Comeback der FCPA-Verfolgung: DOJ beendet Pause und setzt neue Maßstäbe
Die Verfolgung von Verstößen gegen den U.S. Foreign Corrupt Practices Act („FCPA“) wird in den USA wieder aufgenommen, unter veränderten Rahmenbedingungen. Am 09.06.2025 hat das U.S. Department of Justice („DOJ“) ein Memorandum des Deputy Attorney General veröffentlicht, das neue interne Leitlinien für den Umgang mit FCPA-Verfahren festlegt.
Bereits im Februar 2025 hatte Präsident Trump mit der Executive Order 14209 eine 180-tägige Pause für neue FCPA-Verfahren angeordnet und eine grundlegende Neuausrichtung der behördlichen Verfolgung angekündigt (siehe auch Noerr Insights vom 14.02.2025: Pause für die Verfolgung von FCPA-Verstößen).
Das Memorandum beendet nun diese Pause und konkretisiert, unter welchen Voraussetzungen neue Ermittlungen eingeleitet oder bestehende Verfahren fortgeführt werden sollen.
Zielsetzung
Ziel der Leitlinien ist es laut Memorandum, unangemessene Belastungen für amerikanische Unternehmen im Ausland zu vermeiden und sich auf solche Verstöße zu konzentrieren, die die nationalen Interessen der Vereinigten Staaten unmittelbar beeinträchtigen. Die Strafverfolgung soll künftig gezielt dort ansetzen, wo Korruption diese Interessen unmittelbar gefährdet.
Wesentliche Eckpunkte der neuen Leitlinien
Das Memorandum des Deputy Attorney General gibt folgende, nicht abschließende Kriterien für die Durchsetzung des FCPA vor:
- Fokus auf sicherheits- und wirtschaftspolitisch sensible Fälle: Ermittlungen sollen sich vorrangig auf Sachverhalte konzentrieren, die
- in Zusammenhang mit Aktivitäten transnationaler krimineller Organisationen oder Drogenkartellen stehen,
- identifizierbare US-Unternehmen konkret wirtschaftlich benachteiligt haben oder am Wettbewerb gehindert haben oder
- sich auf Sektoren mit sicherheitsrelevanter Infrastruktur (zum Beispiel Verteidigung oder Energieversorgung) beziehen.
- Begrenzung auf substanzielle Korruptionshandlungen: Ermittlungen sollen nicht wegen routinemäßiger Geschäftspraktiken (routine business practices) oder geringfügiger Zuwendungen (low-dollar courtesies) geführt werden. Facilitation payments, also Zahlungen zur Beschleunigung behördlicher Vorgänge wie etwa Genehmigungen, waren bereits nach geltendem Recht vom Anwendungsbereich des FCPA ausgenommen (§ 78 dd-1(b)). Das Memorandum bestätigt, dass solche Zahlungen auch weiterhin nicht verfolgt werden sollen. Vorrang haben stattdessen Fälle mit deutlichem Korruptionsvorsatz, beispielsweise bei hohen Bestechungszahlungen oder gezielter Verschleierung der Zahlungsvorgänge.
- Berücksichtigung von Kollateraleffekten: Mögliche negative Auswirkungen auf Mitarbeitende, Geschäftspartner und die laufende Geschäftstätigkeit sollen bereits frühzeitig im Ermittlungsverlauf berücksichtigt werden, nicht erst im Rahmen der Sanktionierung.
- Konzentration auf individuelle Verantwortlichkeiten: Das Memorandum weist ausdrücklich an, sich auf Fälle zu konzentrieren, in denen konkrete natürliche Personen strafrechtlich relevantes Verhalten gezeigt haben. Allgemeine Pflichtverletzungen, die einer Unternehmensstruktur zugeschrieben werden, sollen hingegen nicht im Mittelpunkt stehen.
- Höhere Hürden für Einleitung neuer FCPA-Verfahren: Neue Ermittlungen oder Durchsetzungsmaßnahmen dürfen nur noch mit ausdrücklicher Genehmigung durch den Assistant Attorney General der Criminal Division oder einen höherrangigen DOJ-Offiziellen eingeleitet werden.
Einordnung
Dass Korruption strafbar bleibt und verfolgt wird, überrascht nicht, auch unter den neuen Leitlinien. Unzulässige Zahlungen an ausländische Amtsträger bleiben rechtswidrig, selbst wenn das DOJ im Einzelfall von einer Verfolgung absieht. Neu ist allerdings die Klarheit, mit der das Memorandum politische Maßstäbe setzt. Der Schutz amerikanischer Interessen tritt ausdrücklich in den Vordergrund, und mit ihm ein spürbares America-First-Paradigma. Das Memorandum des Deputy Attorney General macht deutlich, dass weder der Sitz des betroffenen Unternehmens noch der geografische Ort des Geschehens entscheidend ist. Maßgeblich ist vielmehr, ob das Verhalten konkrete Auswirkungen auf die Vereinigten Staaten oder ihre wirtschaftlichen Interessen hat. Besonders aufmerksam sollten Unternehmen sein, die in sicherheitsrelevanten Branchen tätig sind oder in Märkten operieren, in denen Kartelle oder kriminelle Organisationen präsent sind, etwa in Teilen Lateinamerikas. Ausländische Unternehmen, die sich gegen US-Konkurrenten durchsetzen, könnten ebenfalls in den Fokus der Ermittlungen geraten. Das DOJ nennt zwar Kriterien, anhand derer es die Relevanz eines Sachverhalts beurteilen will, diese eröffnen aber einen erheblichen Interpretationsspielraum. Künftig dürfte die Entscheidung über eine Strafverfolgung nach den Vorschriften des FCPA nicht nur von rechtlichen Kriterien abhängen, sondern auch (wirtschafts-)politische Erwägungen einbeziehen.
Die US-Behörden setzen FCPA-Ermittlungen also fort, jedoch mit verändertem Schwerpunkt. Welche Reichweite diese neue Linie in der Praxis entfaltet, lässt sich derzeit schwer abschätzen. Unternehmen mit Berührungspunkten zum US-Markt sollten ihre Compliance-Strukturen sorgfältig überprüfen und sicherstellen, dass sie auch den Erwartungen des DOJ gerecht werden.
Kontakt
Share
Bestens
informiert
Jetzt unseren Newsletter abonnieren, um zu aktuellen Entwicklungen auf dem Laufenden zu bleiben.
Jetzt anmelden