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Neuer Gesetzesentwurf in Russland – Strafbarkeit der Befolgung von Sanktionen

22.04.2022

I. Hintergrund der Neuregelung

Im Zuge des Kampfes gegen die (Wirtschafts)Sanktionen der EU und der USA, hat Russland bereits mit einigen Gegenmaßnahmen reagiert.

Nach Verhängung der Sanktionen im Februar 2022 waren die Gegenmaßnahmen überwiegend darauf gerichtet, Waren- und Kapitalflucht zu verhindern. Mit anderen gesetzgeberischen Maßnahmen wird nun zunehmend versucht, dem anhaltenden und sich verstärkenden Abzug internationaler Unternehmen zu begegnen und die inländische Produktion der zum Teil für Russland notwendigen und nicht substituierbaren Güter aufrecht zu erhalten.

Während einige Gesetzesvorhaben die ausländischen Unternehmen oder ihre Tochterunternehmen durch Androhung der „Enteignung“ zum Verbleib und zur weiteren Geschäftstätigkeit in Russland bewegen wollen, beschäftigt sich der am 04. April 2022 aus den Reihen einiger Abgeordneter in das Russische Parlament (Duma) eingebrachte Entwurf, auf der Ebene des Strafrechts mit der Thematik und sieht eine Änderung des Paragraphen 201 des russischen Strafgesetzbuch („StGB RF“) vor, der den „Missbrauch von Befugnissen“ regelt.

II. Geplante Neuregelung

Der, durch die anstehende Reform unverändert gebliebene § 201 Abs. 1 StGB RF, sieht eine Strafbarkeit für leitende Personen von (u.a.) Unternehmen vor, wenn diese entgegen den rechtmäßigen Interessen des Unternehmens zum Zweck, sich oder anderen einen Vorteil zu verschaffen oder anderen Schaden zuzufügen, Handlungen begehen, welche zu einem erheblichen Schaden für Rechte und rechtmäßige Interessen von Bürgern oder Unternehmen oder der rechtlich geschützten Interessen der Gesellschaft oder des Staates führen. Als Sanktionen sieht das Gesetz hierfür Geldstrafen, Zwangsarbeit mit oder ohne Freiheitsentzug sowie Freiheitstrafe vor. 

Mit dem geänderten § 201 Abs. 2 StGB RF soll ein Qualifikationstatbestand zum Abs. 1 mit einem erhöhten Strafmaß eingeführt werden, welcher vorsieht, dass dieselbe Handlung, die in Ausführung eines Beschlusses eines ausländischen Staates, eines Zusammenschlusses ausländischer Staaten oder einer internationalen Organisation zur Verhängung restriktiver Maßnahmen gegen die Russische Föderation begangen wird (nachfolgend als „Sanktionen“ bezeichnet) als besonders schwerer Fall des § 201 StGB RF gilt, der mit einer Geldstrafe bis zu einer Million Rubel oder mit dem Entzug des Arbeitsentgelts oder anderer Einkünfte des Verurteilten für einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren, oder mit Zwangsarbeit von bis zu fünf Jahren mit oder ohne Berufsverbot von bis zu drei Jahren oder mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren mit Berufsverbot von bis zu drei Jahren bestraft wird.

Als leitende Personen im Sinne des § 201 StGB RF gelten in erster Linie Personen, die entweder alleine oder im Gremium Führungsaufgaben in Unternehmen übernehmen (d.h. Generaldirektoren, Management Board Mitglieder, Mitglieder eines Aufsichtsrates (in russischen Gesellschaften regelmäßig als Board of Directors bezeichnet)) oder Personen, die in Unternehmen dauerhaft oder vorübergehend aufgrund einer Vollmacht organisatorisch und verwaltend tätig sind.  

III. Einordung

Ausgehend vom Wortlaut der bereits bestehenden Strafvorschrift zum Missbrauch von Befugnissen (§ 201 StGB RF) fällt auf, dass es einer besonderen Statuierung der Strafbarkeit für die Umsetzung/Einhaltung von Sanktionen nicht bedurfte.

Die Reduzierung oder sogar Einstellung der Geschäftstätigkeit aufgrund von Handlungen oder Entscheidungen leitender Personen russischer Unternehmen kann durchaus, einen dahingehenden Willen unterstellt, als Handlung, welche zum erheblichen Schaden der rechtlich geschützten Interessen der Gesellschaft oder des Staates führt, erachtet werden.

Vor dem Hintergrund der massiven Auswirkungen der Sanktionen auf die russische Wirtschaft (und auch auf den wirtschaftlichen Erfolg der in Russland tätigen Unternehmen, die die Sanktionen beachten) besteht bereits nach aktueller Gesetzeslage die Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung nach § 201 StGB RF für Personen, die für Tochtergesellschaften ausländischer Unternehmen in Russland leitende Tätigkeiten ausführen.

Bislang scheint es, als hätten die russischen Behörden solche Handlungen nicht strafrechtlich verfolgt.

In der Gesetzesbegründung sprechen die Urheber des Entwurfes jedenfalls von der Notwendigkeit, diejenigen strafrechtlich belangen zu können, die Rechte und Freiheiten von russischen Bürgern, juristischen Personen und anderen Organisationen einzuschränken versuchen.

Obwohl dies, wie erwähnt, schon jetzt möglich ist, kann das Gesetzesvorhaben, insbesondere vor dem Hintergrund des hohen Strafmaßes, als Versuch gewertet werden, allein durch die Androhung, die Handlungsmöglichkeiten der Tochtergesellschaften ausländischer Unternehmen weiter einzugrenzen.

Die betroffenen leitenden Personen in den Tochtergesellschaften, die aus Ländern stammen, die Sanktionen erlassen haben, sehen sich nämlich in einer unangenehmen Situation gefangen: sie sind aufgrund ihrer Staatsbürgerschaft zur Befolgung der Sanktionen verpflichtet, gleichzeitig kann (nicht muss!) deren Befolgung in Russland, in der jeweiligen Tochtergesellschaft, eine Strafbarkeit nach russischem Recht nach sich ziehen.

Mit einer baldigen Verabschiedung des Gesetzes ist zu rechnen.


Weitere Informationen finden Sie auch in unserem Ukraine-Russia Crisis Center