Der Referentenentwurf zur Stärkung des Justizstandortes Deutschland
Geplante Einführung sog. Commercial Courts
Die Pläne des Bundes, den Justizstandort Deutschland weiter zu stärken, nehmen konkretere Formen an. Nach dem Eckpunktepapier aus Januar 2023 liegt nun der Referentenentwurf zum Gesetz zur Stärkung des Justizstandortes Deutschland vor. Aus diesem sollen die wohl größten Veränderungen gegenüber des bisherigen Systems, nämlich die Verwendung der englischen Sprache und der Vertraulichkeit des Verfahrens einmal näher beleuchtet werden.
Auf das Eckpunktepapier sind wir bereits hier genauer eingegangen: Plans to strengthen Germany as place of jurisdiction (noerr.com)
Englisch als Verhandlungssprache
Nach dem Entwurf werden die Bundesländer ermächtigt, spezielle Kammern an den Landgerichten einzurichten, bei denen Verfahren vollständig in englischer Sprache geführt werden können. Zudem sollen die Bundesländer für bestimmte Fälle auch bei den Oberlandesgerichten spezialisierte Senate einrichten dürfen („Commercial Courts“), die dann bereits erstinstanzlich für bestimmte Wirtschaftsstreitigkeiten zuständig sind und diese Verfahren ebenfalls auf Englisch führen können. Dies soll eine fachliche Konzentration und Spezialisierung ermöglichen.
Zukünftig soll dann nicht nur die mündliche Verhandlung auf Englisch geführt werden können, sondern auch die Schriftsätze und das Urteil können in englischer Sprache abgefasst werden. Dies wäre ein großer Schritt Richtung Internationalisierung der deutschen Gerichtsverfahren. Bislang können nur mündliche Verhandlungen auf Englisch geführt werden und zwar auch nur dann, wenn beide Parteien damit einverstanden sind und beide auf die Hinzuziehung eines Dolmetschers verzichten. Schriftsätze und Entscheidungen wie Urteile oder Beschlüsse müssen allerdings aktuell in jedem Fall in deutscher Sprache abgefasst werden.
Aufgrund dieser Einschränkungen gab es nur wenige Fälle, in denen die Parteien in der Praxis von dieser Möglichkeit eines Verfahrens in englischer Sprache Gebrauch gemacht haben. Zudem stellte sich bereits bisher die Frage nach den Sprachkenntnissen und auch für die neu eingeführten englischsprachigen Spruchkörper ist noch offen, wie die Justiz die sprachliche Qualität der Verhandlungen in englischer Sprache und der Entscheidungen sicherstellen will.
Im Referentenentwurf ist nun auch vorgesehen, dass die Berufungsverfahren in Zukunft ebenfalls auf Englisch geführt werden können. Dies stellt eine große Veränderung gegenüber der derzeitigen Rechtslage dar und dürfte zur Rechtssicherheit beitragen. Denn bislang war mit der englischen Sprache in der zweiten Instanz Schluss, was nicht gerade zur Attraktivität der deutschen Gerichte auf internationaler Ebene beitrug. Selbst in Bundesländern, in denen es bereits auf der Ebene der Landgerichte durch Sonderzuweisung ebenfalls bislang sogenannte Commercial Courts gibt, wie beispielsweise in Baden-Württemberg in Stuttgart und Mannheim, werden aktuell Berufungsverfahren nur in deutscher Sprache abgehalten. Auch hinsichtlich der Revisionsinstanz sieht der Referentenentwurf vor, dass die in den vorhergehenden Instanzen auf Englisch geführten Verfahren bei den zuständigen Senaten beim Bundesgerichtshof ebenfalls auf englischer Sprache geführt werden können. Hierbei ist jedoch vorgesehen, dass der zuständige BGH-Senat einer Verfahrensführung auf Englisch zustimmen muss.
Hervorzuheben ist im Zusammenhang mit der Verfahrensführung darüber hinaus, dass der Referentenentwurf nunmehr eine Vorschrift zur Durchführung eines Organisationstermins enthält. In Schiedsverfahren wird regelmäßig eine sog. Case Management Conference mit den beteiligten Parteien und dem Schiedsgericht durchgeführt. Dabei werden u.a. Schriftsatzfristen und der Termin der mündlichen Verhandlung abgestimmt. Dies erleichtert die Planung aller Beteiligten. Daher ist es erfreulich, dass der Referentenentwurf dies nunmehr ausdrücklich auch für Verfahren vor den Commercial Courts vorsieht.
Vertraulichkeit
In der deutschen Gerichtsbarkeit ist der Öffentlichkeitsgrundsatz als Prozessrechtsmaxime verankert. Wenngleich es auch Einschränkungen dieses Öffentlichkeitsgrundsatzes gibt, so ist doch die Öffentlichkeit der Verhandlung die Regel vor den deutschen Gerichten. Dies wurde als Nachteil gegenüber der Schiedsgerichtsbarkeit empfunden, wo die Nichtöffentlichkeit und damit die Vertraulichkeit des Verfahrens meist wesentliche Prinzipien sind und oftmals bei der Wahl des Streitbeilegungsmechanismus von den Parteien für entscheidend erachtet werden.
Das Bekanntwerden eines großen Zivilrechtsstreites kann eine Geschäftsbeziehung, aber auch den Ruf eines Unternehmens nachhaltig schädigen. Die bisherige Rechtslage gab den Unternehmen damit nicht die erforderliche Sicherheit, dass ihre Interna und Geschäftsgeheimnisse in einem Gerichtsverfahren nicht offengelegt werden.
Im Referentenentwurf ist nun die Möglichkeit vorgesehen, in internationalen Handelsstreitigkeiten vor deutschen Gerichten auf Antrag einer Partei bestimmte Informationen ab Einreichung der Klageschrift als geheimhaltungsbedürftig einzustufen. Dies bedeutet eine vertrauliche Behandlung durch alle Beteiligten, was ebenfalls die Attraktivität der deutschen Gerichte als Streitbeilegungsforum erhöhen dürfte. Weiterhin besteht die Möglichkeit, die Öffentlichkeit auszuschließen. Mit dieser Kombination aus Ausnahme vom Öffentlichkeitsgrundsatz und einer weiten Anwendung des Rechts zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen wird dem vielfach geäußerten Wunsch von international agierenden Parteien nach mehr Vertraulichkeit entsprochen.
Fazit:
Der Referentenentwurf ist ein Schritt in die richtige Richtung zur Stärkung des Justizstandortes Deutschland. Dass fast parallel auch das deutsche Schiedsrecht überarbeitet werden soll (vgl. das kürzlich veröffentlichte Eckpunktepapier hierzu: BMJ | Pressemitteilungen | Modernisierung des deutschen Schiedsverfahrensrechts: Bundesjustizminister legt Vorschläge vor), zeigt, dass sich die Bundesregierung hier umfassend dem Thema der Attraktivität Deutschlands als Justizstandort annimmt.