Europäische Kommission: Vorschlag für eine „Green Claims“-Richtlinie soll zurückgezogen werden
Die Europäische Kommission hat Ende der letzten Woche angekündigt, ihren Vorschlag für eine „Green Claims“-Richtlinie zurückziehen zu wollen. Dies berichten verschiedene Medien (siehe z. B. hier und hier). Nur wenige Tage zuvor soll die EVP-Fraktion die Europäische Kommission in einem Brief aufgefordert haben, den Richtlinienvorschlag zurückzuziehen, und damit gedroht haben, ihm bei einer Abstimmung die Unterstützung zu verweigern. Ohne die Stimmen des derzeit größten Blocks innerhalb des Europäischen Parlaments hätte das Vorhaben wohl keine Aussicht darauf, verabschiedet zu werden.
Die Ankündigung der Kommission kurz vor dem heutigen Verhandlungstermin im Rahmen des Trilogs hat scheinbar auch die Verhandler überrascht. Die polnische EU-Ratspräsidentschaft hat bekräftigt, an den geplanten Verhandlungen zunächst festhalten zu wollen, bis eine formale Entscheidung der Kommission vorliegt.
Regelungen der „Green Claims“-Richtlinie und Kritik
Der Vorschlag für die „Green Claims“-Richtlinie wurde am 22.03.2023 veröffentlicht und ist ein Baustein des „Europäischen Green Deals“ (wir berichteten hier und hier). Mit dieser Richtlinie will die Europäische Kommission insbesondere freiwilligen Werbeaussagen und Umweltzeichen (z. B. Zertifizierungen) Einhalt gebieten, die Produkte als umweltfreundlicher darstellen, als sie tatsächlich sind. Der Richtlinienvorschlag richtet sich auch gegen Umweltaussagen zur CO2-Kompensation, die in der Vergangenheit verschiedene Gerichte beschäftigt haben. Die wesentliche Neuregelung besteht in der zwingenden Vorab-Zertifizierung von „Green Claims“ durch einen externen Dritten, ohne die eine Verwendung der entsprechenden Werbeaussage nicht zulässig ist.
Zur Durchsetzung dieser Regelungen enthält der Richtlinienvorschlag bedeutende Sanktionsvorschriften. Danach sollen die Mitgliedstaaten die Verhängung von Bußgeldern vorsehen, deren Maximalhöhe mindestens 4 % des gesamten Jahresumsatzes des Gewerbetreibenden in dem betreffenden Mitgliedstaat bzw. den betreffenden Mitgliedstaaten beträgt.
Der Richtlinienentwurf wurde nicht nur durch Wirtschaftsverbände scharf kritisiert (vgl. hier). Auch etwa die Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht e.V. (GRUR) sprach sich deutlich gegen den geplanten Entwurf und insbesondere den systemfremden Regelungsansatz einer Vorabkontrolle und Zertifizierung aus (vgl. hier). Kritisiert wird unter anderem, dass das teure Zertifizierungsverfahren erhebliche Hindernisse für umweltbezogene Werbung schaffe, mit dem kein erkennbarer Mehrwert für den Schutz von Verbrauchern korrespondiere. Die „Green Claims“-Richtlinie errichte für die Unternehmen erhebliche bürokratische Hürden und schränke deren Wettbewerbsfähigkeit ein. Gleichzeitig sei zu erwarten, dass die zusätzlichen Kosten auf die Verbraucher abgewälzt oder aber gänzlich auf die Verwendung von „Green Claims“ verzichtet werde („Greenhushing“).
Was würde das Aus der „Green Claims“-Richtlinie bedeuten?
Sollte das Gesetzgebungsverfahren zur „Green Claims“-Richtlinie nicht fortgeführt und zum Abschluss gebracht werden, hätte dies zwar zur Folge, dass die konkreten Regelungen nicht von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden müssten.
Dies würde aber nicht dazu führen, dass alle Neuregelungen zu „Green Claims“ des „Europäischen Green Deals“ insgesamt platzen. Denn die ebenfalls dazugehörende „Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel“ („EmpCo“-Richtlinie) ist bereits am 26.03.2024 in Kraft getreten. Deren Vorgaben müssen die Mitgliedstaaten bis zum 27.03.2026 gesetzgeberisch umsetzen, wobei die Anwendung der entsprechenden Gesetze ab dem 27.09.2026 zu erfolgen hat. Die „EmpCo“-Richtlinie enthält insbesondere eine Reihe von Handlungen, die zukünftig als per se unlautere Geschäftspraktiken untersagt sind. Dazu zählen beispielsweise das Anbringen eines Nachhaltigkeitssiegels, das nicht auf einem Zertifizierungssystem beruht, sowie das Treffen allgemeiner Umweltaussagen, wobei das Unternehmen die behauptete anerkannte hervorragende Umweltleistung, auf die sich die Aussage bezieht, nicht nachweisen kann.
Ohnehin legt die deutsche Rechtsprechung seit jeher einen strengen Maßstab bei der Beurteilung von umweltbezogenen Werbeaussagen an.
Vor diesem Hintergrund besteht auch bei einem Aus der „Green Claims“-Richtlinie aus deutscher Perspektive weiterhin ein robuster Schutz vor irreführenden umweltbezogenen Werbeaussagen, der durch die Umsetzung der „EmpCo“-Richtlinie weiter gestärkt werden wird.
Für Unternehmen würde der Verzicht auf den Richtlinienentwurf eine spürbare Entlastung bedeuten, da sie sich nicht auf die kosten- und zeitintensive Vorabzertifizierung umweltbezogener Werbeaussagen einstellen müssten. Dies steht im Einklang mit dem erklärten Ziel der Kommission, den Bürokratieabbau voranzutreiben und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in der Europäischen Union zu stärken. Das Einlenken der Kommission ist insofern zu begrüßen.
Bestens
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