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Neue EU-Gesetz­gebung: Sanktions­verstöße als EU-Straf­tat­bestände

12.12.2022

Kontext

Am 02. Dezember 2022 billigte die Kommission einen Vorschlag des Europäischen Parlaments und des Rates für eine Richtlinie zur Definition von Straftatbeständen und Sanktionen bei Verstoß gegen restriktive Maßnahmen der Union („Vorschlag“). Zuvor hatte der Rat einen Beschluss über die Feststellung des Verstoßes gegen restriktive Maßnahmen der Union als einen EU-Straftatbestand angenommen. Der Vorschlag folgte vor dem Hintergrund der erwarteten Verschärfung der EU-Regelungen über die Einziehung und Abschöpfung von Vermögenswerten zwecks Erleichterung der Einziehung von eingefrorenen Vermögenswerten, die beim Wiederaufbau der Ukraine eingesetzt werden sollen.

Rechtsgrundlage

Gemäß Art. 83 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union („AEUV“) können das Parlament und der Rat Mindestvorschriften zur Festlegung von Straftaten und Strafen in Bereichen besonders schwerer Kriminalität mit grenzüberschreitender Dimension festlegen. Die bislang erfassten Kategorien sind in Art. 83 AEUV aufgelistet, darunter Terrorismus, Waffenhandel und Korruption. Der Vorschlag betont die Tatsache, dass Sanktionsverstöße schwere Straftaten darstellen, da sie unter anderem den Weltfrieden und die internationale Sicherheit bedrohen und die Demokratie untergraben können.

Die Umsetzung und Durchsetzung von EU-Sanktionen fällt in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten. Die Kommission unterstreicht die Bedeutung der Richtlinie aufgrund der aus der nationalen Zuständigkeit resultierenden Vielfalt bei der Definition von Sanktionsverstößen und den dafür geltenden Strafen. Dies führte zu einem unterschiedlichen Kriminalisierungsgrad in den Mitgliedstaaten (in zwei Mitgliedstaaten sind lediglich administrative Maßnahmen vorgesehen).

Wesentliche Aspekte des Vorschlags

Ein leitendes Ziel des Vorschlages ist die einheitliche Kriminalisierung definierter Sanktionsverstöße (Art. 3 Abs. 1 des Vorschlags). Einige Mitgliedstaaten verfügen über weite Definitionen wie „Verletzung von EU-Vorschriften“, während andere die verbotenen Verhaltensweisen detailliert auflisten. Um diesen unterschiedlichen Ansätzen entgegenzuwirken, sieht Art. 3 Abs. 2 des Vorschlags zunächst eine einheitliche Definition des Sanktionsverstoßes vor. Umfasst sind Kategorien wie Handel mit Waren oder Dienstleistungen, deren Einfuhr oder Ausfuhr verboten ist, Versäumnis, Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen einzufrieren, Bereitstellung von Geldern oder wirtschaftlichen Ressourcen für eine benannte Organisation, Erbringung von verbotenen oder restriktiven Maßnahmen unterliegenden Dienstleistungen etc.

Die vorgesehenen Straftaten erfordern Vorsatz (Art. 3 Abs. 1 des Vorschlags) oder mindestens grobe Fahrlässigkeit (Art. 3 Abs. 3 des Vorschlags). „Vorsätzliche Blindheit“ (d.h. Ignorieren des Bestehens restriktiver Maßnahmen), die in der ursprünglichen Mitteilung der Kommission zunächst enthalten war, wurde gestrichen. Zudem definiert der Vorschlag diese Begriffe nicht. Eine präzisere Definition von Vorsatz wäre wünschenswert, denn die Kriterien für Vorsatz variieren zwischen den Mitgliedstaaten in Abhängigkeit von dem in Rede stehenden Verhalten.

Andererseits jedoch greift der Vorschlag die Rufe nach einer klareren Abgrenzung des Umgehungsverbots auf (Art. 3 Abs. 2 lit. (h) des Vorschlags), beispielsweise durch Festlegung der Grenze zwischen illegaler Tätigkeit und Rechtsberatung. Die Umgehung von restriktiven Maßnahme durch bestimmte Tätigkeiten soll ebenfalls eine Straftat darstellen, beispielsweise die Verschleierung von Geldern oder wirtschaftlichen Ressourcen oder des eigentlichen Eigentümers, die Nichterfüllung von Meldepflichten und sogar das Versäumnis, mit den zuständigen Verwaltungsbehörden zusammenzuarbeiten. Obgleich Rechtsanwälte nach dem Vorschlag der Richtlinie unterliegen sollten, da die Gefahr bestehe, dass ihre Dienste missbraucht werden, um gegen Sanktionen zu verstoßen, soll es Ausnahmen geben (Erwägungsgrund 7). Art. 3 Abs. 5 des Vorschlags stellt klar, dass das Berufsgeheimnis gilt und Rechtsanwälte keine Meldepflichten obliegen, es sei denn, sie beteiligen sich an einem Verstoß.

Ausgeklammert von der Kriminalisierung wurde auch humanitäre Hilfe (Erwägungsgrund 9 und Art. 3 Abs. 6 des Vorschlags). Ziel der Richtlinie ist auch die Harmonisierung der Auslegung und Anwendung von Ausnahmeregelungen, die typischerweise im Ermessen der Mitgliedstaaten liegen.

Praktische Überlegungen

Wenngleich der Vorschlag von Interessenvertretern weitgehend begrüßt wird, scheint die Richtlinie nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer vollständigen Harmonisierung der Sanktionsdurchsetzung zu sein. Das deutsche Recht sieht in § 18 Abs. 1 des Außenwirtschaftsgesetzes Strafvorschriften für nahezu jede Art von Sanktionsverstoß vor. § 16 des neu verabschiedeten Entwurfs des Sanktionsdurchsetzungsgesetzes stuft die Nichtmeldung von Geldern oder wirtschaftliche Ressourcen als Straftat ein. Fahrlässige Verstöße werden als Ordnungswidrigkeiten angesehen. Eine weitere Anpassung des deutschen Strafrechts wird dennoch erforderlich werden. Grob fahrlässige Verstöße können nicht mehr als Ordnungswidrigkeiten eingestuft werden, sondern müssen als Straftaten verfolgt werden. Die wichtigste Änderung wird juristische Personen und Personengesellschaften betreffen. Die Höchststrafe für vorsätzliche oder grob fahrlässige Verstöße wird, abhängig von der Schwere des Verstoßes, um bis zu 1 % bzw. sogar 5 % des weltweiten Gesamtumsatzes angehoben. Dadurch wird es mehr denn je wesentlich sein, über ein angemessenes Programm zur Sicherstellung der Einhaltung von Sanktionsvorschriften zu verfügen.

Nächste Schritte

Im nächsten Schritt wird der Richtlinienentwurf im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens in Arbeitsgruppen im Europäischen Parlament und im Rat erörtert. Der Vorschlag wurde dem Rat bereits am 05. Dezember 2022 vorgelegt.

Angesichts des bevorstehenden turnusmäßigen Wechsels des Ratsvorsitzes am 01. Januar 2023, bei dem Schweden den Vorsitz von Tschechien übernehmen wird, gehen wir davon aus, dass die Arbeitsgruppe des Rates ihre Gespräche erst nach diesem Datum aufnehmen wird. Erste Hinweise auf die über den weiteren Weg des Vorschlags entscheidenden Positionen des Parlaments bzw. des Rates liegen üblicherweise innerhalb von zwei Monaten vor.