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Referenten­ent­wurf zur Um­setzung der Ver­brau­cher­kredit­richt­linie 2023 ver­öffent­licht

25.06.2025

Seit November 2023 ist die vollharmonisierende Verbraucherkreditrichtlinie (EU) 2023/2225 (VK-RL 2023) in Kraft, die insbesondere neuere Entwicklungen im Online-Kreditgeschäft reguliert. Circa fünf Monate vor Ablauf der Frist zur Umsetzung der Richtlinie hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz am 23.06.2025 den Referentenentwurf zum Umsetzungsgesetz nebst Synopse veröffentlicht. Der Referentenentwurf sieht neben Änderungen im Aufsichtsrecht (siehe Insights) erhebliche Veränderungen im Recht der Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge vor.

Anwendungsbereich deutlich erweitert

Der Anwendungsbereich der für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge (AVD) (§ 491 Abs. 2 BGB) geltenden Vorschriften soll deutlich erweitert werden:

  • Unentgeltliche Darlehensverträge: Ein AVD soll begrifflich nicht mehr die Entgeltlichkeit des Darlehens voraussetzen, sodass insbesondere zinslose Darlehen erfasst werden (§ 491 Abs. 2 Satz 1 BGB-RefE). Entsprechendes soll für Zahlungsaufschübe und sonstige Finanzierungshilfen gelten (§ 506 Abs. 1 Satz 1 BGB-RefE).
  • Kleinstdarlehen: Darlehen mit einem Gesamtbetrag unter EUR 200,00 sollen ebenfalls in den Anwendungsbereich des Verbraucherdarlehensrechts fallen. Entsprechendes gilt wiederum auch für Zahlungsaufschübe und sonstige Finanzierungshilfen.
  • Kurzfristige Darlehen: Der Referentenentwurf sieht die Streichung von § 491 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 BGB vor. Damit würden künftig auch solche Verträge als AVD gelten, die binnen drei Monaten zurückzuzahlen sind und nur geringe Kosten verursachen. Für kurzfristige Zahlungsaufschübe und kurzfristige sonstige Finanzierungshilfen sollen die Verbraucherschutzvorschriften ebenfalls gelten.
  • „Buy now, Pay later“-Modelle: Durch die Einbeziehung von unentgeltlichen Darlehensverträgen, Kleinstdarlehen, kurzfristigen Darlehen sowie den entsprechenden Zahlungsaufschüben unterfallen künftig auch sog. „Buy now Pay later“-Modelle den Vorschriften für AVD. Dabei handelt es sich um [häufig zins- und gebührenfrei gewährte] Modelle, bei denen der Kreditgeber einem Verbraucher einen Kredit gewährt, der ausschließlich dem Erwerb von Waren oder Dienstleistungen eines Anbieters dient, und bei denen es sich um neue digitale Finanzinstrumente handelt, die es Verbrauchern ermöglichen, Käufe zu tätigen und diese im Laufe der Zeit abzuzahlen.“ (Erwgr. 16 VK-RL 2023).
  • „Klassischer“ Kauf auf Rechnung: Der Kauf auf Rechnung, bei dem der Anbieter der Ware oder Dienstleistung selbst einen unentgeltlichen Zahlungsaufschub gewährt, soll teilweise aus dem Anwendungsbereich des Rechts für AVD herausgenommen werden. Rechnungskäufe fallen nicht unter die entsprechenden Regeln, wenn (i) sie von Kleinstunternehmen, von einem kleinen oder von einem mittleren Unternehmen angeboten werden, (ii) der unentgeltliche Zahlungsaufschub höchstens 50 Tage beträgt und (iii) dem Verbraucher bei Zahlungsverzug lediglich begrenzte Kosten entstehen können. Weitere Voraussetzung ist, dass Dritte weder ein Darlehen, einen Zahlungsaufschub oder eine sonstige Finanzierungshilfe gewährt haben (§ 506 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4, Satz 3 BGB-RefE). Fernabsatzverträge mit großen Unternehmen sind künftig vom Anwendungsbereich ausgeschlossen, wenn der unentgeltliche Zahlungsaufschub höchstens 14 Tage beträgt und der Verbraucher bei Zahlungsverzug nur begrenzte Kosten trägt, ohne dass Dritte ein Darlehen, einen Zahlungsaufschub oder eine sonstige Finanzierungshilfe gewähren oder den Zahlungsanspruch erwerben (§ 506 Abs. 1 Satz 3 BGB-RefE).
  • Debitkarten: Der Referentenentwurf macht von der Möglichkeit, Debitkarten mit Zahlungsaufschub (sog. Charge Cards) unter bestimmten Voraussetzungen vom Anwendungsbereich der AVD-Regeln auszunehmen, keinen Gebrauch. Dies stellt eine Verschärfung zum bisherigen Recht dar.

Textform für Vertragsschluss ausreichend

Für AVD sieht der Referentenentwurf einen Wegfall des Schriftformerfordernisses zugunsten der Textform vor (§ 492 Abs. 1 Satz 1 BGB-RefE). Das soll Bürokratie abbauen und die Digitalisierung fördern. Diese von der VK-RL 2023 nicht geforderte Änderung gilt jedoch nicht für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge.

Höchstfrist für Widerruf und Wegfall von Gesetzlichkeitsfiktion

Der Referentenentwurf setzt Art. 26 Abs. 2 VK-RL 2023 um und führt für Widerrufe eine Höchstfrist von zwölf Monaten und 14 Tagen ab Vertragsschluss ein (§ 356b Abs. 2 Satz 5 BGB-RefE). Voraussetzung ist jedoch eine ordnungsgemäße Information über das Widerrufsrecht, das heißt über die Widerrufsfrist, die Form der Widerrufserklärung sowie die Pflicht, das ausgezahlte Darlehen nebst Wertersatz zurückzahlen zu müssen (vgl. Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB-RefE).

Die bisher in Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB vorgesehene Gesetzlichkeitsfiktion soll ersatzlos entfallen (die Gesetzlichkeitsfiktion für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge bleibt indes bestehen). Der Referentenentwurf begründet den Wegfall damit, dass die VK-RL 2023 keine Musterinformation vorsehe und sich etwaige Fehler in einem gesetzlichen Muster gegebenenfalls erst nach Jahren und nach einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zeigten (RefE, S. 150). Das ist ebenso bemerkenswert wie bedauerlich, wird damit doch eingeräumt, dass rechtssichere Belehrungen kaum möglich sind.

Regeln für Überziehungskredite verschärft

Bei Verträgen über eingeräumte Überziehungen (§ 504 BGB-RefE) besteht künftig ein Widerrufsrecht (§ 495 Abs. 1 BGB). Für geduldete Überziehungen besteht mit Blick auf die Ausnahme in Art. 2 Abs. 4 VK-RL 2023 weiterhin kein Widerrufsrecht (§ 495 Abs. 2 Nr. 3 BGB-RefE).

Künftig bestehen zudem Informationspflichten bei einer (Teil-)Kündigung. Mindestens 30 Tage vor Wirksamwerden der Kündigung ist über die Beendigung oder Kürzung der Überziehungsmöglichkeit zu informieren, die aufgrund der Kündigung eintritt (§ 504 Abs. 2 Satz 1 und § 505 Abs. 5 BGB-RefE).

Zudem muss der Darlehensgeber es vor der Einleitung eines Zwangsvollstreckungsverfahrens nach einer Kündigung ermöglichen, eine in Anspruch genommene und gekündigte Überziehungsmöglichkeit oder geduldete Überziehung in zwölf Monatsraten zum vereinbarten Sollzinssatz zurückzuzahlen.

Kreditwürdigkeitsprüfung verschärft

Die Anforderungen an die Kreditwürdigkeitsprüfung bei AVD sollen insgesamt verschärft werden. Künftig muss die Kreditwürdigkeitsprüfung auch bei AVD ergeben, dass die ordnungsgemäße Vertragserfüllung durch den Darlehensnehmer wahrscheinlich ist (§ 505a Abs. 1 Satz 2 BGB-RefE). Grundlage der Kreditwürdigkeitsprüfung müssen einschlägige und genaue Informationen zu Einkommen, Ausgaben sowie anderen finanziellen und wirtschaftlichen Umständen des Darlehensnehmers sein (§ 505b Abs. 2 Satz 1 BGB-RefE). Besonders sensible Daten, zum Beispiel politische Meinungen und Gesundheitsdaten, dürfen nicht einbezogen werden (§ 505b Abs. 2 Satz 2 BGB-RefE). Die Abfrage der erforderlichen Auskünfte in einer Datenbank ist erlaubt; soziale Netzwerke scheiden als Informationsquelle hingegen aus (§ 505b Abs. 3 Satz 1 BGB-RefE). Die bisher nur für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge bestehende Dokumentationspflicht soll auf AVD ausgedehnt werden (§ 505b Abs. 4 BGB-RefE). Auf betroffene Unternehmen kommt also deutlich mehr Bürokratie zu.

§ 30 Abs. 6 Satz 1, Satz 2 BDSG-RefE gibt dem Darlehensnehmer bei AVD ein Recht auf eine menschliche Entscheidung anstelle einer rein automatisierten Datenverarbeitung bei der Kreditwürdigkeitsprüfung. Das beinhaltet insbesondere das Recht, die Kreditwürdigkeitsprüfung und die Entscheidung über die Darlehensgewährung durch einen Menschen überprüfen zu lassen, wenn die Kreditwürdigkeitsprüfung bei AVD eine automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten beinhaltet hat.

Nichtigkeit bei objektiv überhöhtem effektiven Jahreszins

§ 492 Abs. 9 BGB-RefE übernimmt im Grundsatz die aus § 138 BGB abgeleiteten Rechtsgrundsätze zu Sittenwidrigkeit von AVD, ohne allerdings auf subjektive Voraussetzungen abzustellen (RefE, S. 107 ff.). Konkret sieht § 492 Abs. 9 BGB-RefE vor, dass ein AVD nichtig ist, wenn zwischen dem vertraglichen effektiven Jahreszinssatz und dem zum Zeitpunkt der Zinsvereinbarung für vergleichbare Darlehen marktüblichen effektiven Jahreszinssatz ein auffälliges Missverhältnis besteht. Das ist „in der Regel“ der Fall, wenn der vertragliche effektive Jahreszinssatz den bei Vertragsschluss marktüblichen effektiven Jahreszinssatz um 100 Prozent oder um zwölf Prozentpunkte überschreitet. Vorgesehen ist zudem, dass die zur Besicherung des nichtigen Vertrages abgeschlossenen Sicherungsgeschäfte ebenfalls nichtig sind (§ 492 Abs. 9 Satz 3 BGB-RefE).

Ausblick

Bundesländer, Verbände und interessierte Kreise können zu dem Referentenentwurf bis zum 18.07.2025 Stellung nehmen. Der Bundestag wird sich mit dem Entwurf und der absehbaren Kritik daran erst nach dem Ende der parlamentarischen Sommerpause im September befassen. Bis zum 20.11.2025 muss das Gesetz in Kraft getreten sein, um die Umsetzungsfrist der VK-RL 2023 einzuhalten. Die neuen Regeln müssen dann spätestens ab dem 20.11.2026 angewandt werden.

 

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