Das neue Telekommunikationsgesetz: Was ändert sich im Kundenschutz?
Seit dem 1. Dezember 2021 gilt ein vollständig modernisiertes Telekommunikationsgesetz („TKG“). Es setzt die Vorgaben des europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation um (Richtlinie (EU) 2018/1972). Die TKG-Novelle enthält insbesondere zum Kundenschutz zahlreiche Änderungen und Neuerungen, teilweise auch ungewöhnliche (z.B. Regelungen zu pauschalen Entschädigungen durch die Anbieter) und dient damit der vom Unionsgesetzgeber beabsichtigten Vollharmonisierung des telekommunikationsrechtlichen Kundenschutzes.
Zentrale neue Regelungen zum Kundenschutz
Im Folgenden finden Sie einen Überblick über die zentralen neuen Regelungen zum Kundenschutz.
Neue Informationspflichten für den Abschluss von Verträgen
Telekommunikationsanbieter sind zukünftig verpflichtet, Verbrauchern vor Abgabe ihrer Vertragserklärung spezifische telekommunikationsrechtliche Informationen zu erteilen (§ 55 Abs. 1 und Abs. 2 TKG). Darüber hinaus müssen sie ihnen vor Abgabe ihrer Vertragserklärung eine klare und leicht verständliche Vertragszusammenfassung zur Verfügung stellen (§ 54 Abs. 3 TKG). Hierzu hat die Europäische Kommission ein Muster entwickelt (siehe hier). Nach Erhalt der Zusammenfassung muss der Verbraucher den Vertrag in Textform genehmigen, damit er wirksam wird (§ 54 Abs. 3 Satz 4, 5 TKG). Hierdurch sollen Verbraucher insbesondere vor übereilten Vertragsschlüssen am Telefon geschützt werden.
Vertragslaufzeiten, Verlängerung und Änderung von Verträgen
Zwar hat der Gesetzgeber trotz entsprechender Vorschläge die anfängliche Vertragslaufzeit nicht eingeschränkt, sodass diese auch weiterhin bis zu 24 Monate betragen darf. Allerdings verpflichtet das neue TKG Telekommunikationsanbieter nunmehr, Verbrauchern alternativ auch einen Vertrag mit einer Laufzeit von 12 Monaten anzubieten (§ 56 Abs. 1 Satz 1 und 2 TKG).
Darüber hinaus wird die Verlängerung von Dauerschuldverhältnissen erschwert und ihre Kündigung vereinfacht: Telekommunikationsanbieter müssen die Endnutzer rechtzeitig und umfassend informieren, bevor ein Vertrag stillschweigend verlängert wird (§ 56 Abs. 3 Satz 2 TKG). Zudem können Endnutzer Verträge, die sich nach Ablauf der Mindestlaufzeit stillschweigend verlängert haben, nun jederzeit mit einer Frist von einem Monat kündigen (§ 56 Abs. 3 Satz 1 TKG). Das bedeutet, dass in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgesehene automatische Verlängerungen, die eine Lösung vom Vertrag erst nach einem Jahr zulassen, unwirksam sind.
Ferner können Endnutzer Verträge ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist und ohne Kosten in der Regel kündigen, wenn Telekommunikationsanbieter diese einseitig ändern (§ 57 Abs. 1 Satz 1 TKG). Zudem müssen Vertragsänderungen mindestens einen Monat und maximal zwei Monate vor Eintritt der beabsichtigten Änderungen den Endnutzern in Textform kommuniziert werden.
Störungen und Entschädigungspauschalen
Im Weiteren soll die TKG-Novelle neue regulatorische Anreize für den Ausbau von Netzkapazitäten schaffen: Telekommunikationsanbieter müssen künftig alle Störungsmeldungen unverzüglich gegenüber dem Verbraucher dokumentieren (§ 58 Abs. 2 Satz 1 TKG). Wird die Störung nicht innerhalb von zwei Kalendertagen nach Eingang der Störungsmeldung beseitigt, kann der Verbraucher ab dem Folgetag für jeden Tag des vollständigen Ausfalls eine pauschale Entschädigung verlangen, es sei denn der Verbraucher hat die Störung zu vertreten oder es liegt ein Fall höherer Gewalt vor. Die Höhe der Entschädigung beträgt am dritten und vierten Tag 5 Euro oder 10 Prozent und ab dem fünften Tag 10 Euro oder 20 Prozent des vertraglich vereinbarten Monatsentgelts (§ 58 Abs. 3 Satz 1, 2 TKG).
Minderung oder Kündigung bei zu langsamen Internetzugang
Verbraucher sind nun berechtigt, das monatliche Entgelt zu mindern oder den Vertrag außerordentlich zu kündigen für den Fall, dass eine erhebliche, kontinuierliche oder regelmäßig wiederkehrende Abweichung bei der Geschwindigkeit zwischen der tatsächlichen und der vertraglich vereinbarten Leistung besteht (§ 57 Abs. 4 Satz 1 TKG). Wann konkret von einer derartigen Abweichung auszugehen ist, hat die Bundesnetzagentur festgelegt (Allgemeinverfügung Nr. 99/2021 1; abrufbar hier). Seit dem 13. Dezember 2021 können Endnutzer ein spezielles Tool der Bundesnetzagentur nutzen, um eine Abweichung der Internetgeschwindigkeit zu prüfen (siehe hier).
Versäumnis von Kundendienst- oder Installationsterminen
Das neue TKG verpflichtet Telekommunikationsanbieter darüber hinaus, Vereinbarungen von Kundendienst- und Installationsterminen jeweils unverzüglich gegenüber Verbrauchern zu dokumentieren (§ 58 Abs. 2 Satz 1 TKG). Versäumt ein Anbieter einen oder mehrere Termine, so kann der Verbraucher für jeden versäumten Termin eine Entschädigung in Höhe von 10 Euro oder 20 Prozent des vertraglich vereinbarten Monatsentgelts verlangen, es sei denn der Verbraucher hat die Säumnis zu vertreten (§ 58 Abs. 4 TKG). Hiermit bezweckt der Gesetzgeber eine allgemeine Verbesserung des Kundenservices.
Anbieterwechsel, Umzug und Entschädigungspauschalen
Zwar bleibt auch im neuen TKG die Anforderung im Kern bestehen, dass abgebende Anbieter bei einem Anbieterwechsel gegenüber Endnutzern sicherstellen müssen, dass die Leistung nicht unterbrochen wird (§ 59 Abs. 2 Satz 1 TKG). Aber auch hier agiert der Gesetzgeber neuerdings mit Entschädigungspauschalen: Bei einer Unterbrechung von länger als einem Arbeitstag kann der Endnutzer vom abgebenden Anbieter für jeden weiteren Arbeitstag der Unterbrechung eine Entschädigung in Höhe von 10 Euro oder 20 Prozent des vertraglich vereinbarten Monatsentgelts verlangen, es sei denn Endnutzer hat die Verzögerung zu vertreten (§ 59 Abs. 4 Satz 1 TKG). Bei Anbieterwechseln stehen Endnutzern zudem Entschädigungspauschalen zu, wenn der abgebende oder aufnehmende Anbieter Kundendienst- oder Installationstermine versäumt (§ 59 Abs. 4 Satz 2 TKG).
Ebenfalls unverändert bleiben die Rechte des Verbrauchers beim Umzug. Wenn ein Verbraucher umzieht und seinen Vertrag fortsetzen möchte, muss der Anbieter – soweit er am neuen Ort seine Leistungen anbieten kann – die vertraglich geschuldete Leistung ohne Änderung der Vertragslaufzeit oder des Vertragsinhalts erbringen (§ 60 Abs. 1 Satz 1 TKG). Andernfalls kann der Verbraucher den Vertrag unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat kündigen (§ 60 Abs. 2 Satz 1 TKG). Neu ist dagegen auch hier eine Incentivierung durch pauschale Entschädigungsansprüche des Verbrauchers, sollte sich die Aktivierung des Telekommunikationsdienstes am neuen Wohnsitz verspäten (§ 60 Abs. 3 Satz 2 TKG).
Sperrung des Internetanschlusses bei Zahlungsverzug
Sollte der Verbraucher mit seinen Zahlungen in Verzug von mindestens 100 Euro (bislang 75 Euro) kommen, kann der Anbieter nach schriftlicher Androhung den Zugang des Verbrauchers sperren (§ 61 Abs. 4 Satz 1, 2 TKG). Gleiches gilt im Falle eines begründeten Verdachts der missbräuchlichen Nutzung (§ 61 Abs. 5 TKG). Die Sperre muss auf die vom Zahlungsverzug oder Missbrauch betroffenen Leistungen beschränkt sein (§ 61 Abs. 6 Satz 1 TKG ) und darf nur für die Dauer des Sperrungsgrunds aufrechterhalten bleiben (§ 61 Abs. 7 TKG). Unter Umständen muss der Anbieter ein Mindestangebot an Breitbandinternetzugangsdiensten auch trotz Sperre weiter gewähren (§ 61 Abs. 6 Satz 2 TKG).
Fazit
Das neue TKG schafft neue regulatorischen Anforderungen und verändert bestehende Vorgaben. Die Novelle verstärkt dabei gezielt die Rechte von Endnutzern und Verbrauchern im Bereich Kundenschutz, insbesondere durch erleichterte Kündigungs- und Minderungsrechte, strengere Informationspflichten und pauschale Entschädigungsansprüche. Der Gesetzgeber hat darüber hinaus einige besonders praxisrelevante Konkretisierungen zur Ausgestaltung an die Bundesnetzagentur übertragen.
Anbieter von Telekommunikationsdiensten (z.B. via OTT, Satellit, Festnetz oder Mobilfunk) sind angehalten umgehend zu prüfen, ob Handlungsbedarf hinsichtlich der Umsetzung der neuen gesetzlichen Anforderungen besteht.