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Ein Verfahren mit großer Tragweite: Morgen verhandelt das Oberlandes­gericht Köln zum KI-Training mit personen­bezogenen Daten

21.05.2025

Morgen verhandelt das Oberlandesgericht Köln in einem richtungsweisenden einstweiligen Verfügungsverfahren zwischen der Verbraucherzentrale NRW (vznrw) und der Meta Platforms Ireland Limited (Meta). Kern der Auseinandersetzung ist die Frage, ob Meta ohne Einwilligung Beiträge für das KI-Training von Meta AI verwenden darf, die volljährige Nutzerinnen und Nutzer öffentlich auf Facebook und Instagram geteilt haben. Das Gericht wird voraussichtlich sehr zeitnah im Eilverfahren entscheiden, ob Meta ihr entsprechend geplantes Training ab dem 27.05.2025 durchführen darf.

Damit „grätscht” das Oberlandesgericht Köln in eine seit Langem laufende Debatte darüber, wie Innovation durch KI im europäischen regulatorischen Rahmen möglich sein kann. Sollte das Gericht Meta in seiner Entscheidung untersagen, personenbezogene Daten in der geplanten Weise für das KI-Training zu verwenden, hätte dies Bedeutung weit über das konkrete Verfahren hinaus.

Während Politik, Aufsichtsbehörden und Wirtschaft noch um einen angemessenen Ausgleich zwischen KI-Innovation und Datenschutz ringen und der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) zuletzt einen ausgewogenen Vorschlag zur Möglichkeit des Trainings veröffentlicht hat, würde eine vorläufige untersagende Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln einen Präzedenzfall schaffen, der erhebliche Rechtsunsicherheit und ein Risiko für Unternehmen schaffen würde. Denn bis das Oberlandesgericht Köln im Hauptsacheverfahren entscheidet oder die Entscheidung von anderen Gerichten oder Behörden überholt ist, dürfte einige Zeit vergehen – Zeit, die Deutschland im weltweiten Wettkampf um KI-Innovation kaum hat.

I. Hintergrund des Verfahrens

Bereits im Juni 2024 kündigte Meta an, bestimmte öffentliche Daten von Nutzerinnen und Nutzern in Europa für das Training der Meta AI zu verwenden. Nach einer Intervention der irischen Datenschutzbehörde pausierte Meta das Vorhaben zunächst. Nach einer Stellungnahme des EDSA aus Dezember 2024, der die Verwendung von personenbezogenen Daten zum KI-Training als grundsätzlich zulässig erachtete (siehe hierzu ausführlich unter II.), plant Meta ab dem 27.05.2025 mit dem Training zu beginnen.

Dies versucht die vznrw nun kurzfristig zu verhindern. Sie hat am 13.05.2025 bekannt gegeben, dass sie eine einstweilige Verfügung gegen Meta beim Oberlandesgericht Köln eingereicht hat. Die vznrw will erreichen, dass es Meta einstweilig untersagt wird, das KI-Training durchzuführen. Das Gericht verhandelt morgen, am 22.05.2025, um 10:00 Uhr über das Verfahren, das unter dem Aktenzeichen 15 UKl 2/25 geführt wird. Das Gericht wird voraussichtlich sehr zeitnah ein Urteil verkünden.

II. Auf berechtigtes Interesse gestütztes Training von KI-Modellen mit personenbezogenen Daten

Der EDSA hat im Dezember 2024 in einer Stellungnahme ausgeführt, wie datenschutzrechtlich Verantwortliche bei der Nutzung von personenbezogenen Daten für das Training von KI-Modellen die Angemessenheit des berechtigen Interesses als Rechtsgrundlage gemäß Art. 6 (1) lit. f DSGVO nachweisen können. Damit bestätigte der EDSA, dass Verantwortliche die Datenverarbeitung im Rahmen von KI-Training dem Grunde nach auf eine Interessenabwägung stützen können. Hierauf stützt sich auch Meta, um die Datenverarbeitung für das Training von KI auf Grundlage einer Interessenabwägung zu legitimieren. Eine Einwilligung der Nutzerinnen und Nutzer ist dann nicht erforderlich.

Der EDSA führt aus, dass die Interessenabwägung in einem sog. Drei-Stufen-Test zu prüfen sei. Nach dieser Prüfung muss der Verantwortliche nachweisen, dass (1.) er oder ein Dritter mit der Datenverarbeitung berechtigte Interessen verfolgt, (2.) die Verarbeitung zur Verfolgung der berechtigten Interessen erforderlich ist und (3.) die berechtigten Interessen nicht durch die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Personen überlagert werden.

Folgende konkrete Abwägungskriterien werden bei der einzelfallbezogenen Abwägung der entgegenstehenden Interessen unter anderem relevant:

  • die öffentliche Zugänglichkeit der Daten, wenn – wie im „Fall Meta“ – beispielsweise nur Beiträge genutzt werden, die Nutzerinnen und Nutzer öffentlich geteilt haben;
  • die Verbindung zwischen dem Betroffenen und dem Verantwortlichen;
  • die Quelle, aus der die personenbezogenen Daten stammen;
  • die mögliche weitere Verwendungsmöglichkeit des Modells;
  • ob den betroffenen Personen die Nutzung bekannt ist; sowie
  • die vernünftigen Erwartungen betroffener Personen: In der Entwicklungsphase von KI-Modellen sei insbesondere ausschlaggebend, ob die Betroffenen die zur Entwicklung des Modells verarbeiteten Daten selbst veröffentlicht und/oder dem Verantwortlichen direkt zur Verfügung gestellt haben, beispielsweise im Rahmen ihrer Nutzung des Dienstes.

Der EDSA stellt außerdem eine Liste mit Beispielen für mitigierende Maßnahmen zur Verfügung, die die Interessenabwägung zu Gunsten des Verantwortlichen beeinflussen können und die auch Meta umsetzt:

  • Wahrung eines angemessenen Zeitraums zwischen der Erhebung des Datensatzes und seiner Verwendung, um den Betroffenen die Ausübung ihrer Rechte zu ermöglichen. Meta hat seine Nutzerinnen und Nutzern mehr als einen Monat vor Start des Trainings über die geplante Datenverarbeitung informiert.
  • Bedingungslose „Opt-out“-Möglichkeit für Nutzerinnen und Nutzern vor Beginn der Datenverarbeitung, um die Kontrolle des Einzelnen über seine Daten über die gesetzlichen Vorgaben (Art. 21 DSGVO) hinaus zu stärken. Ein solche Opt-out-Lösung stellt Meta seinen Nutzerinnen und Nutzern explizit zur Verfügung.
  • Transparenzmaßnahmen, insbesondere öffentliche und leicht verfügbare Kommunikation gegenüber Betroffenen, die über die „üblichen“ datenschutzrechtlichen Informationspflichten hinausgeht oder alternative Informationsmaßnahmen, beispielsweise durch breite Medien- und Informationskampagnen via E-Mail. Auch hier hat Meta angesetzt und Informationskampagnen gestartet, adressiert sowohl an die breite Öffentlichkeit als auch die einzelnen Nutzer und Nutzerinnen.

Zusammengefasst sprechen daher gute Argumente dafür, dass die Nutzung von personenbezogenen Daten für das Training von KI-Modellen in der von Meta geplanten Form rechtmäßig ist. Dennoch besteht die Möglichkeit, dass das Oberlandesgericht Köln eine abweichende und restriktive Auffassung – jedenfalls im einstweiligen Verfügungsverfahren – vertritt.

III. Ausblick: Weitreichende Bedeutung des Urteils für die Innovationsfähigkeit von Unternehmen

Sollte das Gericht dem Antrag der vznrw stattgeben und Meta untersagen, das geplante KI-Training durchzuführen, hätte dies weitreichende Konsequenzen auch für viele andere Unternehmen sowie den Wirtschafts- und Innovationsstandort Deutschland insgesamt.

Nachdem der EDSA die Verarbeitung von Daten für das Training von KI auf Grund des berechtigten Interesses und mit einer Opt-out Widerspruchsmöglichkeit im Dezember 2024 als grundsätzlich möglich bewertete, konnten sich Unternehmen auf einen rechtlichen Rahmen verlassen, innerhalb dessen sie das KI-Training durchführen können.

Sollte das Oberlandesgericht Köln nun von diesen Grundsätzen abweichen, würde dies das KI-Training mit personenbezogenen Daten gestützt auf ein berechtigtes Interesse mit einem erheblichen rechtlichen Risiko belasten. Denn wie das Verfahren zeigt, sehen sich Unternehmen im Zweifel nicht nur datenschutzbehördlichen Maßnahmen, sondern auch möglichen Verbandsklagen von Verbraucherschutzorganisationen oder Klagen betroffener Personen ausgesetzt, die sich auf die vorläufige Auffassung des Oberlandesgerichts Köln stützen könnten.

Gerade in Deutschland würde eine untersagende Entscheidung des Gerichts also ein Umfeld schaffen, in dem KI-Innovationen nur unter erheblichem Risiko entwickelt werden können. Umso wichtiger ist es nun für Unternehmen, genau zu prüfen, wie sie personenbezogene Daten für ihr KI-Training nutzen, um rechtliche Risiken zu minimieren und gleichzeitig die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.

Haben Sie Fragen? Kontaktieren Sie gern: Pascal Schumacher, Marieke Merkle, Lea Stegemann oder Mirjam Lück

 

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