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12. EU-Sanktions­paket: Handlungs­bedarf für Unternehmen

20.12.2023

Die EU-Mitgliedstaaten haben sich am 18.12.2023 auf ein 12. Paket an Sanktionen gegen Russland verständigt. Ein besonderes Augenmerk gilt erneut dem Vorgehen gegen die Umgehung von Sanktionen. So wird Exporteuren aufgegeben, zukünftig Re-Exportklauseln in Lieferverträge aufzunehmen (hierzu unter A.). Bemerkenswert ist ferner, dass die EU im Rahmen der Sanktionen versucht, dem russischen Vorgehen gegen russische Tochtergesellschaften von EU-Unternehmen entgegenzutreten (hierzu unter B.). Ferner werden Import- und Exportbeschränkungen ausgeweitet, beispielsweise durch das früh bekannt gewordene Importverbot für Diamanten (hierzu unter C.). Außerdem verschärft die EU die Preisobergrenze für Rohöl (hierzu unter D.) und fügt den Sanktionslisten 147 neue Einträge hinzu (hierzu unter E.). Das 12. Sanktionspaket wird umgesetzt durch Verordnung (EU) 2023/2873, Verordnung (EU) 2023/2878 sowie Durchführungsverordnung (EU) 2023/2875. Diese novellieren die Verordnungen (EU) Nr. 269/2014 und Nr. 833/2014, in denen personen- und güterbezogene sowie sektorale Sanktionen gegen Russland niedergelegt sind. Die Änderungen an diesen Verordnungen treten am 18. bzw. 19. Dezember in Kraft.

A. Sanktionsumgehungen und Drittlandgeschäft weiter im Fokus

Das Hauptaugenmerk der EU liegt weiterhin auf der Bekämpfung der Umgehung ihrer Sanktionen gegen Russland. Die weitreichendsten Auswirkungen für Exporteure wird die neu geschaffene Verpflichtung zur Aufnahme einer Klausel haben, die Abnehmern die Wiederausfuhr bestimmter Güter nach Russland verbietet. Nach der im elften Sanktionspaket eingeführten Nachweispflicht für Eisen- und Stahlimporte schafft der Verordnungsgeber hier erneut umfangreichen Handlungsbedarf.

Der neu eingefügte Art. 12g Abs. 1 Verordnung (EU) Nr. 833/2014 sieht vor, dass Ausführer beim Verkauf, der Lieferung, der Verbringung oder der Ausfuhr bestimmter Güter und Technologien in Drittländer ab dem 20. März 2024 die Wiederausfuhr nach Russland oder zur Verwendung in Russland vertraglich untersagen müssen. Betroffen sind Güter und Technologien, die in den Anhängen XI (Luft- oder Raumfahrtindustrie), XX (Flugturbinenkraftstoffe) und XXXV (Feuerwaffen) der Verordnung aufgeführt sind, Feuerwaffen und Munition gemäß der Liste in Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 258/2012 und insbesondere gemeinsame Güter mit hoher Priorität gemäß Anhang XL der Verordnung.

Ausgenommen vom Anwendungsbereich sind die in Anhang VIII der Verordnung aufgeführten Partnerländer – derzeit die USA, Japan, Großbritannien, Südkorea, Australien, Kanada, Neuseeland, Norwegen und die Schweiz. Die Verpflichtung gilt nach Art. 12g Abs. 2 Verordnung (EU) Nr. 833/2014 nicht für vor dem 19. Dezember 2023 geschlossene Verträge, welche spätestens bis zum 20. Dezember 2024 erfüllt werden oder vorher auslaufen.

Mit derselben Stoßrichtung wurde das Verbot der Durchfuhr durch Russland erneut ausgedehnt. Diese ist nun für in Anhang XXXVII der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 aufgeführte Güter und Technologien, die aus der Union ausgeführt werden, verboten.

Außerdem wurde die Liste der Endnutzer des militärisch-industriellen Komplexes Russlands bzw. deren Zulieferer in Anhang IV der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 um 29 Einträge erweitert. Dabei wurden erneut auch ausländische Unternehmen gelistet, etwa aus Usbekistan und Singapur.

B. EU tritt Zwangsmaßnahmen gegen Tochtergesellschaften von EU-Unternehmen in Russland entgegen

Durch das neue Sanktionspaket reagiert die EU auch auf die zunehmenden russischen Beschränkungen bei einem Exit von europäischen Unternehmen aus Russland, die Erhöhung der Kosten solcher Exits und die russische Instrumentalisierung der damit einhergehenden Transaktionen zur Belohnung von regierungstreuen Machteliten.

In Art. 3 Abs. 1 lit. j der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 wird eine neue Grundlage für die Listung von Personen eingeführt. Dadurch wird nunmehr die Listung von russischen Unternehmen ermöglicht, die vormals im Eigentum oder unter Kontrolle von EU-Unternehmen standen, wenn die russische Regierung die Eigentums- oder Kontrollübertragung erzwungen hat. Natürliche Personen und Unternehmen, denen eine solche Zwangsübertragung zugutekommen ist, können ebenfalls gelistet werden.

Für den neuen Listungsgrund wird außerdem ein eigener Ausnahmetatbestand im neuen Art. 5b der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 geschaffen. Demnach können die Mitgliedsstaaten die Freigabe bestimmter eingefrorener Gelder und Ressourcen oder die Bereitstellung an solche Unternehmen im Einzelfall unter Auflagen genehmigen. Dafür müssen die Mitgliedsstaaten allerdings feststellen, dass die Ressourcen als Gegenleistung – vertraglich vereinbart oder durch die russische Regierung bestimmt – in einer erzwungenen Unternehmensübertragung verwendet werden sollen.

Im zwölften Sanktionspaket sind bislang keine marktbekannten (Tochter-)Unternehmen aufgrund dieser neuen Rechtsgrundlage gelistet worden. Deshalb scheint die Einführung des neuen Listungsgrundes zunächst vor allem politische Bedeutung zu haben.

C. Zusätzliche Beschränkungen im Waren- und Kapitalverkehr

Die Mitgliedstaaten haben sich auf ein Verbot geeinigt, Diamanten russischen Ursprungs unmittelbar oder mittelbar einzuführen, zu kaufen oder zu verbringen. Diesem weitreichenden Verbot unterliegen sowohl Diamanten mit Ursprung in Russland als auch von dort ausgeführte Diamanten – daneben aber auch Diamanten, die durch Russland durchgeführt oder dort verarbeitet wurden. Die Verbote gelten grundsätzlich ab dem 1. Januar 2024, das indirekte Einfuhrverbot aus Drittländern soll schrittweise von 1. März bis 1. September 2024 eingeführt werden.

Das Verbot stützt sich auf Art. 3p der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 und bezieht sich auf in Anhang XXXVIIIA, Teile A bis C aufgeführte Diamanten und Erzeugnisse, die Diamanten enthalten.

Erweitert wurde zudem die für Art. 2a der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 relevante Liste von Gütern in Anhang VII, die zur militärischen und technologischen Stärkung Russlands oder zur Entwicklung seines Verteidigungs- und Sicherheitssektors beitragen könnten und daher einem Ausfuhrverbot unterliegen. Aufgenommen wurden hier etwa Lithiumbatterien, Thermostate, Gleichstrom- und Servomotoren für unbemannte Luftfahrzeuge, Werkzeugmaschinen und Maschinenteile.

Einfuhrseitig wurde das Verbot für Güter, die Russland erhebliche Einnahmen bringen, in Art. 3i in Verbindung mit Anhang XXI Verordnung (EU) Nr. 833/2014 erweitert um verflüssigtes Propangas, Roheisen und Spiegeleisen, Kupferdrähte, Aluminiumdrähte, Folien und Rohre.

In Bezug auf den Zahlungsverkehr wird mit Art. 5r der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 ein Notifizierungsverfahren für Zahlungen über 100.000 Euro aus der EU heraus eingeführt. Die Meldepflicht gilt ab dem 1. Mai 2024 für in der Union niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die mittel- oder unmittelbar zu mehr als 40 % von russischen juristischen Personen, russischen Staatsangehörigen oder in Russland lebenden Personen gehalten werden. Ferner besteht nach Art. 5 Abs. 2 Verordnung (EU) Nr. 833/2014 ab dem 1. Juli 2024 eine parallele Meldepflicht für Kredit- und Finanzinstitute für solche Geldtransfers.

D. Preisobergrenze für Rohöl

Im Rahmen der Preisobergrenze für russische Ölerzeugnisse werden nunmehr die Nachweispflichten bei der Erbringung von europäischen Dienstleistungen für den (auswärtigen) Handel mit betroffenen Ölerzeugnisse verschärft. Die bestehende Embargo- bzw. Sanktionsmaßnahme will den (globalen) Abnahmepreis von russischen Ölerzeugnissen deckeln, indem marktrelevante EU-Dienstleister durch ein Bescheinigungsverfahren innerhalb der Lieferkette prüfen, dass russische (Vor-) Produkte von Dritten, d. h. Nicht-EU-Bürgern, zu einem Preis innerhalb der Preisobergrenze erworben wurden.

Um Umgehungsmechanismen zu bekämpfen, steigen mit dem zwölften Sanktionspaket die Nachweispflichten für EU-Unternehmen. Nach Art. 3n Abs. 6 lit. a der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 müssen EU-Dienstleister nun aufgeschlüsselte Preisinformationen über Nebenkosten in der Lieferkette abfragen, insbesondere Versicherungs- und Frachtkosten, sofern den EU-Dienstleistern der tatsächliche Kaufpreis nicht vorliegt.

Außerdem wird der Mechanismus durch die Einführung einer neuen sektoralen Embargomaßnahme für den Handel mit Tankschiffen für den Öltransport ergänzt. Gemäß dem neuen Art. 3q Abs. 1 Verordnung (EU) Nr. 833/2014 dürfen solche Schiffe grundsätzlich nicht mehr an russische Personen verkauft oder das Eigentum anderweitig übertragen werden. Für Verkäufe solcher Schiffe in Drittländer wird außerdem eine Meldepflicht mit Art. 3q Abs. 4 Verordnung (EU) Nr. 833/2014 eingeführt. Vergangene Verkäufe von Tankschiffen nach Russland oder in Drittländer zwischen dem 5. Dezember 2022 und dem Inkrafttreten des zwölften Sanktionspakets sind den zuständigen Behörden bis zum Februar 2024 gemäß Art. 3q Abs. 5 Verordnung (EU) Nr. 833/2014 zu melden.

E. Ergänzungen sanktionierter Personen

Das zwölfte Sanktionspaket erweitert erneut die Liste der individuell mit Finanzsanktionen belegten Personen und Einrichtungen in Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 um 61 Personen und 86 Einrichtungen, insbesondere aus dem russischen Militär-, Verteidigungs- und IT-Sektor.

F. Einfuhren von Eisen- und Stahlerzeugnissen

Für die europäische Importeure von Eisen- und Stahlerzeugnissen wurden bezüglich russischer Erzeugnisse mit den Kombinierte Nomenklatur („KN“) Codes 7207 12 10 und 7224 90 Regelungen festgelegt, die einen schrittweisen Phase-Out russischer Produkte bis zum Jahr 2028 vorsehen.

Für Eisen- und Stahlerzeugnissen mit diesen beiden KN-Codes werden direkte Einfuhren und Einkäufe aus Russland erleichtert, indem die zeitlich befristeten Ausnahmen in Art. 3g Abs. 4 und 5a Verordnung (EU) Nr. 833/2014 nunmehr bis zum 30. September 2028 verlängert werden. Allerdings nehmen die zugelassenen Einfuhrmengen jährlich ab.

Außerdem wird die Übergangsfrist in Art. 3g Abs. 1 lit. d Verordnung (EU) Nr. 833/2014 für einschlägige Importe aus Drittländern verlängert, wenn die Einfuhrwaren russische Eisen- und Stahlerzeugnisse der beiden KN-Codes beinhalten. Für solche Drittlandeinfuhren gilt das Einfuhrverbot erst ab dem ab dem 1. Oktober 2028 – (abnehmende) Einfuhrkontingente bis dahin sind nicht vorgesehen. Außerdem wird diesbezüglich ein neuer Anhang XXXVI der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 geschaffen, der die Schweiz und Norwegen als „Partnerländer für die Einfuhr von Eisen und Stahl“ festlegt. Diese sollen gemäß der Definition in Art. 1 (zc) Verordnung (EU) Nr. 833/2014 „im Wesentlichen“ gleichwertige Regelungen zu den EU-Beschränkungen auf Eisen und Stahl in Art. 3g Verordnung (EU) 833/2014 verhängt haben, sodass bei Einfuhren aus diesen beiden Ländern keine Nachweise über das Ursprungsland der Eisen- und Stahlvorprodukte notwendig sind.

G. Fazit

Insgesamt deckt das zwölfte Sanktionspaket eine breite Palette an Themengebieten ab. Dabei dürfte insbesondere die neue verpflichtende Re-Exportklausel des Art. 12g Verordnung (EU) Nr. 833/2014 Handlungsbedarf auslösen, da der Anwendungsbereich bis auf wenige Partnerländer alle Drittländer erfasst.

Besonders lassen sich insgesamt erstarkte Bemühungen der Union erkennen, die Wirksamkeit ihrer Russlandsanktionen zu erhöhen, indem insbesondere Maßnahmen gegen Umgehungen fortgeschrieben und, hinsichtlich der Preisobergrenze für Öl, ausgeweitet werden.

Eine vereinzelt erwartete Aktivierung der Drittlandregelung des 11. Sanktionspaket in Art. 12f in Verbindung mit Anhang XXXIIII der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 ist unterblieben, womit dieser weiterhin unangewendet und damit als schlichte Drohung stehen bleibt. Auch die neuen Regelungen bei Zwangsübertragungen von russischen Tochtergesellschaften sind wohl vorerst als politisches Warnsignal aus Brüssel zu verstehen.

Während der Handel aufgrund neuer Verbote, insbesondere in Bezug auf russische Diamanten, weiter beschränkt wird, stellen die Neuerungen im Bereich Eisen und Stahl vielmehr eine Erleichterung des Handels dar.