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Aktuali­siertes BMF-Schreiben zur abkommens­rechtlichen Behandlung des Arbeits­lohns

23.01.2024

Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat am 12.12.2023 ein nunmehr in vierter Fassung vorliegendes Anwendungsschreiben zur steuerlichen Behandlung von Arbeitslohn nach den Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) veröffentlicht. Kern der Überarbeitung ist die Zusammenführung verschiedener BMF-Schreiben und Einarbeitung aktueller Rechtsprechung, aber auch punktuell vertiefende Ausführungen – beispielsweise zur Behandlung von Signing Boni (siehe Punkt 9. unten) – oder erstmalige Stellungnahmen – beispielsweise zum Homeoffice (siehe Punkt 15. unten).

Angesichts der Komplexität der Materie ist das Bemühen der Finanzverwaltung, eine bessere Übersichtlichkeit über die verschiedenen Verlautbarungen und – verstärkt durch das Einfügen weiterer Beispiele – mehr Rechtssicherheit für die Anwender herzustellen, zu begrüßen.

Das neue Schreiben soll auf alle offenen Fälle Anwendung finden und ersetzt die Schreiben vom 3.5.2018 und vom 22.4.2020.

Die wesentlichen Anpassungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

1. Einschränkung des Vorrangs von DBA durch das StAbwG

Mit dem durch das Steueroasen-Abwehrgesetz (StAbwG) eingeführten Treaty Override in § 1 Abs. 3 Satz 2 StAbwG dürfen DBA das innerstaatliche Besteuerungsrecht Deutschlands nicht einschränken, wenn der andere Vertragsstaat ein nicht-kooperatives Steuerhoheitsgebiet ist. Das BMF setzt diese Vorgabe klarstellend um (Rn. 6) und benennt exemplarisch Trinidad und Tobago als Beispiel (Rn. 407).

2. Ansässigkeit

Das BMF weist in Ergänzung zu den bisherigen Ausführungen darauf hin, dass die abkommensrechtliche Ansässigkeit immer eigenständig zu prüfen ist. Weder die Ansässigkeitsbescheinigung noch die steuerliche Behandlung im anderen Vertragsstaat sind von Bedeutung (Rn. 7). Vor diesem Hintergrund wird ebenfalls klargestellt, dass abkommensrechtliche Ansässigkeit und inländische Steuerpflicht unabhängig voneinander zu prüfen sind und folglich voneinander abweichen können (Rn. 8). Dies ist folgerichtig, da es sich um zwei unterschiedliche Anknüpfungspunkte handelt.

Zudem misst das BMF dem Art. 4 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA, wonach eine Ansässigkeit in einem Vertragsstaat bei einem der beschränkten Steuerpflicht entsprechenden Besteuerungsumfang nicht gegeben ist, einen deklaratorischen Charakter bei. Eine abkommensrechtliche Ansässigkeit ist daher – mit oder ohne eine dem Art. 4 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA entsprechende Regelung im anzuwendenden DBA – nur bei unbeschränkter Steuerpflicht denkbar. Eine allein antragsbegründete unbeschränkte Steuerpflicht – wie etwa nach § 1 Abs. 3 EStG – genügt dafür allerdings nicht (Rn. 9).

Für die Fälle der sogenannten doppelten Ansässigkeit und die Bestimmung des Mittelpunkts der Lebensinteressen geht das BMF davon aus, dass für die notwendige Abwägung zwischen persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen grundsätzlich von einem Gleichrang dieser beiden Kriterien auszugehen ist (Rn. 14). Der Katalog der relevanten persönlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen wird deutlich erweitert, wobei hinsichtlich der wirtschaftlichen Beziehungen eine Differenzierung zwischen Einnahmeebene und Vermögensebene vorgenommen wird (Rn. 15, 16). Hierdurch wird dem Rechtsanwender deutlich mehr Hilfestellung als bisher geboten.

Hinsichtlich der persönlichen Beziehungen bestätigt das BMF die bereits in den bisher vorhandenen Beispielen zum Ausdruck gebrachte widerlegbare Vermutung, dass bei einer befristeten Entsendung von bis zu einem Jahr die persönlichen Beziehungen einer Person in dem Staat der beibehaltenen Wohnung verbleiben, während bei einer Entsendung von mehr als fünf Jahren das Gegenteil gilt (Rn. 18). Darüber hinaus werden weitere Beispiele zur Bestimmung der Ansässigkeit in den Rn. 19 bis 23 angeführt.

3. Begriffsbestimmungen: Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen

Nach Auffassung des BMF sind die abkommensrechtlichen Begriffe „Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen aus unselbstständiger Arbeit“ nach Maßgabe der Lex-fori-Regel in Art. 3 Abs. 2 OECD-MA unter Rückgriff auf das nationale Steuerrecht des Anwenderstaates zu beurteilen. In Deutschland sind dafür §§ 1, 2 LStDV maßgebend (Rn. 28). Außerdem verweist das BMF zur Abgrenzung zwischen selbstständiger und unselbstständiger Arbeit auf H 19.0 bis H 19.2 LStH.

4. Vergütungen eines Mitunternehmers für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft

Neu hinzugekommen sind Ausführungen zur Behandlung von Tätigkeitsvergütungen von Mitunternehmern (Rn. 32 ff). Die Behandlung derartiger Vergütungen ergab sich bereits aus § 50d Abs. 10 EStG und den BMF-Schreiben vom 26.9.2014 (Anwendung von DBA auf Personengesellschaften) und vom 10.11.2021 (Körperschaftsteueroption nach § 1a KStG).

5. Festsetzungsverjährung ist kein Besteuerungsverzicht

Die Finanzverwaltung übernimmt das bisher nicht veröffentlichte BFH-Urteil vom 10.10.2018 (I R 67/16), wonach der Eintritt der Festsetzungsverjährung im ausländischen Staat keinen Verzicht auf die Besteuerung i. S. d. § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG begründet (Rn. 69).

6. Abzugsbeschränkung von Vorsorgeaufwendungen

Anpassungen ergeben sich auch bei den Ausführungen zu Abzugsbeschränkungen und dort insbesondere zur Möglichkeit der Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen, die in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit aus EU/EWR-Staaten oder der Schweiz stammenden Einnahmen aus nichtselbstständiger Tätigkeit stehen (Rn. 95). Über die ohnehin in § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG erfolgte Kodifizierung hinaus ergeben sich jedoch keine neuen Erkenntnisse.

Klarstellend wird zudem unter Zuhilfenahme eines instruktiven Beispiels die Aufteilung von abziehbaren und nichtabziehbaren Vorsorgeaufwendungen im Verhältnis des steuerpflichtigen Arbeitslohns zum gesamten Arbeitslohn erläutert (Rn. 96 ff.).

7. Arbeitnehmerentsendung

Die Ausführungen zur Arbeitnehmerentsendung aus dem BMF-Schreiben vom 9.11.2001 wurden in das vorliegende Schreiben überführt. Dadurch beinhaltet das Schreiben nun z. B. die Definition der Arbeitnehmerentsendung und ihre Abgrenzung (Rn. 149, 150), die Ausführungen zum betrieblichen Interesse der Unternehmen mitsamt der Feststellungsindizien (Rn. 159, 160) und zu den Auswirkungen eines Rotationssystems (Rn. 174, 175). Neu ist außerdem, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bescheinigen muss, in welcher Höhe Lohn-, Lohnneben- und Lohnverwaltungskosten nach dem Fremdvergleichsgrundsatz weiterbelastet und in welcher Höhe diese vom entsendenden Unternehmen getragen wurden (Rn. 167). Diese Bescheinigung begründet eine widerlegbare Vermutung, dass die aufgeführten Kosten im Einklang mit dem Fremdvergleichsgrundsatz stehen (Rn. 167).

Für leitende Personen – wie etwa Geschäftsführer oder Vorstände – wurde das Urteil des BFH vom 4.11.2021 (VI R 22/19) berücksichtigt, wonach ein inländisches Unternehmen auch dann (wirtschaftlicher) Arbeitgeber einer solchen Person sein kann, wenn keine gesonderte Vergütung für die Tätigkeit beim inländischen Unternehmen vereinbart wurde, bzw. die Tätigkeit ausdrücklich unentgeltlich erfolgen soll und der auf die leitende Tätigkeit entfallende Lohnanteil bereits in dem insgesamt im Ausland geschuldeten Arbeitslohn enthalten ist (Rn. 178).

8. Grundsätze bei der Ermittlung des steuerpflichtigen/steuerfreien Arbeitslohns

Im Bereich der Ermittlung des steuerpflichtigen/steuerfreien Arbeitslohns hat das BMF punktuelle Ergänzungen vorgenommen. Der Nachweis über die Ausübung der Tätigkeit in einem anderen Staat kann nun auch durch Vorlage eines Reisekalenders geführt werden (Rn. 225). Ferner werden nun Beispiele für Auslandszulagen – welche direkt zuordenbare Gehaltsbestandteile sind –konkret benannt (Rn. 227).

9. Signing Bonus

Deutlich umfassender sind im überarbeiteten Schreiben die Antrittsgelder – die sogenannten Signing Boni – geregelt (Rn. 249 ff.). Im Vergleich zur vorhergehenden Verwaltungsanweisung wird jetzt zwischen rückzahlbaren und nicht rückzahlbaren Antrittsgeldern unterschieden, die für eine konkrete noch auszuübende Tätigkeit gewährt werden. Während Erstere für die Bestimmung des Besteuerungsrechts weiterhin über die Tätigkeitsorte während des Erdienungszeitraums aufzuteilen sind, fehlt es bei Letzteren an einem solchen Zeitraum, weshalb das Besteuerungsrecht beim Ansässigkeitsstaat verbleibt. Eine Rückausnahme hiervon bilden befristete Arbeitsverträge, weil in diesen Fällen eine vorzeitige Kündigung grundsätzlich nicht denkbar ist. Dann ist Erdienungszeitraum die Vertragslaufzeit.

Weiterhin nicht abschließend geklärt ist, wie die Einordnung von Antrittsgeldern erfolgt, die allein Motivation für den Abschluss des Arbeitsvertrages sein sollten. Eine dahingehende Einordnung durch das BMF wäre für künftige Ergänzungen des BMF-Schreibens wünschenswert.

10. Stock-Options

Die Entwicklungen bei der Begünstigung von Mitarbeiterbeteiligungen wurden berücksichtigt. Auf die Einführung von § 19a EStG wird hingewiesen (Rn. 278). Allerdings ist der angegebene steuerfreie Betrag nach § 3 Nr. 39 EStG in Rn. 278 aufgrund der jüngsten Gesetzesänderung bereits veraltet (nun EUR 2.000 anstatt EUR 1.440). Erfreulich ist, dass zum besseren Verständnis für die Praxis ein weiteres Beispiel zur Ermittlung des steuerpflichtigen Anteils bei Mitarbeiterbeteiligungen eingeführt wurde (Rn. 288).

11. Virtuelle Dividenden

Erstmalig nimmt das BMF Stellung zur Behandlung von virtuellen Aktienvergütungen (Rn. 290 ff.). Die Aufteilung soll nach den allgemeinen Grundsätzen für nicht direkt zuordenbaren Arbeitslohn erfolgen (Rn. 292).

12. Steuerausgleichsmechanismen

Der Abschnitt wurde inhaltlich überarbeitet, weiter vertieft und um noch mehr Beispiele erweitert. Es wird jetzt zwischen Steuerausgleich („Tax-Equalization“) und Steuerschutz („Tax-Protection“) unterschieden (Rn. 317 ff.). Hinzugekommen ist der Hinweis, dass die Grundsätze ebenso für – im Wege der Nettolohnvereinbarung übernommene – Sozialversicherungsbeiträge gilt (Rn. 323). Zudem wurde die Prüfreihenfolge abgewandelt. War bisher zunächst zu prüfen, ob ein zum Lohnsteuerabzug verpflichteter Arbeitgeber nach § 38 Abs. 1 EStG vorhanden ist, ist jetzt zuerst das Vorliegen einer Netto- oder Bruttolohnvereinbarung zu prüfen (Rn. 324 ff.).

13. Entsendezulagen

Die Behandlung von Entsendezulagen wird erstmals thematisiert (Rn. 339). Grundsätzlich handelt es sich um direkt zuordenbare Gehaltsbestandteile, wenn ein Ausgleich von Kosten und Erschwernissen des Arbeitnehmers im Staat des aufnehmenden Unternehmens angedacht ist. Nicht direkt zuordenbarer Arbeitslohn ist gegeben und damit eine Aufteilung notwendig, wenn es sich um eine Vergütung für die Tätigkeit für das aufnehmende Unternehmen handelt.

Das BMF geht von einer Vermutungswirkung zugunsten nicht direkt zuordenbaren Arbeitslohns aus, wenn die Entsendezulage gewährt wird, obwohl der Arbeitnehmer über mehrere Monate im Ansässigkeitsstaat verbleibt (z. B. im Homeoffice). Das ist nachvollziehbar, da in diesen Fällen der Ausgleich von Erschwernissen im anderen Staat wohl kaum in Betracht kommen dürfte.

14. Übernahme von Steuerberatungskosten

In den Rn. 345 und 346 wird das BMF-Schreiben vom 22.4.2020 übernommen, welches selbst das vorherige Schreiben vom 3.5.2018 ergänzte. Neuerungen ergeben sich dahingehend jedoch nicht.

15. Homeoffice

Im Bemühen, die verstärkte Tätigkeit der Arbeitnehmer im Homeoffice auch in grenzüberschreitenden Fällen abzubilden, hat das BMF mit den Rn. 350 ff. einige grundlegende Feststellungen getroffen und begleitend ein Beispiel eingefügt. Untertägige Homeoffice-Aktivitäten mit Wechsel zwischen Homeoffice und betrieblichen Arbeitsplatz sind z. B. zeitanteilig aufzuteilen. Dieses Verständnis der Finanzverwaltung spiegelt sich beispielsweise ebenso in der Behandlung von Berufskraftfahrern wider, die innerhalb eines Arbeitstages in mehreren Staaten tätig werden (Rn. 384) und ist deshalb folgerichtig.

Letztlich wird aber nur mit Hinweis darauf, dass – abgesehen von ausgewählten DBA – keine besonderen Regelungen existieren, auf die allgemeingültige Aufteilung des Arbeitsentgelts nach tatsächlichen Arbeitstagen verwiesen. In Rn. 360 wird mit Hilfe eines Beispiels auf eine abkommensrechtliche Besonderheit bei Geschäftsführern mit Homeoffice-Tätigkeit unter dem DBA Österreich eingegangen. Danach liegt aufgrund von Art. 16 Abs. 2 DBA Österreich – unabhängig von der Anzahl der Homeoffice-Tage – das Besteuerungsrecht bei dem Vertragsstaat, in dem die anstellende Gesellschaft ansässig ist.

16. Betriebliche Altersversorgung

Die nunmehr in das Schreiben übernommenen Ausführungen zur betrieblichen Altersvorsorge stammen weitestgehend aus dem BMF-Schreiben vom 12.8.2021. Die Feststellung, dass Arbeitslohn bei externer betrieblicher Altersvorsorge bereits in der Ansparphase vorliegen kann, während dies bei interner Durchführung nicht der Fall ist, ist folglich nicht neu (Rn. 378). Relevant ist die Unterscheidung dennoch, da bei einer Besteuerung erst in der Leistungsphase das Besteuerungsrecht sich regelmäßig nicht aus Art. 15 OECD-MA, sondern aus Art. 18 oder 21 OECD-MA, ableitet (Rn. 379).

17. Listenaktualisierung und Sonstiges

Das DBA Saudi-Arabien (Luftfahrt) wurde in der Übersichtsliste für DBA bezüglich des Personals auf Schiffen und Flugzeugen ergänzt (Rn. 416 f.).

Ebenfalls angepasst auf den Stand 1.1.2023 wurde die Liste mit DBA, welche eine Rückfallklausel enthalten. Ergänzend ist erstmalig ein Beispiel zur Anwendung einer Rückfallklausel im DBA Niederlande enthalten (Rn. 421).

Außerdem wird auf die Möglichkeit hingewiesen, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber ein Vorabverständigungsverfahren nach § 89a AO gegen Gebühr beantragen können, um frühzeitig Rechts- und Planungssicherheit vor Verwirklichung des Sachverhalts zu haben (Rn. 425).