch eine Anpassung dieser Regelungen mit den entsprechenden Verhandlungspartnern anzustreben.
Arbeitgeber sollten sich über die aktuelle Situation der von ihnen genutzten Pensionskasse erkundigen und sich im Rahmen ihrer satzungsgemäßen Rechte einbringen, um rechtzeitig informiert und nicht von finanziellen Schwierigkeiten der Pensionskasse überrascht zu werden. Im Falle von Leistungskürzungen sind Arbeitgeber gegenüber ihren versorgungsberechtigten Arbeitnehmer/innen regelmäßig gem. § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG einstandspflichtig. Das bedeutet, dass Arbeitgeber etwaige von Pensionskassen reduzierte Leistungen aus eigenen Mitteln finanzieren müssen, auch wenn die Arbeitgeber die Beiträge stets ordnungsgemäß abgeführt haben.
Aufgrund des mit der Einstandspflicht verbundenen Aufwands (aktuarielle Bewertungen, Rückstellungsbildung, ggf. Indexanpassungen und mögliche Rechtsstreitigkeiten mit Versorgungsberechtigten) und der damit einhergehenden bilanziellen Belastungen, kann auch für Arbeitgeber die Sanierung einer Pensionskasse vorzugswürdig sein.
Alternativ können Arbeitgeber freilich auch eine Umstellung ihrer Versorgungssysteme prüfen, um wirtschaftliche Nachteile zu vermeiden oder zu reduzieren. Anlass genug, die im Unternehmen bestehenden Pensionssysteme einer genaueren Betrachtung zu unterziehen.