LkSG-Update: BAFA Handreichung zum Beschwerdeverfahren
Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) hat eine Handreichung und weitere Informationen zum Beschwerdeverfahren nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) veröffentlicht.
Ein angemessenes und wirksames Beschwerdeverfahren stellt ein Kernelement der Sorgfaltspflichten nach dem LkSG dar. Verpflichteten Unternehmen kommt zwar ein weiter Handlungs- und Ermessensspielraum zu, wie sie ihr Beschwerdeverfahren ausgestalten. Das BAFA hat nunmehr dargelegt, wann ein Beschwerdeverfahren nach Auffassung der Behörde den gesetzlichen Vorgaben entspricht.
Ausgewählte Punkte fassen wir nachfolgend zusammen:
Überblick
Die Handreichung zum Beschwerdeverfahren folgt dem bereits bekannten Aufbau aus der Handreichung zur Risikoanalyse, über die wir am 19.08.2022 berichtet hatten. So enthält die Handreichung insbesondere einen allgemeinen Teil, Anforderungen an das Beschwerdeverfahren und konkrete Umsetzungshilfen. Darüber hinaus enthält die Handreichung Ausführungen dazu, wie Unternehmen überprüfen können, ob ihr Beschwerdeverfahren wirksam ist.
Zielgruppen
Das BAFA betrachtet ein angemessenes Beschwerdeverfahren als Kernelement der Sorgfaltspflichten. Daher soll grundsätzlich nach dem LkSG jede Person die Möglichkeit haben, relevante Beschwerden gegenüber dem Unternehmen einreichen zu können. Unternehmen können nach der Handreichung einen risikobasierten Ansatz verfolgen und sich auf die wichtigsten Zielgruppen des Beschwerdeverfahrens konzentrieren.
Bei den wichtigsten Zielgruppen soll es sich um Personen handeln, die im eigenen Geschäftsbereich und in der Lieferkette des Unternehmens potentiell von Menschenrechts- oder Umweltverletzungen betroffen sind. Hierbei handelt es sich etwa um eigene Beschäftigte oder solche bei unmittelbaren und mittelbaren Zulieferern aber auch Anwohnende lokaler Standorte. Diese Zielgruppe muss ein Unternehmen über die ebenfalls nach dem LkSG vorzunehmende Risikoanalyse identifizieren. Hierin zeigt sich abermals die neue Risikoperspektive des LkSG, über die wir berichtet hatten.
Zugänglichkeit
Das Beschwerdeverfahren muss für die wichtigsten Zielgruppen zugänglich sein. Dieses Kriterium sollten Unternehmen nicht unterschätzen. Dies gilt insbesondere, wenn sie erwägen, ihr bestehendes Beschwerdeverfahren zu ergänzen bzw. Verfahren externer Anbieter zu nutzen.
- Vulnerable Gruppen: Zunächst können unterschiedliche Gruppen in Betracht kommen, für die unterschiedliche Zugangsbarrieren bestehen können. Neben eher naheliegenden Gruppen, wie Menschen mit körperlicher bzw. geistiger Behinderung, Kindern und Analphabeten nennt die Handreichung beispielhaft insbesondere indigene Gruppen, Wanderarbeitende, religiöse Minderheiten, sowie Menschen verschiedener sexueller Orientierung.
- Beschwerdekanäle: Die unterschiedlichen Zugangsbarrieren können nach Ansicht des BAFA mehrere Beschwerdekanäle notwendig machen, z.B. eine Telefon-Hotline, Online-Maske sowie lokale Ansprechpersonen. Ob ein Unternehmen mehrere Beschwerdekanäle bereithalten muss, diskutiert die Literatur derzeit uneinheitlich. Das LkSG schreibt dies jedenfalls nicht ausdrücklich vor.
- Sprachen/Visualisierungen: Zudem kann es erforderlich werden, ein Beschwerdeverfahren in unterschiedlichen Sprachen anzubieten. Nach Ansicht des BAFA sollten Unternehmen dabei landestypische Sprachen berücksichtigen. Zudem könnte mangelndem Lese- oder Schreibvermögen durch Illustrationen bzw. Poster begegnet werden, die an Orten bereitstehen, die die Zielgruppen besonders häufig frequentieren. Welche Orte dies typischerweise sein sollen, bleibt aber unklar. Es stellt sich zudem die Frage, wie Unternehmen dies außerhalb des eigenen Geschäftsbereichs konkret umsetzen sollen.
- Bekanntheit: Zudem sollen Unternehmen nach Ansicht des BAFA das Beschwerdeverfahren proaktiv bekannt machen. Neben klar gestalteten Hinweisen auf der Unternehmenswebsite- oder eigener Landing-Page soll dies etwa durch regelmäßige Informationen und Schulungen für Zielgruppen geschehen.
- Kosten: Ob ein Beschwerdeverfahren mit Kosten verbunden sein darf, klärt die Handreichung nicht eindeutig. Einerseits findet sich der Hinweis, dass über mögliche Kosten zu informieren ist. Andererseits verweist die Handreichung auf kostenfreie Zugänge und den Umstand, dass ein Beschwerdeverfahren seinen Zweck verfehlt, wenn Personen es wegen der damit verbundenen Kosten nicht nutzen können. Kostenfreie Beschwerdeverfahren erfüllen also in jedem Fall die Anforderungen des BAFA.
Verfahrensordnung
Die Handreichung befasst sich zudem mit der Verfahrensordnung (§ 8 Abs. 2 LkSG). Leider skizziert die Handreichung nur einzelne Elemente, die zudem teilweise aus der Gesetzesbegründung bekannt waren. Bestehende Verfahrensordnungen von Brancheninitiativen nennt die Handreichung als Inspiration für die Erstellung eigener Verfahrensordnungen. Hier wäre mehr Guidance, etwa durch ein oder mehrere konkrete Beispiele, wünschenswert gewesen.
Neu ist, dass Unternehmen wohl kontinuierlich mit der hinweisgebenden Person in Kontakt stehen sollen. Dementsprechend soll die Verfahrensordnung festlegen, an welcher Stelle bzw. zu welchen Zeitpunkten die Person über den Fortschritt der Untersuchung seiner Meldung informiert wird. Auch nach Abschluss des Verfahrens sei es empfehlenswert, weiter in Kontakt zu bleiben, um sicherzustellen, dass die hinweisgebende Person nicht durch Vergeltungsmaßnahmen gefährdet wird. Eine zeitliche Schranke lässt die Handreichung vermissen.
Wirksamkeit
Ein Beschwerdeverfahren soll nach Ansicht des BAFA wirksam sein, wenn es allen Zielgruppen bekannt ist, es als vertrauenswürdig angesehen wird und es die Einreichung von Hinweisen und Beschwerden ermöglicht und fördert, noch bevor eine Pflichtverletzung begangen wurde.
Für die Messung der Wirksamkeit sollen Unternehmen auf Key Performance Indicators (KPI) zurückgreifen. In der Praxis liegt die Herausforderung gerade darin, geeignete KPIs zu definieren. Die Handreichung nennt zwar Beispiele für KPIs, etwa die Anzahl der Beschwerden oder die Zufriedenheit der am Verfahren Beteiligten. Ob diese KPIs geeignet sind, die genannten Wirksamkeitsanforderungen zuverlässig zu messen, kann zumindest hinterfragt werden.
Die Zeit drängt
Unternehmen, die ab dem 01.01.2023 dem LkSG unterfallen, sollten sich baldmöglichst darum kümmern, ein Beschwerdeverfahren nach dem LkSG einzurichten, sofern sie dies nicht bereits getan haben. Denn die Handreichung verweist darauf, dass diese Unternehmen ein Beschwerdeverfahren ab dem 01.01.2023 bereithalten müssen. Für Unternehmen, die erst ab dem 01.01.2024 vom LkSG erfasst sind, verbleibt hingegen noch etwas mehr als ein Jahr Zeit.
Ein gewisser Zirkelschluss ist nicht von der Hand zu weisen: Unternehmen müssen nach Ansicht des BAFA die erste Risikoanalyse nicht bis zum 01.01.2023 durchführen. Daher stellt sich die Frage, weshalb Unternehmen bereits ab dem 01.01.2023 ein Beschwerdeverfahren bereithalten müssen, obwohl dessen wichtigste Zielgruppen erst im Rahmen der späteren Risikoanalyse ermittelt werden. Insofern wäre es wünschenswert, wenn das BAFA Unternehmen die Möglichkeit ließe, das Beschwerdeverfahren nach fundierter Risikoanalyse im Laufe des Jahres 2023 einzurichten. Dies wiegt umso mehr, als die Zielgruppen bei der Gestaltung des Beschwerdeverfahrens konsultiert werden sollen.
Wir halten Sie weiter auf dem Laufenden.