Gesetzentwurf über die Barrierefreiheit bestimmter Produkte
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat am 18.03.2021 den Referentenentwurf für das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen („Barrierefreiheitsgesetz – BFG“) veröffentlicht. Neben Anforderungen an Dienstleistungen enthält der Entwurf erhebliche neue Pflichten für die Hersteller, Importeure und Händler von Computern, Tablets, Notebooks, Geld- und Ticketautomaten, Mobiltelefonen, Routern, Fernsehern, E-Book Readern u.a., auf die sich diese News fokussiert.
Der grundsätzliche Aufbau des BFG soll dem des Produktsicherheitsgesetzes (ProdSG) ähneln:
- Nach einer Auflistung des Anwendungsbereichs und der Definitionen folgt eine Verordnungsermächtigung für das BMAS, die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte en detail zu bestimmen. Diese sollen sich an Anhang I der Richtlinie (EU) 2019/882 orientieren. Dabei müssen Verbrauchern insbesondere Informationen über mehrere sensorische Kanäle und in verständlicher Weise und Darstellung zur Verfügung gestellt werden. Ferner hat die Benutzung des Produkts Menschen mit Behinderung möglich zu sein, indem stets alternative Darstellungs- und Ansteuerungsweisen angeboten werden.
- Anschließend differenziert der BFG-Entwurf zwischen den jeweiligen Pflichten des Herstellers, des Importeuers und des Händlers. In Parallele zum ProdSG müssen die Barrierefreiheitsanforderungen eingehalten werden, EU-Konformitätserklärungen ausgestellt sein und die Produkte mit CE-Kennzeichen versehen werden. Dies alles gilt nicht für Kleinstunternehmen, also Unternehmen, die weniger als zehn Personen beschäftigen und deren Jahresumsatz bzw. Jahresbilanzsumme 2 Mio. Euro nicht übersteigt. Für kleine und mittlere Unternehmen sieht der BFG-Entwurf zum Teil spezifische Regelungen mit Blick auf die Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte vor. Aber auch alle anderen Wirtschaftsakteure müssen einzelne Anforderungen des BFG nicht erfüllen, wenn diese entweder das Produkt wesentlich verändern oder eine unverhältnismäßige Belastung für den jeweiligen Wirtschaftsakteur bedeuten würden. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist sorgfältig zu beurteilen und zu dokumentieren. Für Streit ist gesorgt.
- Als vollständige Regelung enthält der BFG-Entwurf ferner Vorschriften zur Marktüberwachung und Rechtsdurchsetzung: Die Marktüberwachungsbehörden der Bundesländer überprüfen, ob die Barrierefreiheitsanforderungen eingehalten werden und ob von den Ausnahmeregelungen ordnungsgemäß Gebrauch gemacht wird. Eine Nichteinhaltung der Vorschriften kann eine Handels-Rücknahme bzw. einen staatlich angeordneten Produktrückruf (!) nach sich ziehen und als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von bis zu 100.000 Euro sanktioniert werden. Betroffene Verbraucher können entsprechende Marktüberwachungsmaßnahmen als Einzelperson oder mithilfe von Verbänden initiieren. Ebenso sieht der BFG-Entwurf Verbandsklagen vor.
- Das BFG soll für alle vom Anwendungsbereich umfassten Produkte gelten, die nach dem 28.6.2025 in Verkehr gebracht werden.
Auswirkungen auf die Praxis
Zwar handelt es sich beim vorgestellten BFG zunächst noch um den ersten Entwurf. Nachdem der Inhalt aber europarechtlich durch die Richtlinie (EU) 2019/882 im Wesentlichen bereits determiniert ist, sind rechtspolitisch keine größeren Änderungen zu erwarten, sodass die Barrierefreiheit - beginnend mit diesen Produktsegmenten - auch in Deutschland Bestandteil der Product Compliance wird. Hersteller, Importeure und Händler der o.g. Produkttypen sollten sich daher frühzeitig mit dem BFG-Entwurf befassen, damit sie evtl. Defizite bei ihren Produkten hinsichtlich der Barrierefreiheitsanforderungen identifizieren und auch in der technischen Lieferkette rechtzeitig nachbessern können.