Die P2B-Verordnung
Plattformbasierte Geschäftsmodelle haben den Handel revolutioniert. Der digitale Vertrieb ist nicht mehr weg zu denken bei der Frage, wie Kunden effektiv angesprochen und die Attraktivität der eigenen Leistungen gesteigert werden können. Plattformen leisten hier einen wesentlichen Beitrag, Geschäfte online verfügbar zu machen. Insbesondere kleinere und mittelständische Unternehmen sind auf solche Plattformen angewiesen. Dabei wirken geschickte Produktplatzierungen und Rankings umsatzsteigernd. Plattformen bergen allerdings auch das Risiko, dass Geschäftsmodelle blockiert werden. Als Schnittstelle zwischen anbietenden Unternehmen und ihren Kunden haben Plattformbetreiber somit eine erhebliche Marktmacht.
Diese Abhängigkeit hat der europäische Gesetzgeber erkannt und die Verordnung (EU) 2019/1150 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten verabschiedet. Diese Verordnung – auch ‚Platform-to-Business VO‘ oder kurz ‚P2B-VO‘ genannt – gilt ab dem 12.07.2020 unmittelbar in den EU-Mitgliedstaaten. Der zum Teil undurchsichtigen Geschäftspolitik von Plattformbetreibern sind damit neue Grenzen gesetzt. Plattformbetreiber sehen sich nun einem nicht unbeachtlichem Anpassungsbedarf ausgesetzt.
Wer ist betroffen?
Die P2B-VO gilt für Online-Vermittlungsdienste und Online-Suchmaschinen, über die gewerbliche Plattformnutzer ihren Verbraucher-Kunden Produkte anbieten. Dabei ist unerheblich, ob ein Vertragsschluss über die Plattform selbst, über eine verlinkte Unternehmenswebsite oder offline stattfindet. Neben den klassischen Marktplätzen und App-Stores erfasst die Verordnung insbesondere auch die sozialen Netzwerke sowie sämtliche Buchungs- und Preisvergleichsportale (nachstehend einheitlich als „Plattformen“ bezeichnet).
Nicht betroffen von der P2B-Verordnung sind dagegen lediglich reine Business-to-Business Plattformen sowie Peer-to-Peer Vermittlungen, an denen keine gewerblichen Anbieter beteiligt sind. Ausgenommen sind außerdem Online-Zahlungs- und Werbedienste.
Worum geht es?
Durch die P2B-VO werden Plattformbetreiber zu mehr Transparenz und Fairness verpflichtet. Hiervon betroffen sind unter anderem:
- Die Gestaltung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Informationspflichten:
Vergleichbar dem deutschen Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB müssen AGB zunächst klar und verständlich abgefasst und leicht verfügbar sein, andernfalls sind sie nichtig. Die AGB müssen außerdem eindeutig regeln, aus welchen Gründen der Plattformzugang ausgesetzt, beschränkt oder beendet werden kann. An dieser Stelle müssen Plattformbetreiber zukünftig präzise werden; generalklauselartige Formulierungen werden den Anforderungen der P2B-VO nicht mehr genügen. Praxisrelevant wird insbesondere auch die Pflicht zur Angabe und Begründung von Beschränkungen, die Plattformbetreiber den Plattformnutzern betreffend andere Vertriebskanäle auferlegen. Das betrifft vor allem die sog. Bestpreisklauseln. Außerdem müssen Plattformbetreiber in ihren AGB erläutern, ob und inwiefern ggf. eigene Produkte bzw. Produkte von mit der Plattform verbundenen Unternehmen bevorzugt werden. Nicht zuletzt enthält die P2B-Verordnung eine Reihe von Informationspflichten; etwa ist rechtzeitig über AGB-Änderungen sowie die Beschränkung des Plattformzuganges zu informieren.
- Die Offenlegung von Ranking-Parametern:
Das Ranking von Produkten bzw. die Platzierung und/oder die Hervorhebung innerhalb von Suchergebnissen hat erheblichen Einfluss auf die Wahlmöglichkeiten der Verbraucher und damit auch auf den geschäftlichen Erfolg der anbietenden Plattformnutzer. Ein wesentliches Novum der P2B-Verordnung betrifft daher die Verpflichtung der Plattformbetreiber, in ihren AGB die Ranking-Parameter offenzulegen. Demnach muss zukünftig aus den AGB folgen, nach welchen Kriterien Produkte gelistet und wie diese Kriterien gewichtet werden. Können Plattformnutzer gegen Entgeltleistungen Einfluss auf das Ranking nehmen, ist auch hierüber zu informieren. Erfasst werden dabei neben direkten Zahlungen auch indirekte Entgelte, wie die Nutzung von Zusatzdiensten oder Premiumfunktionen. Die detaillierte Funktionsweise der Rankingmethoden — einschließlich der Algorithmen — braucht dabei nicht offengelegt zu werden.
- Außergerichtliche Streitbeilegung:
Vorschriften zu Informationspflichten, zum Beschwerdemanagement und zur Mediation sollen außergerichtliche Streitbeilegungen fördern. Plattformbetreiber müssen insbesondere ein internes kostenfreies System für die Beschwerden gewerblicher Plattformnutzer einrichten. Dieses interne Beschwerdemanagementverfahren soll die Möglichkeit eröffnen, Unstimmigkeiten zwischen Plattformnutzer und Plattformbetreiber „auf kurzen Wegen“ zu klären und so Abhilfemöglichkeiten zu verschaffen – etwa bei einer Ranking-Herabstufung. Zudem haben Plattformbetreiber mindestens zwei Mediatoren in ihren AGB anzugeben, mit denen Sie bereit sind im Falle von Streitigkeiten zusammenzuarbeiten. Zwingend ist die Durchführung eines Mediationsverfahren jedoch nicht. Auch bestehen Ausnahmen für kleine Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten, deren Jahresumsatz und Jahresbilanz 10 Mio. EUR nicht überschreitet.
Fazit
Die Verordnung schafft insgesamt mehr Transparenz im Plattformbetrieb. Unfaire Geschäftspraktiken – wie etwa unangekündigte AGB-Änderungen, die plötzliche Löschung von Händler-Accounts und unbegründete Herabsetzungen in Ergebnislisten, undurchsichtige Rankings sowie versteckte Meistbegünstigungsklauseln – werden eingedämmt. Wenngleich „unfaire Praktiken“ damit nicht per se untersagt werden, so führen die mit der P2B-VO einhergehenden Offenlegungspflichten doch zu deutlich mehr Rechtssicherheit auf Seiten der gewerblichen Plattformnutzer. Abzuwarten bleibt, wie effektiv sich außergerichtliche Streitbeilegungsverfahren in der Praxis gestalten werden.
Plattformbetreiber sollten jedenfalls bereits jetzt ihre Plattformen auf Anpassungsbedarf überprüfen und ggf. erforderliche Änderungen veranlassen.