ESG hält 2021 auch Einzug in Akquisitionsfinanzierungen
ESG ist der gesellschaftliche Megatrend der nächsten Jahre. ESG steht dabei für "Environmental, Social and Corporate Governance", also die nachhaltigkeitsbezogenen, unternehmensrelevanten Bereiche Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung. Institutionelle Investoren und Private-Equity-Fonds drängen angesichts dieses Megatrends darauf, dass auch Private-Equity- und Debt-Fonds ESG-Anforderungen bei sich selbst aber auch bei ihren Portfoliounternehmen bzw. Kreditnehmern implementieren. Es war daher nur eine Frage der Zeit, dass ESG auch in Akquisitionsfinanzierungen Einzug hält.
ESG – etabliert bei Unternehmensfinanzierungen, deutlicher Anstieg bei Akquisitionsfinanzierungen in 2021
Sog. ESG-Finanzierungen haben sich bei Unternehmensfinanzierungen, vor allem bei denjenigen mit einem Rating im Investment-grade-Bereich, bereits etabliert (siehe hierzu auch den Beitrag Nachhaltige Finanzierungen aus November 2021). Kernelement derartiger Finanzierungen ist es, dass das Erreichen vertraglich vereinbarter, ESG-bezogener Leistungsindikatoren (sog. Key Performance Indicators, KPIs) oder eines bestimmten Nachhaltigkeits-Ratings zu einer Anpassung der jeweils anwendbaren Marge führt.
Der Akquisitionsfinanzierungsmarkt hat das Thema ESG zunächst nur recht langsam adaptiert, dann aber umso schneller. Während in den Jahren 2019 und 2020 nur einige wenige Akquisitionsfinanzierungen mit ESG-Komponente abgeschlossen wurden, war im Jahr 2021 ein deutlicher Anstieg von Akquisitionsfinanzierungen mit ESG-Komponente zu verzeichnen. Insbesondere in Europa ist das Volumen von Akquisitionsfinanzierungen mit ESG-bezogenen Leistungsindikatoren im Jahr 2021 sprunghaft angestiegen. Insbesondere aufgrund der steigenden Nachfrage von institutionellen Investoren und Private-Equity-Fonds enthielten nach Angaben des Datenanbieters Reorg im Jahr 2021 rund 40 % der in Europa syndizierten Akquisitionsfinanzierungen eine ESG-Komponente.
Warum ESG (nun auch) bei Akquisitionsfinanzierungen?
Die Aufnahme einer ESG-Komponente in Akquisitionsfinanzierungen wird aktuell vornehmlich von institutionellen Investoren und Private-Equity-Fonds vorangetrieben.
Institutionelle Investoren, die oftmals hinter den Private Equity Fonds stehen, betrachten die ESG-Thematik vornehmlich unter Risikogesichtspunkten. Die Betrachtung eines Unternehmens aus der ESG-Perspektive ermöglicht Investoren, über traditionelle, rein finanzielle Bewertungsmodelle hinauszugehen. Dabei ist die Anzahl der möglichen ESG-Risiken groß. Sie reicht von Abwärts- und Reputationsrisiken über Kapitalmanagement-, Prozess- und regulatorische Risiken bis hin zu Korruptions- und Klimarisiken. Für institutionelle Investoren ist die Beachtung von ESG-Kriterien oftmals kein „Kann“, sondern ein „Muss“, das über diverse Verordnungen und Richtlinien, wie z.B. die Offenlegungsverordnung (SFDR) oder die OGAW-Richtlinie, nachgehalten wird.
Auch Private-Equity-Fonds betrachteten das Thema ESG bisher vor allem aus Risikogesichtspunkten. Nicht erkannte ESG-Risiken bei Portfoliogesellschaften können unter anderem zu kostspieligen Fehlern bei der Bewertung und Preisfindung sowie zu Reputationsschäden führen. Mehr und mehr entdecken aber auch Private-Equity -Fonds das ökomonomische Potenzial von ESG und etablieren ESG-Strategien auf Fondsebene, an denen sich letztlich auch die Portfoliogesellschaften messen lassen müssen.
Laut aktueller Erhebungen befassen sich rund 94% aller Private-Equity-Fonds bereits im Ramen einer ESG-Due Diligence eingehend mit etwaigen Nachhaltigkeitsrisiken bei potentiellen Portfoliogesellschaften und identifizieren KPIs, die für die Portfoliogesellschaft besonders wichtig sind.
Zur Steuerung ihrer ESG-Strategie nutzen Private-Equity-Fonds ein fondsweites ESG-Reporting. Mittels dessen sind sie in der Lage, die fondsweite ESG-Entwicklung auch gegenüber den institutionellen Investoren zu berichten. Ein solches fondsweite ESG-Reporting kann auch im Rahmen von Akquisitionsfinanzierungsverträgen genutzt werden. Falls die Akquisitionsfinanzierung eine ESG-Komponente enthalten soll, kann das ESG-Reporting in die ohnehin umfassenden Informations- und Reportingverpflichtungen integriert werden.
Verringerung von Kredit- und Ausfallrisiken durch ESG
ESG kann nicht nur für institutionelle Investoren und Private-Equity-Investoren von Vorteil sein.
Unter anderem aufgrund niedriger Zinsmargen suchen immer mehr Kreditgeber im Akquisitionsfinanzierungsmarkt nach neuen Renditemöglichkeiten. Dafür sind Kreditgeber auch bereit höhere Kreditrisiken zu übernehmen. Aktuelle Studien zeigen, dass Kredite an Kreditnehmer, welche bestimmte ESG-Kriterien einhalten bzw. sich durch ein hohes ESG-Niveau auszeichnen, ein geringeres Ausfallsrisiko aufweisen. ESG kann sich daher auch positiv auf die Kapitalkosten der Kreditgeber auswirken und helfen, die höheren Kreditrisiken zumindest teilweise zu mitigieren.
ESG-Vertragsregelungen – bisher kein (Markt-)Standard
Auch im Akquisitionsfinanzierungsmarkt haben sich im Hinblick auf KPIs, ESG-Ratings, Rechtsfolgen der Nichteinhaltung und sonstige ESG-Vertragsregelungen noch keine Standards entwickelt. Vielmehr sind diese Punkte von Transaktion zu Transaktion und von Investor zu Investor bzw. Kreditgeber zu Kreditgeber individuell zu verhandeln. Gewisse wiederkehrende Muster lassen sich allerdings erkennen.
Die ESG-Kriterien können auch bei Akquisitionsfinanzierungen entweder über die Vereinbarung von KPIs oder ein ESG-Rating einer Nachhaltigkeits-Rating-Agentur gemessen werden. In den meisten Akquisitionsfinanzierungsverträgen wird die ESG-Komponente bisher an spezifische KPIs geknüpft. Nur wenige, hoch-volumige Akquisitionsfinanzierungen knüpften an ein ESG-Rating an oder enthielten eine Kombination aus KPI und ESG-Rating.
Dabei schwankt die Anzahl der vereinbarten KPIs üblicherweise zwischen drei und fünf. Während die meisten der vereinbarten ESG-Leistungsindikatoren bisher mit dem Thema "Umwelt" in Verbindung standen, gibt es zunehmend Beispiele für Akquisitionsfinanzierungen, in denen die ESG-Leistungsindikatoren sich an den Themen "Soziales und gute Unternehmensführung" orientieren.
Das Erreichen- bzw. Nichterreichen der KPIs bzw. des ESG-Ratings führt (auch) bei Akquisitionsfinanzierungen in aller Regel zur Anpassung der jeweils anwendbaren Marge nach unten (sog. margin step-down) bzw. nach oben (sog. margin step-up), wobei insbesondere die Vereinbarung eines margin step-up bei Nichterreichen der KPIs bzw. des ESG-Ratings Verhandlungssache ist. Das bloße Nichterreichen der KPIs bzw. des ESG-Ratings führt üblicherweise nicht zu einem Kündigungsgrund.
Was die Größenordnung der margin step-downs bzw. -step-ups betrifft so sind diese tendenziell etwas größer als im Investment-grade-Bereich und bewegten sich nach Marktinformationen zwischen 2,5 und maximal 15-Basispunkten. Anders als bei finanzkennzahlbasierten Margenanpassungen erfolgt die Anpassung in der Regel nur einmal jährlich und nicht halb- oder vierteljährlich.
Angesichts fehlender Standards veröffentlichten die European Leveraged Finance Association (ELFA) und die Loan Market Association (LMA) gemeinsam sog. Best-Practice-Leitlinien für Akquisitionsfinanzierungen mit ESG-Komponente, um sicherzustellen, dass die Marktteilnehmer ESG-Bestimmungen auf wirksame und angemessene Weise einbeziehen.
Auswirkungen auf Akquisitionsfinanzierungen?
Dem gesellschaftlichen Megatrend folgend wird das Thema ESG zunehmenden Einfluss auf M&A-Transaktionen haben. Auch die Kreditwirtschaft hat sich auf die Fahne geschrieben, die ESG-Kriterien bei der Kreditvergabe stärker zu berücksichtigen. ESG-Risiken werden daher auch vermehrt Auswirkungen auf Akquisitionsfinanzierungen haben und können im schlimmsten Fall dazu führen, dass eine Finanzierung abgelehnt wird oder aber die Finanzierungskosten erheblich ansteigen.